ForscherInnen untersuchen Individuen, die zur Zeit der Völkerwanderung lebten
Zagreb/Wien (universität) - Unter der Leitung von Ron Pinhasi von der Universität Wien sowie Mario
Novak vom Institute for Anthropological Research in Zagreb untersuchte ein WissenschafterInnenteam die Ernährungsgewohnheiten,
das Geschlecht und die Genverwandtschaften dreier Jugendlicher, die zur Zeit der Völkerwanderung im 5. Jahrhundert
lebten und bei einer Ausgrabung in Osijek im Osten Kroatiens entdeckt wurden. Zu dieser Zeit war diese Region Europas
von unterschiedlichen Nomadenvölkern, wie von den Hunnen bzw. Germanen, den Gepiden und den Ostgoten, besiedelt.
Die Ergebnisse erscheinen aktuell in der Fachzeitschrift "PLOS ONE".
"Aufgrund der ungewöhnlichen Grabstätten und der Tatsache, dass zwei der untersuchten Individuen
andere Formen von künstlicher Schädeldeformation aufwiesen, war die Untersuchung dieser Personen äußerst
faszinierend für uns“, sagt Daniel Fernandes, Postdoc am Department für Evolutionäre Anthropologie
der Universität Wien und einer der Erstautoren dieser Studie.
"Die künstliche Schädeldeformation bezeichnet die absichtliche Verformung des Schädels im Kindesalter
und zielt darauf ab, durch den Einsatz von Brettern, Bandagen oder speziellen Kopfbedeckungen eine gewünschte
Schädelform zu erzielen", so Kendra Sirak, Wissenschafterin an der Harvard Medical School und ebenfalls
eine Erstautorin dieser Studie. Dieses weit verbreitete kulturelle Phänomen wurde bei verschiedenen uralten
Bevölkerungsgruppen weltweit dokumentiert und zielte darauf ab, die Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder
die persönliche Identität sichtbar zu machen, also sich z.B. klar von anderen Volksgruppen abzugrenzen
oder den eigenen Status, Adel oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse oder Gruppe zu zeigen.
"Während alle Skelette der drei Jugendlichen Anzeichen auf schwere Unterernährung aufweisen, war
für uns verblüffend, dass ihre genetische Abstammung derart unterschiedlich ist", so Mario Novak,
einer der Hauptautoren und Bioarchäologe am Institute for Anthropological Research in Zagreb.
"Die DNA-Analysen haben ergeben, dass der Jugendliche ohne künstliche Schädeldeformation eine überwiegend
westeuropäische Abstammung, der Jugendliche mit der langgezogenen Schädelform eine ostasiatische Abstammung
und der dritte Jugendliche eine nahöstliche Abstammung aufweist", erklärt Ron Pinhasi, Leiter des
DNA-Labors an der Universität Wien und Co-Leiter der Studie.
Der Jugendliche mit ostasiatischer Abstammung ist zudem das erste in Europa gefundene Individuum aus der Zeit der
Völkerwanderung, dessen Abstammung größtenteils auf Ostasien zurückgeht.
"Diese Ergebnisse legen nahe, dass die künstliche Schädeldeformation möglicherweise dazu diente,
die Zugehörigkeit zu einer bestimmten kulturellen Gruppe sichtbar zu machen, und dass diese Gruppen zur Zeit
der Völkerwanderung in der Pannonischen Tiefebene miteinander in regem Kontakt standen", schließt
Novak.
Publikation in "PLOS ONE"
Daniel Fernandes, Kendra Sirak, Olivia Cheronet, Rachel Howcroft, Mislav
Cavka, Dženi Los, Josip Burmaz, Ron Pinhasi, Mario Novak: Cranial deformation and genetic diversity in three adolescent
male individuals from the Great Migration Period from Osijek, eastern Croatia
DOI: 10.1371/journal.pone.021636
https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0216366
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