Innsbruck (universität) - Signalwege in menschlichen Zellen können durch Mutationen in Kinasen, die
als molekulare Schalter fungieren, gestört werden. Oft sind schwere Krankheiten wie Krebs die Folge. Neues
Licht in das Verständnis dieser komplexen Prozesse bringt ein Verfahren, das ein international vernetztes
Forscherteam um Eduard Stefan von der Universität Innsbruck entwickelt hat. Die Biochemiker modifizieren Kinasen
und bringen sie zum Leuchten, um ihre krankhafte Funktion direkt in der Zelle zu studieren.
Die Proteinkinase BRAF spielt eine wichtige Rolle im MAP-Kinase-Signalweg. Eine Reihe von Kinasemutationen stören
diese an zahlreichen biologischen Prozessen beteiligte Signalkaskade und können so zum Auslöser von bestimmten
Krebserkrankungen werden. Bisher konnten die Folgen indirekt anhand der pathologischen Veränderungen des zellulären
Signalwegs oder über Untersuchungen der mutierten Kinase außerhalb der Zelle charakterisiert werden.
Das Team um Eduard Stefan vom Institut für Biochemie und dem Centrum für Molekulare Biowissenschaften
(CMBI) der Universität Innsbruck hat nun eine Methode entwickelt, mit der Kinaseaktivitäten und molekulare
Interaktionen wie etwa von BRAF direkt in der Zelle beobachtet werden können. Damit lässt sich auch die
Wirkung auf die zelluläre Kinaseaktivität der auch in der Melanomtherapie eingesetzten RAF-Kinase-Inhibitoren
schnell und auch dosis-abhängig vorhersagen.
Die Innsbrucker Biochemiker fusionieren dazu die beiden Enden des untersuchten Kinaseproteins mit zwei Reporterproteinfragmenten
und bringen diesen Biosensor in die Zellen ein. „Wird die Kinase in der Zelle inaktiviert, dann verändert
sich die Kinasestruktur. Die beiden Enden und damit auch die beiden Reporterproteinfragmente nähern sich an,
interagieren und beginnen zu leuchten“, erläutert Eduard Stefan die Methode. „Mit diesen Biosensoren verfügen
wir über ein direktes Read-out für zelluläre Kinaseaktivität.“
In einer Arbeit in der Fachzeitschrift Science Advances haben die Innsbrucker Biochemiker eine BRAF-Kinasemutante,
die zur Entstehung von Melanomen führen kann, direkt in intakten Zellen analysiert. In der klinischen Praxis
werden bei eben dieser Mutation seit einigen Jahren Wirkstoffe verabreicht, die die Krebsproliferation meistens
nur temporär reduzieren. Tragischerweise kann es zu einer Medikamentenresistenz kommen, deren Ursachen noch
nicht vollständig aufgeklärt wurden. Die Forscher vom Institut für Biochemie haben in Kooperation
mit Jakob Troppmair von der Medizinischen Universität Innsbruck und zwei amerikanischen Forscherteams mit
ihrem neuen Verfahren nun eine mögliche weitere Erklärung dafür identifiziert. Die durch die Inhibitoren
inaktivierte BRAF-Kinase scheint die Funktion des ihr in der Signalkaskade vorgelagerten Onkogens RAS durch molekulare
Interaktion zu verändern. Charakterisiert haben die Wissenschaftler diesen Mechanismus auch direkt in menschlichen
Melanomzelllinien. „Der Wirkstoff verändert die zelluläre Signalweiterleitung; die Kinase wird zwar inhibiert,
aber mitinvolvierte Feedback-Signalwege werden dadurch reaktiviert. Dadurch können zeitabhängig Medikamentenresistenzen
entstehen“, sagt Stefan. „Diese komplexen Prozesse zu verstehen, ist eine große Herausforderung und ist unter
anderem auch auf innovative und zellbasierte biotechnologische Ansätze angewiesen.“
Entscheidende Konsequenzen hat das Verständnis dieser zellulären Prozesse auch für personalisierte
Therapieansätze. Welcher Wirkstoff inhibiert welche mutierte Kinase am besten? Je zielgerichteter ein Medikament
eingesetzt werden kann, umso größer könnte der Therapieerfolg in der Klinik sein. So könnte
das neue Verfahren der Innsbrucker Grundlagenforscher eventuell einen Fortschritt für die personalisierte
Medizin bringen und bei der Suche nach neuen Wirkstoffen gegen unterschiedlichste Erkrankungen, die mutierte Kinasen
involvieren, hilfreich sein. Die Biochemiker haben daher, unterstützt vom projekt.service.büro der Universität,
die Technologie zum Patent eingereicht.
In zwei weiteren Publikationen, die kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen sind,
konnten die Innsbrucker Forscher zudem an der Entschlüsselung neuer Wechselwirkungen von Kinase-Aktivitäten
mitwirken.
Finanziell unterstützt wurde die Forschung vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, dem SFB-F44 und
der Tiroler Krebshilfe. Für die Entwicklung einer Unternehmensidee erhielten die Biochemiker kürzlich
ein Spin-off Fellowships der FFG.
Publikationen:
BRAF inhibitors promote intermediate BRAF(V600E) conformations
and binary interactions with activated RAS. Röck R, Mayrhofer JE, Torres-Quesada O, Enzler F, Raffeiner A,
Raffeiner P, Feichtner A, Huber RG, Koide S, Taylor SS, Troppmair J, Stefan E. Science Advances 5, eaav8463 (2019).
https://doi.org/10.1126/sciadv.aav8463
Feedback inhibition of cAMP effector signaling by a chaperone-assisted ubiquitin
system. Rinaldi L, Delle Donne R, Catalanotti B, Torres-Quesada O, Enzler F, Moraca F, Nisticò R, Chiuso
F, Piccinin S, Bachmann V, Lindner HH, Garbi C, Scorziello A, Russo NA, Synofzik M, Stelzl U, Annunziato L, Stefan
E, Feliciello A. Nat. Commun., 10(1):2572. (2019)
https://doi.org/10.1038/s41467-019-10037-y
Porpora M, Sauchella S, Rinaldi L, Delle Donne R, Sepe M, Torres-Quesada O,
Intartaglia D, Garbi C, Insabato L, Santoriello M, Bachmann VA, Synofzik M, Lindner HH, Conte I, Stefan E, Feliciello
A. Counterregulation of cAMP-directed kinase activities controls ciliogenesis. Nat. Commun. 9, e1224 (2018)
https://doi.org/10.1038/s41467-018-03643-9
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