Österreich im Wandel

 

erstellt am
11. 09. 19
13:00 MEZ

Soziologie-Kongress beleuchtet Veränderungen und Kontinuitäten in der Gesellschaft
Salzburg (universität) - Vom Arbeitsmarkt bis zur Zuwanderung. Wie haben sich in Österreich Einstellungen und Lebensformen in den letzten Jahrzehnten verändert? Das wird vom 26.- 28. September 2019 an der Universität Salzburg beim Kongress „Alles im Wandel? Dynamiken und Kontinuitäten moderner Gesellschaften“ eines der Schwerpunktthemen sein. Veranstaltet wird der Kongress von der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie. Internationale Experten und Expertinnen gehen dabei u.a. der Frage nach, ob der Eindruck vom fundamentalen sozialen Wandel den Gegebenheiten entspricht oder medial überbetont wird. In drei Tagen werden über 200 Einzelvorträge präsentiert.

Um den Wandel von Einstellungen und Wertorientierungen in der Gesellschaft beobachten zu können, braucht es empirische Befunde aus Langzeitstudien. Eines der am besten etablierten Programme dieser Art in Österreich ist der Soziale Survey Österreich (SSÖ), ein Umfrageprogramm, das seit den 1980er Jahren regelmäßig durchgeführt wird (in Kooperation mit dem International Social Survey). Interessante Ergebnisse daraus werden am ersten Kongresstag bei der Panelveranstaltung „Österreich im Wandel“ vorgestellt. https://oegs.ac.at/oegs-kongress-salzburg2019/. Was hat sich geändert im Bereich Arbeit, Bildung. Einkommen, Geld, Geschlechterrollen, Gesundheit, Freizeit, Migration, Politik, Religion oder den Ansprüchen, die an den Staat gestellt werden?

Sind die gesellschaftlichen Veränderungen fundamental oder werden sie vielleicht zu stark in den Fokus genommen? Auch dieser Frage soll beim Kongress nachgegangen werden, sagt Professor Martin Weichbold von der Universität Salzburg. Als Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie ist er der Organisator des Kongresses. „Digitalisierung, Globalisierung, Prekarisierung, Alterung. In der Wissenschaft, in den Medien und im gesellschaftlichen Diskurs ist immer vom Wandel die Rede. Und in der Tat sind die Veränderungen in vielen Bereichen unübersehbar. Zugleich ist es aber eine soziologische Grunderkenntnis, dass Gesellschaften - bei aller Dynamik - auch durch Kontinuitäten gekennzeichnet sind. Paradoxerweise ergeben sich Kontinuitäten oft gerade durch jene Innovations- und Steigerungszwänge, die für moderne Gesellschaften typisch sind. Wir wollen unseren Blick gerade auch auf die Beharrlichkeiten richten.“

Ziemlich unverändert ist in Österreich zum Beispiel der Anteil der Teilzeitarbeit bei Frauen. Das zeigen die Daten des Sozialen Survey Österreich. Hoch bleibt ihm zufolge auch der Gender Pay Gap. Kaum Einstellungsveränderungen gibt es auch bei den traditionellen Werten der christlich-sozialen Kultur. Hoch im Kurs steht - nach wie vor - der Sozialstaat mit dem öffentlichen Gesundheits- und Pensionssystem sowie der freie Bildungszugang.

Relativ große Veränderungen sieht man hingegen beim Familien- und Partnerschaftsmodell. Doch obwohl die traditionelle Familie mit 1,7 Kindern und dem Vater als Ernährer kaum mehr Zuspruch findet, haben Familie und Partnerschaft an sich - in der Form neuer Modelle - auch bei jungen Leuten nach wie vor einen großen Stellenwert.

Die meisten strukturellen Veränderungen in Österreich entsprechen dem Trend in den westeuropäischen Ländern, sagt der Salzburger Soziologe Dimitri Prandner. Er hat am Sozialen Survey Österreich mitgearbeitet. Auffällig hierzulande ist aber die weiterhin hohe Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Was die Arbeit betrifft hat in Österreich, international verglichen, eine späte Flexibilisierung des Marktes stattgefunden. Auch bei der Idee, eine Arbeit anzugehen, weil sie einen erfüllt (intrinsische Motivation der Arbeit) hinkt Österreich einigen anderen europäischen Ländern hinterher.

Ein überraschendes Ergebnis des Sozialen Survey Österreich ist für Prandner der Befund, dass sich die Trennlinie zwischen Stadt und Land extrem verhärtet hat. „Wir sehen ein Auseinanderbrechen zwischen einer europäisierten, kosmopolitischen, urbanen Gesellschaft und einer traditionsbewussten, lokal orientierten, ländlichen Gesellschaft, die sich zunehmend als Parallelgesellschaften abbilden.“ In dem Zusammenhang fällt oft das Schlagwort von den Modernisierungsverlierern in der Provinz. Martin Weichbold gibt aber zu bedenken, dass man bei den sogenannten Modernisierungsverlierern unterscheiden müsse, zwischen dem was faktisch ist und dem was wahrgenommen wird und wie es zu Wechselwirkungen kommen kann. „Wenn sich durch den politischen Diskurs von den Modernisierungsverlierern das Bild verfestigt, wir Armen da in der Provinz - auch wenn es in der Weise oft nicht stimmt - dann wird diese Wahrnehmung handlungsanleitend, sie bestimmt was die Leute denken und letztlich auch tun.“

Was könnte ein Mittel gegen das Auseinanderdriften gesellschaftlicher Gruppen sein? Ist Solidarität noch ein tragfähiges Konzept? Dieser Frage geht der deutsche Soziologe Heinz Bude zum Auftakt des Kongresses in seinem Eröffnungsvortrag nach („Solidarität nach dem Neoliberalismus“; Donnerstag, 26. September). Als weitere Keynote Speaker werden die amerikanische Politikwissenschaftlerin Joan Tronto (sie referiert über die Zukunft der Pflege; Freitag, 27. September) sowie der Wiener Soziologe Jörg Flecker (er analysiert Kontinuität und Wandel der Lohnarbeit; Samstag, 27. September) erwartet.

Ungefähr 350 Teilnehmer/ innen haben sich zum Kongress angemeldet.

 

 

 

Weitere Informationen:
https://oegs.ac.at/oegs-kongress-salzburg2019/

 

 

 

 

 

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