Nationalsozialistische Stadtplanung & Verwaltung – Aktueller Themenschwerpunkt des Wiener
Stadt- und Landesarchivs
Wien (rk) - Das Wiener Stadt- und Landesarchiv bietet regelmäßig Themenschwerpunkte zu Aspekten
der Wiener Stadtgeschichte. Diese werden im "Wien Geschichte Wiki", der historischen Wissensplattform
der Stadt Wien, veröffentlicht und durch digitalisierte Originalquellen ergänzt. Anlass für den
kommenden Themenschwerpunkt ist der Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939.
Groß-Wien entsteht
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 12. März 1938 gingen sie rasch daran, ihr städteplanerisches
Konzept der Schaffung von territorial stark erweiterten Großstädten auch im Fall Wiens umzusetzen. Am
21. Juli 1938 kam es zur endgültigen Festlegung eines neuen, wesentlich vergrößerten Stadtgebiets
unter Einbeziehung von 97 niederösterreichischen Gemeinden. Mit 15. Oktober 1938 trat diese Stadterweiterung
bereits in Kraft. Die Fläche Wiens vergrößerte sich von 278,4 auf 1215,4 km2, die sich auf nun
26 Bezirke verteilten. Offiziell blieb diese Einteilung bis 1954 bestehen.
Die nationalsozialistische Verwaltung der Stadt
Bis zum „Ostmarkgesetz“, das am 1. Mai 1939 in Kraft trat, zeigt sich der Aufbau des Magistrats gegenüber
der Geschäftseinteilung des Jahres 1934 weitgehend unverändert. Bei den Magistratsabteilungen gab es
lediglich kleinere organisatorische Änderungen. Wer nicht aus „rassischen“ oder politischen Gründen entlassen
wurde, blieb, Führungspositionen wurden anfangs nur im Bedarfsfall neu besetzt. Das Inkrafttreten des „Ostmarkgesetzes“
bildete eine Zäsur im Sinne einer „zweiten Machtübernahme“ in der Stadtverwaltung. Dies betraf neben
der Funktion des Bürgermeisters auch die Gemeindeverwaltung selbst. Sowohl die Geschäftseinteilungen
und Geschichte der Magistratsabteilungen als auch die Organisationen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei
werden im Wien Geschichte Wiki abgebildet.
Lager in Wien
In Groß-Wien befanden sich zahlreiche, über das gesamte Stadtgebiet verteilte Lager und lagerartigen
Unterkünfte. Einerseits waren dies Lager für ausländische Arbeitskräfte ("Fremdarbeiterinnen"
und "Fremdarbeiter"), Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge, andererseits Sammellager für zur Deportation
vorgesehene Jüdinnen und Juden. Jüdinnen und Juden wurden zudem gezwungen, ihre Wohnungen aufzugeben
und in Sammelwohnungen zu leben. Bereits im August 1940 waren in Wien und Niederdonau mehr als 17.000 Kriegsgefangene
zwangsweise im Arbeitseinsatz. Ihre Zahl erhöhte sich im Kriegsverlauf rasch. Ihre Unterbringung erfolgte
entweder in eigenen umschlossenen Lagern, in Baracken auf Firmengeländen oder in bei Firmen angeschlossenen
lagerartigen Unterkünften und Schlafstellen. Manche Lager bestanden nur kurze Zeit, andere überdauerten
länger und einige wurden nach Kriegsende 1945 als Flüchtlingslager weitergenutzt. Darüber hinaus
befanden sich am Flughafen Schwechat und später in Floridsdorf Außenlager des Konzentrationslagers Mauthausen.
Ab 1944 kamen tausende ungarische Jüdinnen und Juden in Wien an und leisteten Zwangsarbeit, bevor sie nach
Auschwitz, Mauthausen, Theresienstadt und Bergen-Belsen verschickt wurden. Trotz schwieriger Quellenlage wird erstmals
in einer interaktiven Karte des Wien Geschichte Wiki ein Überblick über die damals in Groß-Wien
vorhandenen Lager für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter geboten. Daneben werden zahlreiche Firmen angeführt,
die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter beschäftigten.
Bombenkrieg und Luftschutzmaßen
Da Ostösterreich lange Zeit nicht in der Reichweite Alliierter Bomber lag, galt auch Groß-Wien während
des Zweiten Weltkriegs als Teil des „Reichsluftschutzkeller Ostmark“. Mit dem Vorrücken der US-Streitkräfte
in Italien änderte sich diese Situation und es setzte der Bau von Flaktürmen ein. Anfang Dezember 1943
wurde im sogenannten Luftgau XVII die 24. Flakdivision gebildet, die im Großraum Wien über 432 schwere
Fliegerabwehrkanonen verfügte. Zum ersten tatsächlichen Angriff auf die Wiener Randgemeinden kam es am
17. März 1944. Dieser Angriff und jene vom Mai 1944 galten den Treibstofflagern an der damaligen Wiener Peripherie.
Besondere psychologische Bedeutung hatte der Bombenangriff vom 10. September 1944, weil erstmals die inneren Bezirke
schwer getroffen und die Zahl der Toten mit vermutlich rund 700 Personen erheblich war. Weitere Bombenangriffe
erfolgten im Herbst und Winter 1944 bis 23. März 1945. Insgesamt flogen die Alliierten, vor allem die US-Streitkräfte,
53 Angriffe auf Wien, die rund 9.000 Opfer forderten. Die Angriffe richteten sich vor allem gegen kriegswichtige
Betriebe und Treibstoffdepots an der städtischen Peripherie, aber auch innerstädtische Gebäude wie
die Staatsoper und viele Wohnhäuser wurden von Bomben getroffen. Zu diesem Themenbereich sind Beiträge
zu Luftschutz, Luftkrieg, zum Kriegsschädenplan („Bombenplan“, um 1946) im Wien Geschichte Wiki zu finden.
Themenschwerpunkt des Wiener Stadt- und Landesarchivs
Zusätzlich zum Themenschwerpunkt im Wien Geschichte Wiki präsentiert das Wiener Stadt- und Landesarchiv
vom 2. September 2019 bis 22. Februar 2020 Originalquellen zu „Groß-Wien im Krieg“ im Foyer des Archivs.
Vortragsreihe
Der Themenschwerpunkt wird durch wissenschaftliche Fachvorträge ergänzt, die im Wiener Stadt- und Landesarchiv
stattfinden.
- 21. November 2019 um 18 Uhr: Nationalsozialistische Lager
in „Groß-Wien“ (Univ.-Prof. Bertrand Perz)
- 17. Oktober 2019 um 18 Uhr: Stadt - Gau – Partei. Die Struktur
der NS-Herrschaft in Wien (mit Vorträgen von Mag. Shoshana Duizend-Jensen und Dr. Susanne Pils)
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