…zur Entwicklung neuer Wirkstoffe gegen Krebs und andere Erkrankungen
Salzburg (universität) - Gleich vier Forschungsprojekte der Arbeitsgruppe Strukturbiologie an der Universität
Salzburg rund um Hans Brandstetter werden vom Österreichischen Fonds zur Förderung der Wissenschaftlichen
Forschung (FWF) unterstützt, mit insgesamt 1, 1 Millionen Euro. Die Forscher/innen beschäftigen sich
mit den molekularen Mechanismen der Krankheitsentstehung und der Entwicklung neuer Wirkstoffe im Bereich Immunologie
und Krebsforschung.
Projektleiter sind Sven Dahms, Elfriede Dall, Peter Göttig und Esther Schönauer. Die Exzellenz der Salzburger
Forschungen wurde kürzlich auch in einem internationalen Begutachtungsprozess mit Bestnoten bewertet.
Im Fokus der Salzburger Strukturbiologen stehen Enzyme. Die eiweißartigen Moleküle sind als zentrale
Wegweiser für die biologische Signalverarbeitung an vielen lebenswichtigen Prozessen in unseren Körperzellen
beteiligt. Zum Teil werden Enzyme in unserem Körper auch von Krankheitserregern ausgenutzt, zum Zweck ihrer
Vermehrung. „Wir wollen genau verstehen, wie Enzyme funktionieren, wie enzymatische Wirkungen reguliert werden.
Dazu werden wir im Rahmen der geplanten Arbeiten das Verhalten der Enzyme auf atomarer Ebene durchleuchten und
molekulare Werkzeuge entwickeln, um Enzyme kontrollieren und gezielt beeinflussen zu können“, sagt Univ.-Prof.
Dr. Hans Brandstetter. „Durch unsere Arbeiten erhoffen wir uns detaillierte Einblicke in Prozesse, die für
die Entstehung von Allergien, Krebserkrankungen oder Infektionskrankheiten bedeutsam sind und in Zukunft besser
therapiert werden können.“ Um die Forschungsergebnisse effizient in innovative Anwendungen und Technologien
umzusetzen, die den Menschen zugutekommen, arbeiten die Salzburger Strukturbiologen auch eng mit Firmenpartnern
aus der Biotechnologie- und Pharmaindustrie zusammen.
Der Biochemiker Dr. Sven Dahms untersucht in seinem Projekt („Entwicklung konformationsspezifischer Furin-Inhibitoren“)
das Enzym Furin bzw. Möglichkeiten, es zu hemmen. Furin sorgt für einen wichtigen Schaltmechanismus in
den Zellen, es kann Proteine ein- und ausschalten. Insbesondere eine Überfunktion von Furin kann die Funktionsabläufe
in den Zellen stören, was letztendlich die Entstehung von Krebserkrankungen (der Haut, der Lunge, der Brust,
des Hirns, des Darms) verursachen kann. Auch gefährliche Krankheitserreger machen sich das Enzym Furin zu
eigen. Zahlreiche Viren wie etwa das Grippevirus, das Masernvirus oder das Ebolavirus benötigen den Schaltmechanismus,
um sich im ganzen Körper ausbreiten zu können. Aufgrund seiner Bedeutung für die Entstehung vieler
Krankheiten eignet sich Furin als Zielmolekül für die Entwicklung von Medikamenten. „Ziel des Projekts
ist es, Substanzen zu entwickeln, die den Schaltmechanismus des Furins verlangsamen. Entscheidend ist dabei, dass
wir ausschließllich das gewünschte Enzym drosseln, keine Verwandten im Molekül-Dschungel einer
Zelle. Was unser Projekt außerdem besonders macht ist, dass wir modernste Verfahren der Wirkstoffforschung
anwenden, die auf der Röntgenstrukturanalyse beruhen“, sagt Sven Dahms. „Mit der Methode des Kristallografie-basierten
Fragment-Screenings können wir nicht nur die Substanz-Suche beschleunigen und somit die Entwicklungszeit neuer
Medikamente verkürzen, sondern auch gänzlich neue Substanz-Klassen entdecken.“
Die Molekularbiologin Dr. Elfriede Dall beschäftigt sich in ihrem Projekt („Funktionelle Prinzipien der Legumain
Macrocypin Interaktion“) mit dem Enzym Legumain, das eine äußerst wichtige Funktion für das Immunsystem
hat. Legumain spaltet zum Beispiel bakterielle Erreger derart, dass sie von unserem Immunsystem als fremd erkannt
und in der Folge bekämpft werden können. Liegt allerdings ein Zuviel oder ein Zuwenig an Legumain vor
oder kommt Legumain statt innerhalb der Zelle außerhalb der Zelle vor, ist das mit schweren Erkrankungen
wie Multipler Sklerose, Krebs oder Alzheimer assoziiert. Um Fehlfunktionen zu verhindern ist es daher wichtig,
Legumain in seiner Aktivität streng zu regulieren. Eine effiziente Strategie dafür ist die Entwicklung
von Inhibitoren, also von Molekülen, die die Legumain-Aktivität bremsen. Ein solcher in der Natur vorkommender
Inhibitor ist eine Substanz des Parasol-Pilzes, das Macrocypin. „Wir möchten untersuchen, wie Macrocypine
auf atomarer Ebene an das Legumain binden. Um ein detailliertes Verständnis der Wechselwirkungen zu erhalten,
kombinieren wir eine breite Palette an biochemischen, biophysikalischen und strukturbiologischen Methoden. Die
Ergebnisse der Studie werden es uns ermöglichen, neue Substanzen zu entwickeln, die in der medizinischen und
biotechnologischen Forschung Anwendung finden können“, sagt Elfriede Dall.
