1, 1 Millionen Euro für Salzburger Strukturbiologen…

 

erstellt am
31. 07. 19
13:00 MEZ

…zur Entwicklung neuer Wirkstoffe gegen Krebs und andere Erkrankungen
Salzburg (universität) - Gleich vier Forschungsprojekte der Arbeitsgruppe Strukturbiologie an der Universität Salzburg rund um Hans Brandstetter werden vom Österreichischen Fonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung (FWF) unterstützt, mit insgesamt 1, 1 Millionen Euro. Die Forscher/innen beschäftigen sich mit den molekularen Mechanismen der Krankheitsentstehung und der Entwicklung neuer Wirkstoffe im Bereich Immunologie und Krebsforschung.

Projektleiter sind Sven Dahms, Elfriede Dall, Peter Göttig und Esther Schönauer. Die Exzellenz der Salzburger Forschungen wurde kürzlich auch in einem internationalen Begutachtungsprozess mit Bestnoten bewertet.

Im Fokus der Salzburger Strukturbiologen stehen Enzyme. Die eiweißartigen Moleküle sind als zentrale Wegweiser für die biologische Signalverarbeitung an vielen lebenswichtigen Prozessen in unseren Körperzellen beteiligt. Zum Teil werden Enzyme in unserem Körper auch von Krankheitserregern ausgenutzt, zum Zweck ihrer Vermehrung. „Wir wollen genau verstehen, wie Enzyme funktionieren, wie enzymatische Wirkungen reguliert werden. Dazu werden wir im Rahmen der geplanten Arbeiten das Verhalten der Enzyme auf atomarer Ebene durchleuchten und molekulare Werkzeuge entwickeln, um Enzyme kontrollieren und gezielt beeinflussen zu können“, sagt Univ.-Prof. Dr. Hans Brandstetter. „Durch unsere Arbeiten erhoffen wir uns detaillierte Einblicke in Prozesse, die für die Entstehung von Allergien, Krebserkrankungen oder Infektionskrankheiten bedeutsam sind und in Zukunft besser therapiert werden können.“ Um die Forschungsergebnisse effizient in innovative Anwendungen und Technologien umzusetzen, die den Menschen zugutekommen, arbeiten die Salzburger Strukturbiologen auch eng mit Firmenpartnern aus der Biotechnologie- und Pharmaindustrie zusammen.

Der Biochemiker Dr. Sven Dahms untersucht in seinem Projekt („Entwicklung konformationsspezifischer Furin-Inhibitoren“) das Enzym Furin bzw. Möglichkeiten, es zu hemmen. Furin sorgt für einen wichtigen Schaltmechanismus in den Zellen, es kann Proteine ein- und ausschalten. Insbesondere eine Überfunktion von Furin kann die Funktionsabläufe in den Zellen stören, was letztendlich die Entstehung von Krebserkrankungen (der Haut, der Lunge, der Brust, des Hirns, des Darms) verursachen kann. Auch gefährliche Krankheitserreger machen sich das Enzym Furin zu eigen. Zahlreiche Viren wie etwa das Grippevirus, das Masernvirus oder das Ebolavirus benötigen den Schaltmechanismus, um sich im ganzen Körper ausbreiten zu können. Aufgrund seiner Bedeutung für die Entstehung vieler Krankheiten eignet sich Furin als Zielmolekül für die Entwicklung von Medikamenten. „Ziel des Projekts ist es, Substanzen zu entwickeln, die den Schaltmechanismus des Furins verlangsamen. Entscheidend ist dabei, dass wir ausschließllich das gewünschte Enzym drosseln, keine Verwandten im Molekül-Dschungel einer Zelle. Was unser Projekt außerdem besonders macht ist, dass wir modernste Verfahren der Wirkstoffforschung anwenden, die auf der Röntgenstrukturanalyse beruhen“, sagt Sven Dahms. „Mit der Methode des Kristallografie-basierten Fragment-Screenings können wir nicht nur die Substanz-Suche beschleunigen und somit die Entwicklungszeit neuer Medikamente verkürzen, sondern auch gänzlich neue Substanz-Klassen entdecken.“

