Wie KI die Innovation treibt und was heimische Unternehmen dafür brauchen
Wien (pwk) - KI-Technologien werden in den kommenden Jahren immer wichtiger für die österreichische
Wirtschaft. Schon heute sorgen junge Innovationstreiber wie das Wiener Startup cogvis für den Vormarsch der
künstlichen Intelligenz. Damit das so bleibt, braucht es eine schlüssige KI-Strategie.
In dem geräumigen Altbau-Büro in der Nähe des Wiener Karlsplatzes wird noch selbst angepackt,
denn es ist Firmenzentrale, Arbeitsraum und Werkstatt zugleich. Hinter der Eingangstür verraten gleich mehrere
Logos, wer hier am Werk ist: cogvis, ein auf altersgerechte Assistenzsysteme spezialisiertes Startup.
Wer zu Rainer Planinc will, dem Geschäftsführer des jungen Unternehmens, muss - ganz szenetypisch - vorbei
an Programmierern, Topfpflanzen und Unternehmensfoldern. Man passiert aber auch eine mit Kabeln, Platinen und Geräteteilen
gesäumte Werkbank, an der ein junger Mitarbeiter an etwas schraubt, das entfernte Ähnlichkeit mit einem
Handfön hat. Und das doch so viel mehr ist. Denn in “fearless”, dem Aushängeschild von cogvis, steckt
viel von dem, was die Wirtschaft der Zukunft antreiben soll: Künstliche Intelligenz (KI).
KI, Mikroelektronik oder Bio,- Nano- und Gentechnologien sind wirtschaftliche Wachstumstreiber im globalen Wettbewerb.
Alleine durch den Einsatz von KI wird der österreichischen Wirtschaft ein Wachstum von drei Prozent bis 2035
vorhergesagt. Bereits heute entwickeln österreichische Startups in diesem Bereich innovative Lösungen.
Smarte Technologien für die Pflege
Für den Pflegesektor entwickelt cogvis moderne AAL (Active & Assisted Living, auch: Altersgerechte Assistenzsysteme)
Lösungen. Das Hauptprodukt: fearless, der smarte Sturzsensor für Senioren. Durch unterschiedliche Einstellungen
kann sowohl präventiv, als auch im Falle eines Sturzes selbst, vollautomatisch alarmiert und Hilfe geholt
werden. Dahinter steht eine ausgeklügelte 3D-Technologie. fearless wird an der Wand befestigt und ist nicht
auf tragbare Sensoren angewiesen. Dabei ist das Gerät nicht größer als ein Handfön und kann
von einer Wandbefestigung aus Räume mit einer Fläche von bis zu 20m² überwachen.
Erkennung von Bankräubern und Stürzen
Gegründet 2007 als Spin-Off der TU Wien, konzentrierte sich das junge Startup zunächst auf Bilderkennungs-Anwendungen
für den Security Bereich. “Unser erstes Projekt war ein Früherkennungssystem für Bankräuber.”
erzählt Rainer Planinc, der Geschäftsführer von cogvis. Er führt das Unternehmen gemeinsam
mit Michael Brandstötter und Martin Kampel.
Bereits 2011 erkannte das Team, dass die verwendete Technologie auch abseits der Security-Branche von großem
Nutzen sein kann - die Idee zu fearless war geboren. “Wir haben fearless zu Beginn mit über fünf Millionen
Einzelbildern und 5.000 Stunden Testdaten gefüttert, damit es lernte, echte Stürze von sonstigen Zwischenfällen
zu unterscheiden” erzählen die Gründer rückblickend. Alle drei blicken auf langjährige Forschungstätigkeit
in den Bereichen Computer Vision, Machine- und Deep Learning, Künstlicher Intelligenz und 3D-Daten-Verarbeitung
an der Technischen Universität Wien zurück.
Forschungszentren in Österreich
Die TU Wien ist bei weitem nicht der einzige Ort, an dem systematisch an KI-Technologien geforscht wird. Mittlerweile
gibt es zahlreiche Forschungszentren in Österreich, die eine wichtige Rolle als Innovationstreiber für
High-Tech spielen. Die wichtigsten davon sind quer über das Land verstreut.
Investitionen im Vergleich
Investitionen sind entscheidend für die Entwicklung von innovativen Technologien. cogvis erhielt sowohl durch
das “benefit”-Programm der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) als auch durch das
AAL Joint-Programm der Europäischen Union monetäre Unterstützung. Über 700.000 Euro wurden
außerdem über private Investoren eingesammelt.
Im weltweiten Vergleich wird höchst unterschiedlich in KI investiert. Zwischen 2012 bis 2017 brachte der Bund
insgesamt 349,9 Millionen Euro für die Erforschung von künstlicher Intelligenz auf. Für den EU-Raum
beliefen sich die privaten Investitionen im Jahr 2016 laut EU-Kommission auf ca. 2,4 - 3,2 Milliarden Euro, für
die USA wurden bereits zwischen 12,1 und 18,6 Milliarden Euro investiert. Dank der massiven Förderung von
Innovationstreibern und etablierten Forschungseinrichtungen sind die Vereinigten Staaten auch Weltmarktführer
im Feld der künstlichen Intelligenz. Für wie lange noch, ist fraglich: China hegt offene Ambitionen,
diesen Titel zu erlangen.
Die Aussicht für Österreich
Um im KI-Bereich schon auf europäischer Ebene zu bestehen, muss das vorhandene know-how mit neuen digitalen
Kompetenzen und modernen Technologien kombiniert werden. Dafür braucht es eine fundierte KI-Strategie und
den politischen Willen, diese umzusetzen. So sollte hierzulande eine Big Data Infrastruktur entwickelt werden und
regulatorische Hürden abgebaut werden, um insbesondere Startups die Entwicklung neuer Technologien zu vereinfachen.
Nicht zuletzt werden auch Fachkräfte in den Bereichen Machine Learning und KI benötigt: Mit über
800 offenen Positionen in diesen Bereichen braucht es hier dringende Entwicklungen.
Die Zeichen stehen auf Wachstum
Zu den Kunden von cogvis zählen mittlerweile über 40 Pflegeheime in ganz Österreich, wo fearless
in die jeweiligen Alarmsysteme integriert wurde und über eine Web-App verwaltet wird. Bald soll “fearless”
auch für Privatanwender verfügbar sein, wobei hier ein marktübliches Mietmodell zur Anwendung käme.
In weiterer Zukunft können sich die Gründer auch eine Expansion vorstellen - zuerst innerhalb des EU-Raumes.
Bei einer gleichbleibend hohen Akzeptanz des Systems ist das durchaus realistisch - und ein großer Erfolg
für österreichische KI-Innovationstreiber.
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