Der Biochemiker Dr. Peter Göttig beschäftigt sich in seinem Projekt („Ortsspezifisches Crosslinking mit
KLK-Proteasen aus Prostata“) mit Fragen, die von grundsätzlicher Bedeutung für das Studium von Enzymen
sind: Enzyme katalysieren biochemische Reaktionen, die als laufende Vorgänge nicht ohne Weiteres eingefroren
werden können, wie für Untersuchungszwecke erforderlich. Die derzeitigen Verfahren zur Verknüpfung
(Crosslinking) der meist nur für Sekundenbruchteile in Kontakt stehenden Reaktionspartner sind eher ungenau.
Göttigs Ansatz zur Lösung des Problems besteht darin, dass er ortsgenau schaltbare Bindungen zwischen
die an der Reaktion beteiligten Moleküle einbaut, sodass der Vorgang festgehalten werden kann. Das ermöglicht
punktuelle Untersuchungen der eingefrorenen Strukturen. Als Modellsystem dienen Peter Göttig menschliche Gewebekallikreine,
kurz KLKs, aus der Prostata. KLKs sind Enzyme, genauer gesagt Proteasen, die bei Erkrankungen wie Prostatakrebs
Veränderungen bei der Spaltung anderer Proteine zeigen. „Speziell in diesem Projekt können wir Informationen
über den Aufbau der KLK-Proteasen zusammen mit verknüpften ungespaltenen Proteinen gewinnen, was bei
der Aufklärung biologischer und krankheitsbedingter Vorgänge sehr hilfreich wäre“, sagt Göttig.
Die Molekularbiologin Dr. Esther Schönauer geht in ihrem Projekt („Mechanismen des bakteriellen Kollagenabbaus“)
der Frage nach, wie Bakterien Kollagen abbauen. Die Erkenntnisse sollen einerseits eine neue Möglichkeit zur
Bekämpfung von Infektionskrankheiten eröffnen und anderseits zur Herstellung von hoch effizienten Tools
in der Life Science Forschung führen. Kollagene sind die am häufigsten vorkommenden Proteine im menschlichen
Körper. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil des Bindegewebes (Knochen, Knorpel, Zähne, Sehnen, Bänder)
und der Haut. Abgebaut werden sie durch bestimmte Enzyme, die Kollagenasen. Diese werden vom eigenen Körper
entwickelt. Es gibt jedoch auch einige Bakterien, die Kollagenasen sekretieren, um sich so besser im Körper
verbreiten zu können. Der Tetanuserreger ist ein Beispiel dafür. Das Besondere an den bakteriellen Kollagenasen
ist, dass sie hoch effizient sind, und das - äußerst schwer abbaubare - Kollagen viel radikaler spalten
als dies die körpereigenen Kollagenasen zu tun vermögen. Ihre Tricks sind jedoch noch weitgehend unklar.
„Wir wollen nun den genauen molekularen Mechanismus des bakteriellen Kollagenabbaus entschlüsseln. Die Erkenntnisse
werden es uns erlauben, gezielt die Kollagenase-Aktivität zu modifizieren. Dies wird gleichermaßen entscheidend
sein zur Entwicklung von Werkzeugen für die Industrie, die Forschung und die Medizin, als auch zur Entwicklung
einer neuen Generation von Wirkstoffen zur Bekämpfung von Krankheiten“, sagt Esther Schönauer.
Mit der Fördersumme von 1,1 Millionen Euro kann in den kommenden drei Jahren ein zusätzliches Team wissenschaftlicher
Mitarbeiter rekrutiert werden.
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