Die Molekularbiologin Dr. Elfriede Dall beschäftigt sich in ihrem Projekt („Funktionelle Prinzipien der Legumain Macrocypin Interaktion“) mit dem Enzym Legumain, das eine äußerst wichtige Funktion für das Immunsystem hat. Legumain spaltet zum Beispiel bakterielle Erreger derart, dass sie von unserem Immunsystem als fremd erkannt und in der Folge bekämpft werden können. Liegt allerdings ein Zuviel oder ein Zuwenig an Legumain vor oder kommt Legumain statt innerhalb der Zelle außerhalb der Zelle vor, ist das mit schweren Erkrankungen wie Multipler Sklerose, Krebs oder Alzheimer assoziiert. Um Fehlfunktionen zu verhindern ist es daher wichtig, Legumain in seiner Aktivität streng zu regulieren. Eine effiziente Strategie dafür ist die Entwicklung von Inhibitoren, also von Molekülen, die die Legumain-Aktivität bremsen. Ein solcher in der Natur vorkommender Inhibitor ist eine Substanz des Parasol-Pilzes, das Macrocypin. „Wir möchten untersuchen, wie Macrocypine auf atomarer Ebene an das Legumain binden. Um ein detailliertes Verständnis der Wechselwirkungen zu erhalten, kombinieren wir eine breite Palette an biochemischen, biophysikalischen und strukturbiologischen Methoden. Die Ergebnisse der Studie werden es uns ermöglichen, neue Substanzen zu entwickeln, die in der medizinischen und biotechnologischen Forschung Anwendung finden können“, sagt Elfriede Dall.

Der Biochemiker Dr. Peter Göttig beschäftigt sich in seinem Projekt („Ortsspezifisches Crosslinking mit KLK-Proteasen aus Prostata“) mit Fragen, die von grundsätzlicher Bedeutung für das Studium von Enzymen sind: Enzyme katalysieren biochemische Reaktionen, die als laufende Vorgänge nicht ohne Weiteres eingefroren werden können, wie für Untersuchungszwecke erforderlich. Die derzeitigen Verfahren zur Verknüpfung (Crosslinking) der meist nur für Sekundenbruchteile in Kontakt stehenden Reaktionspartner sind eher ungenau. Göttigs Ansatz zur Lösung des Problems besteht darin, dass er ortsgenau schaltbare Bindungen zwischen die an der Reaktion beteiligten Moleküle einbaut, sodass der Vorgang festgehalten werden kann. Das ermöglicht punktuelle Untersuchungen der eingefrorenen Strukturen. Als Modellsystem dienen Peter Göttig menschliche Gewebekallikreine, kurz KLKs, aus der Prostata. KLKs sind Enzyme, genauer gesagt Proteasen, die bei Erkrankungen wie Prostatakrebs Veränderungen bei der Spaltung anderer Proteine zeigen. „Speziell in diesem Projekt können wir Informationen über den Aufbau der KLK-Proteasen zusammen mit verknüpften ungespaltenen Proteinen gewinnen, was bei der Aufklärung biologischer und krankheitsbedingter Vorgänge sehr hilfreich wäre“, sagt Göttig.

Die Molekularbiologin Dr. Esther Schönauer geht in ihrem Projekt („Mechanismen des bakteriellen Kollagenabbaus“) der Frage nach, wie Bakterien Kollagen abbauen. Die Erkenntnisse sollen einerseits eine neue Möglichkeit zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten eröffnen und anderseits zur Herstellung von hoch effizienten Tools in der Life Science Forschung führen. Kollagene sind die am häufigsten vorkommenden Proteine im menschlichen Körper. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil des Bindegewebes (Knochen, Knorpel, Zähne, Sehnen, Bänder) und der Haut. Abgebaut werden sie durch bestimmte Enzyme, die Kollagenasen. Diese werden vom eigenen Körper entwickelt. Es gibt jedoch auch einige Bakterien, die Kollagenasen sekretieren, um sich so besser im Körper verbreiten zu können. Der Tetanuserreger ist ein Beispiel dafür. Das Besondere an den bakteriellen Kollagenasen ist, dass sie hoch effizient sind, und das - äußerst schwer abbaubare - Kollagen viel radikaler spalten als dies die körpereigenen Kollagenasen zu tun vermögen. Ihre Tricks sind jedoch noch weitgehend unklar. „Wir wollen nun den genauen molekularen Mechanismus des bakteriellen Kollagenabbaus entschlüsseln. Die Erkenntnisse werden es uns erlauben, gezielt die Kollagenase-Aktivität zu modifizieren. Dies wird gleichermaßen entscheidend sein zur Entwicklung von Werkzeugen für die Industrie, die Forschung und die Medizin, als auch zur Entwicklung einer neuen Generation von Wirkstoffen zur Bekämpfung von Krankheiten“, sagt Esther Schönauer.

Mit der Fördersumme von 1,1 Millionen Euro kann in den kommenden drei Jahren ein zusätzliches Team wissenschaftlicher Mitarbeiter rekrutiert werden.

 

 

 

zurück

 

 

 

 

Kennen Sie schon unser kostenloses Monatsmagazin "Österreich Journal" in vier pdf-Formaten? Die Auswahl finden Sie unter http://www.oesterreichjournal.at