Parlamentarischer Budgetausschuss empfiehlt ferner verfassungsrechtliche Verankerung der Schuldenbremse
Wien (pk) - Die österreichische Finanzverwaltung soll ab 1. Juli 2020 auf neue Beine gestellt werden.
Der von ÖVP und FPÖ vorgeschlagenen Reform wurde im Budgetausschuss am 12. September ebenso mehrheitlich
zugestimmt wie der Verankerung der Schuldenbremse in der Bundesverfassung, die auf einen gemeinsamen Antrag von
ÖVP, FPÖ und NEOS zurückgeht. Für einen Nationalratsbeschluss ist für letztere allerdings
eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig, das heißt, zumindest ein weiterer Abgeordneter bzw. eine weitere Abgeordnete
müsste über die AntragstellerInnen hinaus der Gesetzesinitiative zustimmen.
Organisationsreform der Bundesfinanzverwaltung
An Stelle der 40 Finanzämter sollen ab 1. Juli 2020 zwei Abgabenbehörden mit bundesweiter Zuständigkeit
treten – das "Finanzamt Österreich" sowie das "Finanzamt für Großbetriebe"
(985/A). Die neun bestehenden Zollämter sollen ebenfalls zu einer bundesweit zuständigen Abgabenbehörde,
dem "Zollamt Österreich" zusammengeführt werden. Für die Aufgaben der Finanzpolizei, der
Steuerfahndung sowie der Finanzstrafbehörde soll das "Amt für Betrugsbekämpfung" errichtet
werden. Vorgesehen ist des Weiteren ein Prüfdienst für lohnabhängige Abgaben und Beiträge.
Somit bleiben von den dem Finanzministerium unterstellten Dienststellen künftig fünf Ämter. Die
bisherigen Dienstbehörden werden zu Dienststellen.
Beabsichtigt wird mit der Zentralisierung der Finanz- und Zollverwaltung die Bündelung der Kompetenzen, die
Beseitigung von Doppelgleisigkeiten sowie die Erhöhung der fachlichen Qualität. Die Bediensteten bleiben
weiterhin mit ihren Arbeitsplätzen bzw. Arbeitsfeldern betraut, werden allerdings den neuen Ämtern -
im Bedarfsfall mittels eines speziellen Überleitungsverfahren - zugewiesen.
JETZT befürchtet parteipolitische Postenbesetzungen
Auf Skepsis stieß die Organisationsreform bei der SPÖ und dem Parlamentsklub JETZT. Nicht alles sei
schlecht, sagte SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer, er fürchtet aber, dass als Folge der Reform einige
Dienststellen im ländlichen Raum zugesperrt werden. Das könne der jeweilige Finanzminister künftig
ohne Zustimmung der Abgeordneten verfügen. Eine ausführliche Stellungnahme zum Entwurf stellte Krainer
für das Plenum in Aussicht.
Seitens der Liste JETZT meinte Bruno Rossmann, das Ziel der Reform sei richtig, schließlich seien die Finanzämter
derzeit regional sehr unterschiedlich ausgelastet. In diesem Sinn seien Bestrebungen für eine effizientere
Finanzverwaltung zu begrüßen. Rossmann fürchtet allerdings, dass die Reform für politische
Postenbesetzungen genutzt wird.
Müller: Derzeitige Struktur ist nicht zukunftsfit
Finanzminister Eduard Müller hielt fest, dass die derzeitige Struktur nicht zukunftsfit sei. Die Reform werde
eine gleichmäßigere Arbeitsbelastung der Finanzämter ermöglichen. Zudem müssten Akten,
wenn ein Bürger von A nach B übersiedelt, nicht mehr zwingend abgetreten werden.
Die regionale Struktur der Finanzverwaltung sieht Müller nicht gefährdet. Vielmehr biete die Reform die
Möglichkeit, hier bewusst Akzente zu setzen. So könnten durch die digitale Vernetzung und den digitalen
Workflow telefonische Auskünfte etwa in Kärnten konzentriert werden. Auch die Gefahr einer politischen
Einflussnahme auf Postenbesetzungen sei nicht gegeben, da es durch den Erhalt der regionalen Dienststellen de facto
zu keinen Abberufungen und Neuausschreibungen kommen werde. Lediglich die Zusammenlegung kleinerer Dienststellen
ist laut Müller geplant.
