Molekularbiologe Alejandro Burga, Kulturwissenschaftler Rüstem Ertug Altinay und Biochemiker
Georg Winter werden vom Europäischen Forschungsrat ausgezeichnet.
Brüssel/Wien (öaw) - In der jüngsten Vergaberunde der Forschungspreise des Europäischen
Forschungsrates (European Research Council, ERC) wurden auch drei Wissenschaftler der Österreichischen Akademie
der Wissenschaften (ÖAW) für ihre herausragenden Forschungen ausgezeichnet: Molekularbiologe Alejandro
Burga, Kulturwissenschaftler Rüstem Ertug Altinay und Biochemiker Georg Winter. Seit Beginn der Vergaben im
Jahr 2007 haben Forscher/innen der ÖAW damit insgesamt bereits 50 Preise des ERC eingeworben.
Alejandro Burga: Egoistische Gene
Alejandro Burga vom IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie der ÖAW erforscht mit seinem mit
1,5 Millionen Euro dotierten Starting Grant evolutionäre Mechanismen, die das Erbgut beeinflussen und bei
Artenbildung sowie Krankheitsentstehung eine Rolle spielen. In seinem Fokus stehen bestimmte „egoistische“ Gen-Paare,
sogenannte Toxin-Antidote Systeme. Fehlt das Antidote, sprich das Gegengift, wird das Toxin aktiv – in diesem Fall
ein Protein, das ohne die Aktivität des Gegengifts zu bestimmten Fehlfunktionen im Körper führen
kann.
Solche Toxin-Antidote Systeme sind bereits seit Jahrzehnten bei Bakterien bekannt. „Wir konnten derartige Systeme
auch im Tierreich bei einigen Arten von karibischen Fadenwürmen nachweisen. Im Zuge meines ERC-Forschungsprojekts
wollen wir nun zum einen herausfinden, ob sie auch bei Wirbeltieren vorkommen. Außerdem wollen wir den genauen
Mechanismus der Toxin-Antidote Systeme auf einer molekularen Ebene studieren. Die Forschung soll uns helfen, biologische
Prozesse wie Artenbildung sowie die beschleunigte Ausbreitung von Genen in Populationen, den sogenannten Gene-Drive,
ganzheitlich zu verstehen“, sagt Burga.
Rüstem Ertug Altinay: Theater und Identität in der Türkei
Wie hängen Theater und die Herausbildung von Nationalstaaten zusammen? Und werden auf der Bühne auch
Identitäten von Minderheiten verhandelt? Rüstem Ertug Altinay, dessen Starting Grant mit knapp 1,5 Millionen
Euro dotiert ist, wird diese Fragen am Beispiel der Türkei am Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte
der ÖAW untersuchen.
Das europäisch geprägte Theater begann seinen Siegeszug in der Tanzimat-Ära (1839–1876), die von
großen Reformen im Osmanischen Reich geprägt war. Auch in den Jahrzehnten danach wurden wichtige zeitgenössische
Fragestellungen in der Türkei im Theatersaal verhandelt: Vom Genozid an den Armeniern, über Fragen von
Sexualität und nationaler Identität bis hin zur Rolle der Religion. Altinay nimmt in seinem Projekt die
verschiedenen Theatertraditionen – islamische, sephardisch-jüdische oder alevitische – vom 19. Jahrhundert
bis in die Gegenwart unter die Lupe. „Ich kombiniere klassische Archivarbeit und ethnographische Methoden, um die
zentrale Rolle des Theaters bei der Entstehung der „türkischen Nation“ und ihrer Abgrenzung von „Anderen“
zu untersuchen“, erklärt Altinay.
Georg Winter: Neues Medikamentendesign
Georg Winter vom CeMM – Forschungszentrum für Molekulare Medizin der ÖAW will mit seinem mit 1,3
Millionen Euro dotierten Starting Grant eine Lücke in der Behandlung von Krebserkrankungen schließen.
Er verfolgt in seinem Projekt „Glue2Degrade“ einen neuen Ansatz des Medikamentendesigns: Bei konventionellen Arzneimitteln
versucht man schädliche Proteine mit einem komplementären Wirkstoff zu blockieren. Das funktioniert aber
nur zu etwa 20 Prozent.
Winter hingegen will sich das zelleigene Recycling zunutze machen. Krankmachende Proteine sollen nun nicht nur
blockiert, sondern gleich vollständig abgebaut werden. Die zentrale Herausforderung dabei ist es, geeignete
„molekulare Klebstoffe“ zu identifizieren, die es ermöglichen, die Schadproteine spezifisch zu markieren.
Über eine Bindung an sogenannten E3 Ubiquitin Ligasen können sie dann dem zelleigenen Abbau zugeführt
werden. Georg Winter: „Wir kombinieren molekularbiologische Hochdurchsatzmethoden mit Chemie und Bioinformatik.
Dadurch werden wir einen neuen Ansatz in der Medikamentenentwicklung entwickeln, der es uns erlaubt, krankheitsrelevante
Proteine über das körpereigene Proteinabbau-System zu eliminieren.”
50 ERC Grants an ÖAW
Mit den drei neuen Starting Grants erhöht sich die Anzahl der seit 2007 an ÖAW-Forscher/innen insgesamt
vergebenen Preise des ERC auf 45 ERC Grants und 5 Proof of Concept Grants. An weiteren 10 ERC Grants war die Akademie
maßgeblich beteiligt.
Insgesamt konnte die ÖAW bereits mehr als 80 Millionen Euro an ERC-Förderungen nach Österreich holen.
Die Akademie zählt bei der Zuerkennung der europäischen Forschungsförderpreise damit zu den erfolgreichsten
Forschungseinrichtungen Österreichs.
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