Register Guter Praxisbeispiele zur Erhaltung und Weitergabe von immateriellem Kulturerbe
Wien/Linz (lk) - Die österreichische UNESCO-Kommission hat anlässlich des 10-jährigen Jubiläums
der Ratifikation des Übereinkommens zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes im Juli 2019 das Register
Guter Praxisbeispiele zur Erhaltung und Weitergabe von immateriellem Kulturerbe eröffnet.
Ein Fachbeirat wählte im Juli 2019 zehn Beispiele aus - die nun im neu eröffneten Register Guter Praxisbeispiele
zur Erhaltung und Weitergabe von immateriellem Kulturerbe gelistet sind. Das Register macht erfolgreiche und innovative
Maßnahmen rund um die Erhaltung und Weitergabe von immateriellem Kulturerbe sichtbar.
Ausgewählt wurden besondere Ideen, die einen Beitrag zur Erforschung und Dokumentation, Weitergabe, Vermittlung,
Förderung oder Kommunikation sowie Promotion im Rahmen von immateriellem Kulturerbe leisten und lokal wie
auch überregional als Modell für den Erhalt und die Weitergabe gelebten Kulturerbes dienen können.
Das Projekt Österreichs Mehlspeiskultur - Sichtbarmachung des immateriellen Kulturerbes im 21. Jahrhundert
wurde von der UNESCO-Kommission gemeinsam mit Expert*innen des Fachbeirates für das immaterielle Kulturerbe
unter dem Titel Rund um die Mehlspeis' als Beispiel guter Praxis ausgezeichnet, da das Projekt den Grundsätzen
und Zielen des UNESCO-Übereinkommens zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes von 2003 in besonderer Weise
entspricht. Ausschlaggebend für die Auszeichnung war, dass die umfassende Öffentlichkeitsarbeit die branchenübergreifende
vertikale Produktionskette (Rohstoffe, Verarbeitung, Endprodukt, Konsumation) sichtbar macht und die komplexen
Prozesse, die dem handwerklichen Produkt zugrunde liegen, veranschaulicht. Damit trägt das Projekt wesentlich
zur nachhaltigen Pflege des immateriellen Kulturerbes bei.
Eine Initiative stellt sich vor
Der Verein Freunde der Österreichischen Mehlspeiskultur wurde 2014 von Dr. Alfred Fiedler ins Leben gerufen
und wird von mehr als vierzig renommierten Vertreter*innen der an der Mehlspeis'-Produktionskette beteiligten Bereiche
(Landwirtschaft, Handwerk und Gewerbe) aktiv mitgetragen. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, die kulturelle
Bedeutung, den Wert und die identitätsstiftende Wirkung der Mehlspeiskultur für die unterschiedlichen
Regionen, die Menschen und einzelnen Gruppen sichtbar zu machen.
Dabei setzt die Initiative mit der Schaffung eines virtuellen Kulturhauses den Schwerpunkt auf die neuen Medien
und schlägt eine Brücke zwischen dem traditionellen österreichischen Handwerk, dem damit eine entsprechende
Wertschätzung entgegengebracht wird, und der Zukunft: practical skills werden bewusst gemacht, das dahinterliegende
Wissen aufgezeigt und für die Jugend interessant und motivierend gestaltet. Denn nur wenn es gelingt, die
Jugend für das Handwerk zu begeistern, wird die Handwerkskunst auch für nachfolgende Generationen gesichert.
Die Mehlspeiskultur - Botschafterin Österreichs auf der ganzen Welt
Die österreichische Mehlspeiskultur ist weltweit einzigartig, unvergleichbar in ihrem Variantenreichtum, unschlagbar
in ihrer Beliebtheit. Sie ist über Jahrhunderte aus europäischer Süßspeisentradition entstanden
und untrennbarer Teil österreichischer Identität geworden.
Die Mehlspeis ist daher auch DAS weltweit über alle kulturelle Grenzen hinweg beliebte Gastgeschenk der Österreicher
im Ausland - ob Sacher Torte, Linzer Torte, Zauner Stollen oder Mozartkugel, man schenkt ein Stück Heimat,
ein Stück Identität, das überall erfreut aufgenommen wird und positive Assoziationen mit Österreich
weckt! Allein die Erwähnung von Apfelstrudel, Kaiserschmarren oder Marillenknödel sorgt schon für
Begeisterung.
