Hallein/Salzburg (sf) - Nein! – war die Antwort von Regisseur Kornél Mundruczó, als Schauspiel-Leiterin
Bettina Hering ihn gefragt hatte, ob er Liliom bei den Salzburger Festspielen inszenieren wolle. Als Ungar, der
mit den Werken und Figuren Ferenc Molnárs aufgewachsen ist, sei er viel zu nah am Autor. Außerdem
verhalte es sich mit Liliom wie beim Fußball – jeder glaube, er wisse, wie es geht, sagt der Regisseur beim
PresseTalk auf der Perner-Insel in Hallein. Bettina Hering ist allerdings hartnäckig geblieben. „Ich denke
er ist genau der Richtige, um Liliom heute zu inszenieren, ohne plakativ zu werden“, sagt sie. Und sie hat sich
durchgesetzt, denn seine Inszenierung hat am 17. August Premiere auf der Perner-Insel in Hallein.
In Zeiten von #MeToo-Debatten sei es besonders komplex, aber auch wichtig, ein Stück wie Liliom zu zeigen,
davon sind Bettina Hering und Kornél Mundruczó überzeugt: „Liliom ist eine sehr provokante Figur,
es ist ein extrem schwieriges, sehr bekanntes, radikales und provokantes Stück; heute noch mehr als vor 20
Jahren“, sagt Kornél Mundruczó. Liliom stehe als Sinnbild für die Frage, ob man geliebt werden
könne, wenn man doch auf der anderen Seite gewalttätig sei und Missbrauch begehe. Es gebe keine schwarz-weiß-Antwort
darauf. „Auch Molnár selbst gibt uns keine.“ Es gehe viel um Vergebung und Verzeihung in diesem Stück.
Die #MeToo-Debatte beführworte er im Übrigen und vergleicht sie mit der Feminismusbewegung der 1960er
Jahre. „Das ist eine wichtige Kraft, um diese verrückte maskuline Welt zu verändern“, sagt der Regisseur.
Schnell habe man sich geeinigt, die Fassung von Alfred Polgar zu zeigen. Polgar habe stark ins Stück eingegriffen
und ein österreichisches Stück daraus gemacht. „Wir haben seine Version genommen und wiederum an unsere
heutige Zeit angepasst“, sagt Mundruczó. „Wir haben zum Beispiel die Himmelszene umgeschrieben.“ Liliom
sei durchaus eine Figur, die Verantwortung übernehmen könnte, sagt Bettina Hering. Seine Sozialisation
aber stehe dem entgegen. Wie fatalistisch das am Ende sei, fragt die Schauspielleiterin. „Niemand kann hier gewinnen“,
sagt Mundruczó. Es sei zeitgenössisch, dass jeder ständig Entscheidungen treffe. Es gebe keine
Rast und Ruhe mehr, in jeder Sekunde müsse man sich im modernen Leben entscheiden. Liliom sei das klassischste
Stück, was er je inszeniert habe, sagt der Regisseur.
Dass er das Stück nicht mit österreichischen Schauspielern besetzt habe, sei keine Erschwernis, das
gebe ihm im Gegenteil etwas mehr Freiheit, sagt der Regisseur. Die Beziehung zwischen Julie und Liliom sei der
eigentliche Held der Geschichte. „Dabei haben wir die Schauspieler nicht typisierend ausgesucht“, sagt er. „Jörg
Pohl als Liliom ist bei uns nicht nur dieser gefährliche Macho-Typ, sondern auch eine Art Clown“, sagt Kornél
Mundruczó. Und auch Julie (Maja Schöne) sei keine naive 20-Jährige, nein, man habe sich bewusst
für eine etwa 40-Jährige entschieden. Auch die Dreiecks-Beziehung mit Frau Muskat (Oda Thormeyer) interessiere
ihn sehr. Die Schauspieler seien am wichtigsten: „Das Stück kann nur mit richtig guten Schauspielern gelingen.“
Liliom in Armut darzustellen interessiere ihn weniger, als die Tatsache, dass Liliom sich selbst als Künstler
sehe. „Wir nutzen mehr diesen Hintergrund und den damit verbundenen Mangel an Grenzen, als eine fake-Darstellung
von Armut auf der Bühne, vor der ich Angst habe.“
Dass er kein Deutsch spricht, sehe er nicht als Problem. „Ich verstehe Deutsch und ich verstehe den Text“, sagt
er. „Schauspieler sind Schauspieler, es ist wenig Unterschied, ob man in den USA, in Ungarn oder im deutschsprachigen
Raum inszeniert.“ Die Sprache sei überschätzt. Ein Schauspieler nutze ja auch Gefühle, Körpersprache
und viele andere Aspekte, um etwas zu vermitteln.
Liliom ist eine Ko-Produktion mit dem Thalia Theater in Hamburg, daher habe man beim Bühnenbild nach einem
„Zauberkasten“ suchen müssen, der in beiden Theatern funktioniert, obwohl sie so unterschiedlich sind. Zu
sehen sind Roboterarme, die die Erinnerung, in die Liliom hineintaucht, szenisch umsetzen können. Es sei unerwartet
im Probenprozess gewesen, dass diese Arme eine eigene Ästhetik und Poesie entwickelt hätten, sagt Kornél
Mundruczó. „Es war von Anfang an meine Absicht, die Arme einzusetzen, aber ich habe mehr bekommen, als ich
gedacht habe. Sie sind menschlich und göttlich zugleich, haben eine Persönlichkeit, sind manchmal aggressiv
und manchmal zart“, sagt er. „Am Beginn der Proben hießen die Arme nur ‚rechts‘ und ‚links‘. Mittlerweile
nennen wir sie ‚Adam‘ und ‚Eva‘.“
Liliom
Vorstadtlegende in sieben Bildern
Für die deutsche Bühne bearbeitet von Alfred Polgar
Neuinszenierung
Premiere: 17. August 2019
Weitere Vorstellungen: 19., 21., 23., 24., 26., 27. und 28. August 2019
Perner-Insel, Hallein
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