In Richtung Abgeordnetem Krainer hielt Müller fest, der Finanzminister könne schon nach der derzeitigen
Rechtslage per Verordnung Finanzämter schließen. Seitens der ÖVP begrüßte Andreas Hanger
die Reform und betonte, wichtig sei, dass die Dienststellen in den Regionen gesichert seien.
Schuldenbremse in der Bundesverfassung
Angesichts der Entwicklung der öffentlichen Schulden im letzten Jahrzehnt erachten ÖVP, FPÖ und
NEOS die Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung als angemessen (928/A). SPÖ und JETZT sehen das
als völlig falschen Weg an und erkennen in der Verfassungsverankerung keine ökonomische Effizienz.
Als einfaches Gesetz gilt in Österreich eine Schuldenbremse bereits wegen des EU-Stabilitätspakts. Ziel
einer solchen ist es, die zulässigen Ausgaben auf die Höhe der um einen Konjunkturfaktor bereinigten
Einnahmen zu begrenzen. In konjunkturell hervorragenden Jahren sollte Österreich aus Sicht der AntragstellerInnen
einen Überschuss schaffen, der notwendige Investitionen in schlechten Jahren finanzieren kann. Über den
kompletten Konjunkturzyklus wäre der Haushalt somit ausgeglichen.
Konkret dürfte das Defizit des Bundes laut Gesetzesantrag demnach maximal 0,35% des Bruttoinlandsprodukts
betragen, jenes der Länder und Gemeinden insgesamt höchstens 0,1% der Wirtschaftsleistung. Ausnahmeregelungen
sollen für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen gelten. Abweichungen von den
zulässigen Obergrenzen sollten laut Gesetzesantrag auf einem Kontrollkonto erfasst und konjunkturgerecht zurückgeführt
werden.
Weil sich in den letzten Jahrzehnten ein Schuldenberg angehäuft hat, müsse man nun besonders auf die
nächste Generation achten, sagte Klaus Lindinger (ÖVP). Dafür wäre der gemeinsame Vorstoß,
der an das Schweizer Modell angelehnt ist, ein vernünftiger und nachhaltiger Schritt, meinte er. Als großen
Wurf für die Generationengerechtigkeit bezeichnete das Konzept auch Karin Doppelbauer (NEOS). Ein Besonders
wichtiges Element dessen wäre für die NEOS-Budgetsprecherin die Hervorhebung des strukturellen Nulldefizits
gewesen, um die konjunkturellen Möglichkeiten deutlich zu machen. Ihr entsprechender Abänderungsantrag
wurde allerdings nicht von den restlichen Ausschussmitgliedern mitgetragen.
Als "gesetzlichen Pfusch" bezeichnete die Gesetzesinitiative der Klubobmann der Liste JETZT, Bruno Rossmann.
Sie sei aufgrund der Verhinderung von Zukunftsinvestitionen nicht ökonomisch effizient. Nicht nur würde
man sich bei einer Schuldenbremse beim Ausbau der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur gehindert sehen, auch
wäre es wichtig, in den Klimaschutz zu investieren, so Rossmann. Christoph Matznetter und Alois Stöger
(beide SPÖ) betonten, dass sie eine einfachgesetzliche Regelung für ausreichend befinden. Außerdem,
so lautete die Kritik von SPÖ-FraktionskollegInnen Sonja Hammerschmid und Kai Jan Krainer, wäre das vorgelegte
Konzept vielmehr am Deutschen, nicht am Schweizer Modell einer Schuldenbremse angelehnt. Aus dem deutschen Negativbeispiel
müsse man lernen, diese Fehler nicht nachzumachen, meinten sie. Investitionsmöglichkeiten müssten
nicht nur für Ausnahmesituationen sondern auch im Sinne einer Wachstumspolitik oder für die Infrastruktur
möglich sein. Die ÖVP-Mandatare Karlheinz Kopf und Andreas Ottenschläger entgegneten, dass die Infrastruktur
in der langfristigen Budgetplanung ohnehin eingeplant sei und sich etwa Investitionsanreize für Unternehmen
besser eignen würden. Das wäre trotz Schuldenbremse möglich.
Die Schuldenbremse nach dem Vorschlag von ÖVP, FPÖ und NEOS soll, sofern es im Nationalrat zu einer Zwei-Drittel-Mehrheit
kommt, erstmals im Finanzjahr 2021 Anwendung finden.
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