Versorgung von heimischen Patienten muss Vorrang vor Gewinnmaximierung haben
Wien (fico) - Die aktuelle Diskussion rund um Lieferengpässe bei bestimmten Arzneimitteln in Österreich
muss sich wieder auf die Lösung des Problems konzentrieren. Die Sicherheit und Gesundheit der Patienten müssen
wieder im Mittelpunkt stehen und nicht der Versuch interessensgeleiteter, politischer Einflussnahme. Dazu gilt
es, sich genauer mit den verschiedenen Ursachen der Lieferengpässe auseinanderzusetzen und zielgerichtete
Lösungen zu erarbeiten. Dass einige wenige Arzneimittel in Österreich nicht ausreichend zur Verfügung
stehen, liegt nämlich häufig an den sogenannten „Parallelexporten“. Es ist leider gängige Praxis,
für den österreichischen Markt bestimmte und hierzulande günstigere Medikamente in höherpreisige
Märkte wie Deutschland zu exportieren. Genau an diesem Punkt muss nach Meinung des Fachverbands der Chemischen
Industrie (FCIO), zu dem auch die Pharmaproduzenten gehören, angesetzt werden. „Diese Art der Geschäftemacherei
auf Kosten heimischer Patienten gehört dringend abgestellt. Die Hersteller produzieren ausreichend Arzneimittel
für den heimischen Markt. Engpässe dürfte es eigentlich gar nicht geben. Diese entstehen zum Beispiel,
wenn einzelne Apotheker Medikamente ins Ausland verkaufen, um höhere Profite zu erzielen. Mit einem Exportverbot
im Falle von Liefereinschränkungen könnte man dieses Problem zum Wohl der Patienten schnell und effizient
beheben“, erklärt Sylvia Hofinger, Geschäftsführerin des FCIO, die Notwendigkeit für schärfere
gesetzliche Maßnahmen
Expertenvorschläge aufgreifen statt politischer Stimmungsmache
Eine hochrangige Taskforce unter Einbeziehung aller relevanten Stakeholder im Bundesamt für Sicherheit
im Gesundheitswesen (BASG) erarbeitet derzeit zahlreiche Vorschläge, um die Versorgungssicherheit bei Arzneimitteln
zu gewährleisten. Eine der zentralen Maßnahmen ist die Einrichtung eines Vertriebseinschränkungsregisters.
Dieses soll nicht nur für Transparenz am Markt sorgen, sondern könnte auch die Basis für gezielte
Exportverbote bilden. „Wir benötigen eine klare gesetzliche Ansage gegen den Ausverkauf von Medikamenten,
die für die österreichischen Patienten bestimmt sind. Im Sinne der Rechtssicherheit gehen wir davon aus,
dass mit dem Knowhow der Experten im BASG eine EU-rechtskonforme Lösung gefunden wird. Im Falle einer Gesundheitsgefährdung
der Bevölkerung durch Lieferengpässe gibt es Ausnahmen von der EU-Warenfreiheit. Jetzt sollte man die
Experten arbeiten lassen, statt das Thema für politische Stimmungsmache zu missbrauchen“, so Hofinger.
Arzneimittelproduktion in Österreich halten
Eine weitere Ursache von Lieferengpässen können Produktionsausfälle bei Arzneimitteln sein,
die in Drittländern wie China hergestellt werden. Die beste Methode, um dies weitestgehend zu verhindern,
ist es, die heimische Produktion zu stärken. Dazu braucht es planbare Rahmenbedingungen für die Unternehmen
und faire Preise gerade im Bereich von Arzneimitteln, für die es schon mehrere Nachfolgeprodukte gibt. Wenn
bei den günstigsten Medikamenten weiter an der Preisschraube gedreht wird, ist eine konkurrenzfähige
Produktion in Österreich oder im EU-Ausland nicht mehr möglich. „Es kann nicht sein, dass eine Packung
Kaugummi mehr kostet als lebensnotwendige Medikamente, die zahlreichen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen
entsprechen müssen“, so Hofinger. Mit dem gesetzlich geregelten „Preisband“ gibt es dazu bereits ein sehr
gut geeignetes Instrument, Preisunterschiede auf Grund der höheren Produktionskosten zumindest teilweise auszugleichen.
Diese Regelung ist aber nur bis Herbst 2020 befristet. „Das Preisband ist eine vernünftige Lösung, die
dringend ins Dauerrecht übernommen werden muss, um die Abhängigkeit bei wichtigen Medikamenten von einzelnen
Herstellern in Schwellenländern zu verringern und die Versorgungssicherheit zu erhöhen“, appelliert Hofinger
an die politischen Entscheidungsträger
Wirkstoffverschreibung keine Lösung für Lieferengpässe
Ein weiterer Vorstoß der Apothekerkammer und der Patientenanwaltschaft sorgt beim Fachverband der Chemischen
Industrie für Kopfschütteln: Ärzte sollten in Zukunft nur mehr Wirkstoffe verschreiben und die Auswahl
der Arzneimittel den Apothekern überlassen, so der Vorschlag. Dies würde einen massiven Eingriff in das
bestehende Therapie- und Abgabesystem bei Arzneimitteln bedeuten. Nicht mehr der Arzt würde über die
passende Behandlung eines Patienten entscheiden, sondern der Apotheker. „Die Wirkstoffverschreibung als Lösung
für das Problem von Lieferengpässen bei Arzneimitteln zu präsentieren, ist aus Sicht des FCIO eine
unzulässige Vermischung von Themen. Es stellt sich hier die Frage, ob dem Vorschlag nicht auch finanzielle
Interessen wie Margengestaltung und Kosten für die Lagerhaltung zu Grunde liegen. Die Interessen der Patienten
auf eine bestmögliche Versorgung mit Medikamenten wird damit jedoch sicher nicht berücksichtigt“, kommentiert
Sylvia Hofinger den Vorstoß der Wirkstoffverschreibung.
Über den FCIO
Der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) ist die gesetzliche Interessensvertretung
der chemischen Industrie in Österreich. Derzeit vertritt der Verband etwa 250 Unternehmen aus der chemischen
Industrie, welche neben der Kunststoff- und Pharmaindustrie auch die Produktion von organischen und anorganischen
Chemikalien, Chemiefasern und Lacken umfassen. Mehr als 45.000 Beschäftigte in der chemischen Industrie haben
2018 Waren im Wert von über 16 Milliarden Euro hergestellt. Der FCIO setzt sich für einen ökonomisch,
ökologisch und sozial nachhaltigen und attraktiven Chemiestandort Österreich mit einem forschungs- und
technologiefreundlichen Umfeld ein.
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