Mit zwei Beschlüssen wenden sich die Länderverantwortlichen mit Unterstützung
der Wissenschaft an die Bundesregierung und appellieren diese konkreten Vorschläge umgehend anzugehen.
Wien (rk) - Zum allerersten Mal kam es am 13. September im Wiener Rathaus zu einer außerordentlichen
KlimaschutzreferentInnen-Konferenz. Neben den klimaschutzverantwortlichen Regierungsmitgliedern der Bundesländer
nahmen Vertreterinnen der Wissenschaft und die SektionsleiterInnen des Verkehrs-, Umwelt- und Finanzministeriums
daran teil. Das außerordentliche Zusammentreffen sollte nicht nur ein Zeichen eines bundesländerübergreifenden
politischen Schulterschlusses mit der anerkannten Wissenschaft sein, es wurden zudem zwei einstimmig beschlossene
Resolutionen in Richtung Bundesregierung verabschiedet, die diese zu konkreten Handlungen unter Miteinbeziehung
der Wissenschaft auffordert.
Dringender Überarbeitungsbedarf beim NEKP
Vergangenes Jahr wurde ein Entwurf eines nationalen Energie- und Klimaplans an die Europäische Kommission
geschickt. Dieser erweist sich nach fundierter Prüfung durch führende österreichische WissenschafterInnen
sowie auch nach Analyse der Europäischen Kommission als nicht ausreichend. Die dargestellten Energie- und
Klimaziele 2030 erfüllen weder die definierten Mindestziele für 2030 noch tragen sie dem Umstand Rechnung,
dass Österreich einen weitreicherenden Beitrag zur Erreichung der Pariser Ziele leisten kann und sollte. Mittlerweile
liegt ein von zahlreichen WissenschafterInnen erarbeiteter alternativer NEKP vor, der die politisch Verantwortlichen
dabei unterstützen soll die festgelegten Ziele zu erreichen. Die KlimaschutzlandesrätInnen appellieren
in dem Beschluss daher dringlich und geschlossen, dieses Angebot der Wissenschaft umgehend aufzugreifen und in
einem intensiven Arbeitsprozess unter Mitwirkung der Bundesländer aufbauend auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen
den Nationalen Energie- und Klimaplan zu überarbeiten. Der Prozess soll umgehend gestartet werden und muss
als ersten Meilenstein einen abgeänderten Vorschlag an die Europäische Kommission erbringen.
Die Klimawandelfolgen werden teuer – richtig teuer!
Mehrfach haben die für den Klimaschutz verantwortlichen Landesregierungsmitglieder, aber auch die FinanzreferentInnen
auf die finanziellen Auswirkungen bei Nichteinhaltung der vereinbarten Energie- und Klimaziele hingewiesen. Aktuell
werden 6,6 Milliarden Euro an erforderlichen Ausgaben bis 2030 prognostiziert. Dies erfordert im Sinne des Vorsorgeprinzips
eine dringende budgetäre Weichenstellung und eine Änderung des österreichischen Abgabesystems, welches
aktuell noch massive Defizite für eine ökologische und klimagerechte Steuerung aufweist. Die Steuern
auf Arbeit sind in den vergangenen Jahren in Österreich gestiegen und damit rund 10% über dem EU-Durchschnitt,
während die Umweltsteuern im Vergleich niedrig und in der Vergangenheit gesunken sind. Eine sozial-ökologische
Steuerreform könnte somit aufkommensneutral zwei Änderungen gleichzeitig herbeiführen: Reduktion
der Abgaben auf Arbeit sowie Besteuerung von klimaschädlichen Verhalten. Die KlimaschutzlandesrätInnen
appellieren daher in der heute beschlossenen Resolution an die Bundesregierung umgehend mit den Vorbereitungsarbeiten
für eine aufkommensneutrale, sozial-ökologische Steuerreform zu beginnen, sodass diese mit ersten Schritten
bereits im kommenden Jahr eingeleitet werden kann. Diese soll in einem Klimarahmengesetz eine kostenwahre Besteuerung
von klimaschädlichen Verhalten nach dem Verursacherprinzip, Steuerbegünstigungen für klimagerechte
Investitionen, massive staatliche Unterstützung für den öffentlichen Verkehr, den Ausstieg aus Öl
und Gas sowie Steuerentlastung für Erwerbseinkommen und die Reform der PendlerInnenpauschale vorsehen.
