Bierlein: Der demokratische Rechtsstaat
 basiert auf dem Primat der Freiheit

 

erstellt am
26. 08. 19
13:00 MEZ

Bundeskanzlerin beim Europäischen Forum Alpbach 2019
Alpbach/Wien (bka) - Die Bundeskanzlerin sprach anlässlich der Eröffnung der Politischen Gespräche im Rahmen ihres Besuches beim Europäischen Forum Alpbach. "Die Hoffnung, dass sich die freien liberalen Demokratien überall auf der Welt durchsetzen würden, hat sich trotz des inzwischen geeinten Europas nicht erfüllt. Gemäß Demokratieindex gibt es weltweit noch immer mehr als 50 autoritäre Regimes und fast 40 Staaten mit autoritären Zügen", sagte Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein in ihrer Rede. "Auch in Teilen Europas nehmen Tendenzen, demokratische Werte einzuschränken, bedenklich zu", ergänzte die österreichische Regierungschefin.

"Das Europäische Forum Alpbach bietet jährlich auf höchstem Niveau die Möglichkeit, grundlegende Fragen unserer Zeit ohne Tabus und Aufgeregtheit zu diskutieren. Wenn ich hier das Engagement, den Intellekt und die Leidenschaft erlebe, mit der vor allem die jungen Menschen an die Sache herangehen, bin ich voller Zuversicht im Sinne starker Demokratien, eines geeinten Europas sowie des Friedens und der Freiheit auf der Welt", freute sich die Bundeskanzlerin auf einen bereichernden Austausch.

Freiheitsrechte größtmöglich wahren
"Freiheit und Sicherheit, Öffentlichkeit und Privatheit sind Grundrechte und stehen in einem besonderen Spannungsverhältnis zueinander. Jeder Form der Kriminalität muss der Staat mit legalen Mitteln begegnen können. Dennoch sind dabei die Freiheitsrechte jeder und jedes Einzelnen größtmöglich zu wahren", skizzierte Brigitte Bierlein das Verhältnis zwischen notwendigen Überwachungsmaßnahmen und Datenschutz sowie zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit. Absolute Freiheit könne es ebenso wenig geben wie absolute Sicherheit – beides seien Elementarbedürfnisse eines jeden Menschen.

"In unserer digitalisierten Welt stehen diese Grundrechte in einem schwer auflösbaren Spannungsverhältnis", betonte die Bundeskanzlerin, wobei das richtige Maß, um ein adäquates Verhältnis zu schaffen, strittig sei. Es gelte, die sensible Balance zwischen beiden Antipoden zu wahren. Als Beispiel der schwierigen Abgrenzung nannte sie die Vorratsdatenspeicherung.

Recht basiert auf Freiheit
"Wir alle müssen uns diesen Fragen stellen, wenn wir in Zukunft eine Welt des friedlichen Miteinanders und der Freiheit gewährleisten wollen. Das umfasst auch eine soziale, eine gesellschaftlich verantwortliche Komponente“, so Bierlein. Das Recht könne nicht zum Instrument allumfassender Risikovorsorge werden. Der demokratische Rechtsstaat gehe von einem idealistischen Fundament aus, das auf dem Primat der Freiheit basiere. Das sei auch die wichtigste Bedingung für Stabilität und Frieden.

Politische Beteiligung fördern
Zur Bedeutung der Demokratie merkte die Bundeskanzlerin zudem an, dass uns der innere demokratische Kompass als Gesellschaft zur Toleranz führe. Die Menschen seien mit dem Gedanken aufgewachsen, dass damit dem Gemeinwohl am besten gedient sei: "Für das Freiheitsgefühl ist es aber unerlässlich, dass jede und jeder Einzelne frei von Furcht und Existenzangst an der Mehrheitsbildung mitwirken kann". Kern der Freiheit und des Friedens seien der demokratische Rechtsstaat, die demokratische Möglichkeit, politisch frei mitreden zu können, und die Selbstverpflichtung, dieses Privileg auch wahrzunehmen. "Wir müssen die politische Beteiligung, das Zugehörigkeitsgefühl fördern. Nur so können das demokratische Gemeinwesen gesichert und radikale Ränder isoliert werden", so Brigitte Bierlein abschließend.

Die globalen Nachhaltigkeitsziele sind ein zivilisatorischer Fortschritt
"Die globalen Nachhaltigkeitsziele sind ein zivilisatorischer Fortschritt", so die Bundeskanzlerin. In ihren einleitenden Worten zur Breakout Session über die Förderung der UN-Nachhaltigkeitsziele in Europa betonte die Bundeskanzlerin: "Die Tatsache, dass es sie gibt, beweist, dass wir als Menschen und als Wertegemeinschaft dazulernen. Die Ziele geben Milliarden Menschen Hoffnung und Perspektive für ein besseres Leben." Dabei solle nicht unerwähnt bleiben, dass sich die Lebensumstände vieler Menschen in den letzten Jahrzehnten spürbar verbessert haben. Nun sei jedoch angesichts der herrschenden globalen Ungleichheit "ein kollektives Umdenken von den Industriestaaten ebenso wie von weniger entwickelten Ländern" erforderlich.

Österreich im Spitzenfeld bei Umsetzung der Entwicklungsziele
Österreich sei zwar ein kleines Land, habe aber eine starke Stimme. "Wir sind in multilateralen Fragen aus Überzeugung Mitgestalter. Bei der Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen liegen wir im Spitzenfeld, auf Platz 5 im globalen Vergleich", so die Bundeskanzlerin. Ein wesentlicher Schritt für Österreich sei auch der erste freiwillige Bericht zur Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele, der im Sommer 2020 im Rahmen des Hochrangigen Politischen Forums der Vereinten Nationen in New York präsentiert werde. "Es gilt darzustellen, welche konkreten Maßnahmen und Projekte in unserem Land auf den Weg gebracht wurden, und es gibt durchaus einiges vorzuweisen."

Konsequente Transformation beginnt bei uns selbst
Dennoch sei all das, was bereits geschehe, nicht genug. "Wir müssen schlichtweg mehr machen. Wenn wir tatsächlich eine bessere Welt anstreben, dann brauchen wir eine echte, konsequente Transformation und die beginnt in den Köpfen der Menschen, bei jedem einzelnen von uns", betonte Bierlein. Der Prozess der Bewusstseinsbildung müsse fortgesetzt und an einer bestmöglichen Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele gearbeitet werden. Das Forum Alpbach leiste zu dieser Diskussion einen wertvollen Beitrag und biete eine ideale Plattform, um von anderen zu lernen.

Abschließend rief die Bundeskanzlerin zu globalem, kollektivem Denken und regional angepasstem Handeln auf: "Nachhaltige Lösungen leben von belastbaren Partnerschaften. Gerade jungen Menschen kommt dabei eine besondere Verantwortung zu, multilateral zu denken und zu leben, sich nicht in Feindbilder hineintreiben zu lassen und sich die Offenheit für Gegenargumente zu bewahren. Wir müssen miteinander leben, nicht gegeneinander."

 

 

 

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