Mit dem Begriff Mehlspeis' verfügt unser Land über ein weltweit, in allen Kulturen nutzbares Alleinstellungsmerkmal,
das noch viel stärkere Wirkung entfalten kann, wenn es aktiv gepflegt und zelebriert wird. Die Mehlspeis'
in ihrer Bedeutung als süße Hauptspeise, süßer Nachtisch und als Sammelbegriff für Torten,
Kuchen und Kekse wird so nur in Österreich verwendet und bietet sich daher zur Etablierung als weltweiter
Markenbegriff förmlich an. Die Mehlspeis' wird auch nicht in das Englische übersetzt, sondern bleibt
in allen Sprachen die Mehlspeis'.
Die Mehlspeiskultur - eine kulturelle Klammer
Die österreichische Mehlspeiskultur ist über Jahrhunderte aus der Süßspeisentradition der
verschiedenen Regionen des österreichischen Vielvölkerstaates entstanden. Sie eignet sich daher auch
als kulturelle Klammer unserer Identität, als kultur- und herkunftsübergreifender Identitätsbestandteil
der österreichischen Bevölkerung.
Die österreichische Mehlspeiskultur ist Teil österreichischer Identität und Geschichte. Sie ist
beliebt bei Alt und Jung, Reich und Arm, Menschen jeden Glaubens, verschiedenster Herkunft oder Weltanschauung.
Das Bewusstsein und die Wertschätzung der Österreicher*innen für diesen Identitätsbestandteil
und insbesondere seiner multikulturellen Wurzeln zu verstärken, wirkt verbindend auf die Menschen in unserem
Land und bildet einen religions- und herkunftsübergreifenden Identitätsanker der Menschen mit Österreich.
Das Wissen um gemeinsame Wurzeln und der Stolz auf die weltweite Bewunderung für diese Tradition fördert
das gemeinsame Österreichbild.
Die Mehlspeiskultur - Fixstern der heimischen Wirtschaft
Die österreichische Mehlspeiskultur bietet eine Fülle von Möglichkeiten für einheimische
Betriebe aus den verschiedenen Bereichen beginnend bei der Landwirtschaft, über Handwerk und Gewerbe bis zum
Tourismus. Die Initiative Österreichs Mehlspeiskultur setzt Impulse um diese Möglichkeiten noch stärker
zu nutzen und dieses Potenzial zu heben. Mit der Mehlspeisküche verfügt Österreich über ein
besonderes kulturelles Erbe, einen Schatz, der noch viel stärker im kollektiven nationalen Bewusstsein verankert
werden muss.
Die Bedeutung der erstklassigen österreichischen Rohstoffe aus der Landwirtschaft, deren kompetente Verarbeitung,
die handwerkliche Finesse bei deren Zubereitung, die dem Endprodukt zugrunde liegen sowie die besondere Form der
Darbietung, die den Mehlspeisgenuss vollendet, müssen als immaterielles Kulturerbe sichtbar gemacht werden.
Es ist Auftrag, das Bewusstsein der Österreicherinnen und Österreicher für diesen Schatz zu schärfen,
ihren Stolz auf die Träger*innen dieser Kultur, auf die vielen kleinen Betriebe, die den besonderen Charme
unsers Landes ausmachen und das Rückgrat unserer Wirtschaft darstellen, zu verstärken. Damit wird auch
die Positionierung, das Identitätsbewusstsein und das Selbstwertgefühl der heimischen Betriebe gefördert
und eine Präferenzbildung auf Seiten der Konsument*innen aufgebaut. Damit wird auch die Attraktivität
für die Jugend erhöht, handwerkliche Berufe erlernen zu wollen.
Österreichs Mehlspeiskultur bietet emotionalen und rationalen Mehrwert rund um das Thema Mehlspeise: Geschichte,
Information, Trends, Tipps, Rezepte, Unterhaltung und Promotions.
Das virtuelle Kulturhaus
Das virtuelle Kulturhaus der österreichischen Mehlspeiskultur folgt dabei den UNESCO- Kriterien des immateriellen
Kulturerbes. Das heißt: Die Mehlspeiskultur ...
- wird von einer Generation an die nächste weitergegeben.
- wird fortwährend neu gestaltet.
- vermittelt ein Gefühl von Identität und Kontinuität.
- steht mit der nachhaltigen Entwicklung im Einklang.
- gewährleistet eine möglichst weitreichende und
nachweisbare Beteiligung von Gemeinschaften bzw. Gruppen.