Birgit Hebein, Wiener Vizebürgermeisterin und Klimaschutzstadträtin: „Amazonasbrände, ein Rekordsommer
in Wien mit 45 Tagen über 30 Grad und plus zwei Grad in Österreich seit 1980 sind Warnung genug: Die
Zeit drängt. Wir tragen Verantwortung für unsere Kinder und Enkelkinder, die CO2-Emissionen jetzt drastisch
zu senken und eine öko-soziale Steuerreform auf den Weg zu bringen. Für die Folgen der Klimakrise werden
wir sonst weit mehr als die 10 Milliarden für einen ambitionslosen NEKP bezahlen müssen. Die Länder
haben heute gezeigt, dass sie - gemeinsam mit der Wissenschaft - und im Sinne des Klimaschutzes an einem Strang
ziehen können. Jetzt ist der Bund am Zug.“
Astrid Eisenkopf, Burgendlands Klimaschutzlandesrätin: „Mit der burgenländischen Klima- und Energiestrategie
soll der Weg zu einem klimaneutralen Burgenland im Jahr 2050 mit konkreten Maßnahmen beschritten werden.
Ob in der Mobilität, im Bereich von Bauen und Raumplanung, in der Landwirtschaft, im Ausbau der erneuerbaren
Energie, in der Forschung und auch in der Bewusstseinsbildung – mit einem umfassenden Maßnahmenpaket legen
wir einen konkreten Plan vor, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Die Landwirtschaft trägt maßgeblich
zum Klimawandel bei und ist selbst auch stark davon betroffen. Wir müssen die Landwirtschaft generell klimafreundlicher
machen und den Anteil der biologischen Landwirtschaft deutlich erhöhen. Auch die Studie des Forschungsinstituts
für biologischen Landbau bestätigt: Alle untersuchten Bio-Produkte verursachen pro Hektar, aber auch
pro Kilogramm Lebensmittel geringere Treibhausgasemissionen (CO2-eq) als vergleichbare konventionelle Produkte.
Die bessere Klimabilanz von Bio-Produkten entsteht in der Regel am landwirtschaftlichen Betrieb durch die ressourcenschonende
Produktionsweise. Hinzu kommt, dass Bio und Regional oftmals Hand in Hand gehen und damit auch durch geringere
Transportwege weitere Treibhausgasemissionen eingespart werden. Für das Burgenland ist das ein sehr wichtiger
Weg, den wir natürlich gerne in ganz Österreich gehen wollen.“
Ingrid Felipe, Tiroler Landeshauptmannstellvertreterin und Klimaschutzlandesrätin: „Die erstmalige Einberufung
einer außerordentlichen Klimaschutzkonferenz in Österreich zeigt die Dringlichkeit des Themas, aber
auch, dass sich die zuständigen LandesrätInnen trotz des intensiven Wahlkampfes einig sind, dass in Sachen
Klima gehandelt werden muss. Die Politik muss den Vorschlägen der Wissenschaft baldigst nachkommen und nicht
länger beschwichtigen, ansonsten wird es für die nächsten Generationen in Tirol keine Gletscher
in den Bergen, dafür umso mehr Überschwemmungen in den Tälern geben. Mit den heute beschlossenen
Resolutionen zeigen wir der Bundesregierung einen klaren Handlungsweg auf, durch welche Maßnahmen die vorgegebenen
Ziele noch erreicht werden können. 2020 wird die KlimaschutzreferentInnen Konferenz in Tirol stattfinden.
