Wien (bmi) - Vor 30 Jahren flüchteten DDR-Bürger aus Ungarn über die Staatsgrenze bei St. Margarethen
im Burgenland durch eine Lücke in der Grenzbefestigung nach Österreich. Heute erinnert das "Tor
der Freiheit" zwischen St. Margarethen und Sopron-Köhida an die Massenflucht im August 1989.
Als am 9. Juli 1989 drei DDR-Bürger am Gendarmerieposten in St. Margarethen um politisches Asyl ansuchten,
sorgte dies für großes Aufsehen. Sie hatten illegal die Grenze überschritten.
"Die ersten drei Personen waren am 9. Juli bei St. Margarethen über die Grenze gekommen. Zwei Tage später
kam ein Ehepaar mit Kind. Später hat sich das Ganze von St. Margarethen nach Mörbisch verlegt",
erinnert sich ein Zeitzeuge. Oberst i.R. Stefan Biricz feierte im August 2019 seinen 80. Geburtstag, vor genau
dreißig Jahren war er Bezirksgendarmeriekommandant von Eisenstadt und sollte wenige Wochen später als
Einsatzleiter beim "Paneuropäischen Picknick" am 19. August 1989 eine wesentliche Rolle in der Geschichte
um die Flucht hunderter DDR-Bürger über die Grenze nach Österreich spielen.
Der Beginn des Falls
Den Ereignissen um die Massenflucht vorausgegangen war die Mitteilung der ungarischen Behörden Anfang Mai
1989, dass Grenzzäune demontiert werden sollen. Wenige Wochen später erfolgte die symbolische Durchtrennung
des der Grenze vorgelagerten Signalzaunes durch den damaligen österreichischen Außenminister Alois Mock
und seinen ungarischen Amtskollegen Gyula Horn.
Aufgrund dieser Informationen setzten sich die ersten DDR-Flüchtlinge in Bewegung, "ihr Orientierungspunkt
war der Neusiedlersee", erinnert sich Biricz.
Für Österreich kam die Flüchtlingswelle überraschend. "Es sind täglich mehr geworden",
erzählt der ehemalige Bezirksgendarmeriekommandant. Ihren Höhepunkt sollte die Fluchtbewegung aber am
19. August 1989, beim sogenannten "Paneuropapicknick" haben.
"Paneuropäisches Picknick" - Meilenstein einer Fluchtbewegung
Zur Massenflucht kam es rund um das von der Paneuropabewegung veranstaltete "Paneuropäische Picknick"
am 19. August 1989. Bei einer "symbolischen Öffnung des Eisernen Vorhangs" sollte das Grenztor kurz
geöffnet werden, um Teilnehmer von österreichischer Seite durchzulassen. Dies wurde auf Flugblättern
angekündigt. Plötzlich seien ungefähr 150 Leute durch das Tor gestürmt und nach Österreich
gelaufen. Man konnte die Menschen anfangs nicht zuordnen, erinnert sich Biricz. Schließlich habe man erkannt,
dass es sich um Ostdeutsche handelte. Weder von ungarischer, noch von österreichischer Seite wurde nachhaltig
in das Geschehen eingegriffen.
Insgesamt nutzten an diesem Tag zwischen 600 und 700 DDR-Bürger die kurze Öffnung der Grenze für
ihre Flucht in den Westen. Die Emotionen seien an diesem historischen Tag hochgegangen, erzählt Biricz.
Humanitäre Hilfe in Österreich
Hunderte Menschen, die über die Grenze kamen, wurden auf österreichischer Seite mit Nahrungsmitteln,
Getränken und den notwendigsten Sanitärartikeln versorgt. In den Orten wurden Lager für die Geflüchteten
eingerichtet. Die Bevölkerung spendete Decken, Kleidung und Spielzeuge.
Schließlich wurden die Menschen mit Bussen nach Wien gebracht und in Hotels einquartiert. Ein Sonderzug wurde
organisiert, der die Flüchtlinge in die Bundesrepublik Deutschland brachte.
Ab 11. September durften alle DDR-Bürger legal aus Ungarn ausreisen. Die deutsche Botschaft finanzierte ein
"Begrüßungsgeld" von 700 Schilling, das zum Tanken vorgesehen war und von vielen für
die Weiterfahrt genutzt wurde. Im November 1989 fiel schließlich die Berliner Mauer.
Quelle: Dieter Szorger und Pia Bayer, 2009: "Das Burgenland und der Fall
des Eisernen Vorhangs"
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