Es werden folgende Themenstränge bearbeitet:
- Die vielfältigen Rollen und Aufgaben einzelner Kulturträger*innen
und Gemeinschaften.
- Die unterschiedlichen Berufsbilder auch im geschichtlichen
Kontext, (duale) Ausbildung, Prüfungen (Lehrling, Geselle, Meister), Schulen, Kurse, Bewerbe und Auszeichnungen.
- Die geschichtliche Entwicklung Österreichs als Schmelztiegel
unterschiedlicher kultureller Einflüsse.
- Regionale Ausprägungen bedingt durch regional unterschiedliche
Rohstoffe (z.B. Wachauer Marille, Waldviertler Mohn, Mittelburgenländische Nüsse, ...).
- Regionale Spezialitäten wie Kärntner Reindling,
Brandenberger Prügeltorte, Mohnzelten, …
- Rezepte, die in ganz Österreich vertreten sind und
eine durchgehend hohe Qualität aufweisen, wie der Kaiserschmarrn, die Palatschinken, …
- Saisonale Schwerpunkte (Ostern, Allerheiligen, Weihnachten,
…)
- Kulturelle Einflüsse (z.B.: offenes Feuer vs. Backofen)
- Unterschiede zwischen Stadt und Land
- Tradition und Brauchtum, Spezialitäten im sozialen
und/oder immateriellen Kulturerbe-Kontext
- Gesellschaftliche Verortung: private Haushalte aller Schichten
sowohl im
- ländlich-bäuerlichen als auch im urbanen Umfeld,
Klöster, Almen, Gastronomie von Wirtshäusern, Restaurants, Bäckereien, Konditoreien bis zu Kaffeehäusern.
- Niederschlag in Kunst und Aufführungskultur (Musik/Schlager,
Literatur, …)
- Techniken und Gerätschaften z.B. Brandenberger Prügeltorte
- Geübte soziale Praktiken, Geselligkeiten wie Kaffeekränzchen,
Jausenkaffee, Nachtischkultur und Festlichkeiten.
- Veranstaltungen (Messen, Ausstellungen, Wettbewerbe)
- Kulturweitergabe (handschriftliche und gedruckte Backbücher,
neue Formen wie Videos oder Blogs)
Die Social Media Präsenz auf Facebook & Co
Über die Social Media Kanäle werden die einzelnen Kulturträger branchenübergreifend vernetzt
und sind aktiv am Aufbau des virtuellen Kulturhauses mit ihrer jeweiligen Expertise eingebunden. Über diese
Kanäle wird die interessierte Öffentlichkeit laufend über themenspezifische Neuigkeiten, Trends
und Innovationen informiert. Diese Kanäle bieten auch Raum Veranstaltungen und Informationen anderer Initiativen,
Vereine und Bildungseinrichtungen zu kommunizieren.
Das Print Magazin Die Mehlspeis'
Die Mehlspeis' wird in einer Auflage an 5.000 Abonnenten versandt sowie an sämtliche Bäckereien und
Konditoreien Österreichs inkl. Südtirol distribuiert. Ebenso wird das Magazin an Hotspots wie bei der
Kuchenmesse in Wels an die interessierten Besucherinnen und Besucher verteilt.
Was die Maßnahmen bewirken
- Die Initiative Österreichs Mehlspeiskultur gibt eine
Zusammenschau über die unterschiedlichen regionalen Ausprägungen der Mehlspeis', insbesondere im Kontext
mit Traditionen, Bräuchen und Riten.
- Es entsteht die erste "lebendige" umfassende Darstellung
der gesamten branchenübergreifenden vertikalen Produktionskette (regionale Rohstoffe - Verarbeitung - Endprodukt
- Konsumation) und schafft so Verständnis für die Komplexität und Wertbewusstsein für handwerklich
hergestellte Produkte.
- Den Kulturträgern*innen, die auch integraler Bestandteil
des Kulturhauses sind, wird die gebührende Wertschätzung entgegengebracht.
- Die Jugend wird motiviert, das Handwerk bzw. das Berufsfeld
des Konditors, des Patissiers usw. als eine Option für den eigenen Berufsweg in Betracht zu ziehen.
- Das Bewusstsein für das unverwechselbare, einzigartige
immaterielle Kulturgut Österreichische Mehlspeis' und das dahinterliegende Wissen wird insgesamt gehoben und
die Kompetenz der österreichischen Handwerkskunst und deren Leistungen im In- und Ausland gestärkt.
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