Bis dahin erwarte ich mir ganz klare Schritte hin zu einer sozialverträglichen Ökologisierung unseres
Steuersystems und ein eindeutiges Bekenntnis der neuen Bundesregierung zu einem aktiven und wirkungsvollen Klimaschutz.“
Rudi Anschober, Oberösterreichs Klimaschutzlandesrat: „Wir befinden uns in der entscheidenden Phase für
den Klimaschutz: Nach 30 Jahren nicht umgesetzter Ankündigungen und gebrochener Versprechen müssen bis
Jahresende die Weichen dafür gestellt werden, dass in den nächsten zehn Jahren die CO2-Emissionen auch
in Österreich und Oberösterreich drastisch verringert werden. Nur dann gibt es eine Chance, die Ziele
des Pariser Weltklimaübereinkommens auch tatsächlich zu erreichen und damit Erderhitzung und Klimakrise
zu begrenzen. Wir, die KlimareferentInnen der Bundesländer, bieten dem Bund unsere Zusammenarbeit für
umfassende Nachbesserungen des Klimaplans an, um Milliardenstrafen zu vermeiden. Meine Petition mit den fünf
Kernforderungen für dieses Nachbessern hat bereits 15.000 UnterstützerInnen!“
Johannes Rauch, Vorarlbergs Umwelt- und Klimaschutzlandesrat: „Wir haben es satt, dass wir als Bundesländer
unsere Hausaufgaben erfüllen und trotzdem sehenden Auges in Strafzahlungen laufen müssen, weil der Bund
seine Verantwortung nicht ernst nimmt. Die heutige KlimalandesreferentInnenkonferenz ist eine Notwehraktion. Ich
erwarte mir, dass die jetzige Bundesregierung sofort den Nationalen Energie- und Klimaplan überarbeitet und
die Vorschläge der Bundesländer einarbeitet. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Der von der türkis-blauen
Bundesregierung vorgelegte Energie- und Klimaplan war nicht ausreichend und hat noch nicht einmal die Empfehlungen
des Umweltbundesamtes ernst genommen. Dieses Nicht-Handeln gefährdet unser aller Zukunft.“
Heinrich Schellhorn, Salzburger Landeshauptmannstellvertreter und Klimaschutzlandesrat:
„Der Klimawandel ist die größte gesellschaftliche Herausforderung, vor der wir derzeit stehen. Wir sind
es den nächsten Generationen schuldig, hier rasch an Lösungen zu arbeiten, um der Klimakrise mit aller
Kraft und Energie entgegenzutreten. Ein umfassender Nationaler Energie- und Klimaplan sowie eine wirksame sozial-ökologische
Steuerreform sind erste wichtige Schritte. Die bisherigen Maßnahmen des Bundes sind zu wenig entschieden
– hier braucht es mehr Mut, Wille und vor allem ein gemeinsames, koordiniertes Vorgehen. Wir brauchen einen schärferen
und konkreteren nationalen Energie- und Klimaplan.“
Anton Lang, Klimaschutzlandesrat der Steiermark: "Klimaschutz, die Steigerung der Energieeffizienz und der
Ausbau Erneuerbarer Energien sind für mich wesentliche Herausforderungen für die Zukunft unseres Landes.
Mit der steirischen Klima- und Energiestrategie 2030 und dem kürzlich vorgestellten Aktionsplan haben wir
dafür unsere Ziele und auch den Weg zur Zielerreichung definiert. Dabei setzen wir besonders auch auf den
steirischen Innovationsgeist."
Sara Schaar, Kärntner Klimaschutzlandesrätin: Landesrätin Sara Schaar freut sich über den gemeinsamen
Schulterschluss für ein „klimafittes“ Österreich: „Ich hoffe, dass die beiden heute beschlossenen Resolutionen
die Einleitung eines längst überfälligen Arbeitsprozesses bewirken. Es muss dringend mit der Ausarbeitung
einer sozial-ökologischen Steuerreform gestartet werden – die im Gegenzug eine Reduktion der Abgaben auf Arbeit
haben muss und die Besteuerung von klimaschädlichem Verhalten implementiert. Und: Der mangelhafte nationale
Energie- und Klimaplan muss vonseiten der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Expertinnen und Experten der
Bundesländer und der Wissenschaft – sofort überarbeitet und auf Pariser Klimaziele-taugliche Beine gestellt
werden.“ Insgesamt muss eine so große systemrelevante Umstellung so angesetzt werden, dass es am Ende nur
einen Profiteur gibt - nämlich die Menschen, in einer lebenswerten Umwelt.
Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb: „Die VertreterInnen der Wissenschaft freuen sich über die Einbeziehung in
die Konsultation der Länder und begrüßen die beiden Resolutionen. Aus wissenschaftlicher Sicht
ist die Orientierung an den Pariser Klimazielen mit Reduktionen um mindestens 50% bis 2030 und 90% bis 2050, sowie
in den Resolutionen vorgesehen, notwendig. Für die bevorstehenden Planungsarbeiten und Entscheidungen sowohl
auf Bundes- als auch auf Landesebene steht die Wissenschaft, gestützt auf den Referenz-NEKP, gerne zur Verfügung.“
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