Erster offizieller Empfang der Regierungschefin für kirchliche und religiöse Spitzen
in Österreich - "Religion selbstverständlich Bestandteil des öffentlichen Raums"
Wien (kap) - Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein hat am 10. September bei einem Empfang für alle gesetzlich
anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften deren Wirken und die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Staat
gewürdigt. Religion sei in Österreich "selbstverständlich Bestandteil des öffentlichen
Raums" unterstrich Bierlein bei der Begegnung im Bundeskanzleramt in Wien. Neben dem für Kultusangelegenheiten
zuständigen Minister Alexander Schallenberg ergriff auch Kardinal Christoph Schönborn für die Kirchen
und Religionen das Wort.
Regierungschefin Bierlein hob die grundlegende Bedeutung des Menschenrechts auf Religionsfreiheit für das
Staat-Kirche-Verhältnis hervor. Der offene und konstruktive Dialog zwischen den politischen und religiösen
Spitzen im Land habe europarechtlich mit Artikel 17 des Vertrags von Lissabon eine weitere Basis, wie die frühere
Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs festhielt. Gerade in Wahlkampfzeiten gelte es, "das Ganze im
Auge zu behalten". Kirchen und Religionen hätten hierin eine wichtige Bedeutung, indem sie sich für
Grundsätze und den Dialog einsetzten.
Im Rahmen des ersten derartigen Empfangs seit ihrer Bestellung zur Bundeskanzlerin stellte Bierlein auch den von
ihr ernannten neuen Leiter des Kultusamtes vor. Mit Florian Welzig hat mit Ende August ein im Bundeskanzleramt
bereits tätiger Jurist die Leitung der obersten staatlichen Religionsbehörde übernommen. Welzig
folgt damit auf Oliver Henhapel, der im Mai in das Bildungsministerium gewechselt war.
Kultusminister Schallenberg verwies auf den Umstand, dass rund 80 Prozent der Bevölkerung in Österreich
einer Kirche oder Religionsgemeinschaft angehören. Diese leisteten als Institutionen viel für die Allgemeinheit
etwa in den Bereichen Bildung, Soziales und Ehrenamt. Wichtig sei ihr Eintreten für die Würde des Menschen
und ihre Orientierungsfunktion. Kirchen und Religionen hätten zudem eine "Vorbildwirkung im Kommunizieren"
und seien zudem ein wichtiger Dialogpartner für die Außen- und Europapolitik, wie der dafür zuständige
Minister ausführte. Angesichts vielfältiger Herausforderungen "sind wir uns alle einig, dass Religion
nicht Teil des Problems sein soll, sondern Teil der Lösung", so Schallenberg.
Ethik und Religion
Auf die grundlegende Bedeutung von Tugenden für ein faires Zusammenleben der Menschen verwies Kardinal Christoph
Schönborn. Es gehe dabei um ethische Haltungen, die mehr als Compliance im Sinne einer schlichten Regelkonformität
seien. Für 80 Prozent der Bevölkerung seien Kirchen und Religionen die primären "Ethos-Geber"
betonte der Wiener Erzbischof. Von daher habe der konfessionelle Religionsunterricht eine hohe gesellschaftliche
Bedeutung, weil er mehr als bloße Religionskunde sei. Gleichzeitig begrüßte der Kardinal die politischen
Pläne zur Einführung eines verpflichtenden Ethikunterrichts für Schülerinnen und Schüler,
die keinen Religionsunterricht haben.
Das Verhältnis der Kirchen und Religionen untereinander aber auch mit den staatlichen Autoritäten bezeichnete
der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz als "hervorragend". Dies sei im Blick auf die Geschichte
nicht selbstverständlich und bedürfe der regelmäßigen Pflege von allen Seite. Insgesamt plädierte
der Kardinal für eine Haltung der "wohlwollend kritischen Begegnung" mit und in der Zivilgesellschaft.
Neben Kardinal Schönborn und Bischofskonferenz-Generalsekretär Peter Schipka waren auch der griechisch-orthodoxe
Metropolit Arsenios (Kardamakis) und der neue evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka beim Empfang der
Bundeskanzlerin. Weitere Teilnehmer waren u.a. der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Ümit
Vural, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, der koptische Bischof Anba Gabriel
und der armenisch-apostolische Bischof Tiran Petrosyan.
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