MAK: Das Werk des großen Kunstgewerblers und Architekten wird neu beleuchtet
Wien (mak) - Siebzig Jahre nach seinem Tod und über zwanzig Jahre nach der letzten großen Ausstellung
in Wien beleuchtet das MAK das Werk von Otto Prutscher (1880–1949) neu. Die Ausstellung „Otto Prutscher. Allgestalter
der Wiener Moderne“ (MAK-Schausammlung Gegenwartskunst, 20. November 2019 – 17. Mai 2020) verdeutlicht die mannigfachen
Rollen, die Prutscher als Architekt und Designer, Ausstellungsgestalter, Lehrer und Mitglied aller wichtigen Reformkunstbewegungen
– von der Secession bis zur Wiener Werkstätte und dem Werkbund – für die Entwicklung der Wiener Moderne
spielte. Ausgewählte Beispiele aus seinem komplexen Œuvre dokumentieren seine jahrzehntelange einflussreiche
Rolle als Entwerfer und Berater für die bedeutendsten Kunstgewerbefirmen seiner Zeit.
Trotz seiner Schaffenskraft und Vielseitigkeit wurde das Werk des großen Kunstgewerblers und Architekten
bis dato nicht entsprechend gewürdigt. Prutschers Vermächtnis umfasst u. a. über 50 Bauwerke (Villen,
Wohnhäuser, Portale), rund 50 Ausstellungen, die er künstlerisch und organisatorisch gestaltete oder
mitgestaltete, ca. 170 Einrichtungen, über 300 Entwürfe von Einrichtungen sowie über 200 Einzelmöbel
und Garnituren. Eine großzügige Schenkung von 139 Entwürfen, Objekten in Silber, Glas und Keramik
sowie Möbeln durch die Sammlerin Hermi Schedlmayer nimmt das MAK zum Anlass für diese Personale.
Der Wiener Jugendstil war die Wiege, in der Otto Prutscher heranwuchs und sich entwickelte. Zehn Jahre jünger
als Josef Hoffmann und Adolf Loos, zählte Prutscher zur ersten Generation der SchülerInnen an der Wiener
Kunstgewerbeschule, die von der Reform des Unterrichts im Sinne der Reformkunst unter der Direktion Felician von
Myrbachs und von jungen Professoren wie Josef Hoffmann und Koloman Moser profitierten. Materialbeherrschung eignete
sich Prutscher in der Kunsttischlerei seines Vaters Johann Prutscher sowie im Zuge einer Maurerlehre und einer
Zimmermannspraxis an, die er in den vorlesungsfreien Sommermonaten absolvierte.
Nach der Aufnahme an der Wiener Kunstgewerbeschule 1897 belegte Prutscher einen Kurs für ornamentales Zeichnen
bei Willibald Schulmeister und studierte später zwei Semester in Josef Hoffmanns Fachschule für Architektur.
Anschließend belegte er zwei Semester bei Franz Matsch in der Klasse für Zeichnen und Malen. Der Unterricht
beim secessionistischen Architekten Hoffmann und beim vormodernen Maler Matsch hinterließ Spuren: Prutschers
Entwürfe und ausgeführte Werke weisen einerseits eine hohe zeichnerische Qualität auf, andererseits
orientieren sie sich an den jeweils aktuellen Tendenzen der Architektur.
Von 1903 bis 1907 war Prutscher Assistent an der k. k. graphischen Lehr- und Versuchsanstalt, ab 1908 Lehrer am
k. k. Lehrmittel Bureau in Wien. Ab 1907 wurde er für die Wiener Werkstätte aktiv. Sein Lehrer Josef
Hoffmann schlug ihn 1909 erfolgreich als Professor an der k. k. Kunstgewerbeschule vor: Dort leitete er bis zu
seiner Zwangspensionierung aufgrund der jüdischen Herkunft seiner Ehefrau im Jahr 1939 den offenen Entwurfszeichensaal
für Gewerbetreibende.
Prutschers Entwürfe wurden von mehr als 200 Unternehmen umgesetzt, allen voran von der Wiener Werkstätte
und wichtigen Herstellerbetrieben wie Backhausen, Klinkosch, Augarten, Meyr’s Neffe, Schappel, Melzer & Neuhardt
oder den Deutschen Werkstätten in Dresden. Für Thonet, Loetz Witwe und Wienerberger war er künstlerischer
Berater.
Die Ausstellung bietet mit rund 200 Entwürfen aus dem Otto-Prutscher-Nachlass im MAK, der Sammlung Schedlmayer
und dem Familienarchiv Otto Prutschers in Mailand sowie ausgeführten Objekten und Möbeln aus den Sammlungen
des MAK und der Familie Schedlmayer sowie von privaten Leihgebern einen Überblick über das Werk des „Allgestalters“.
Viele der Entwürfe – auch für Objekte im Besitz des MAK – werden erstmals gezeigt und konnten bei Recherchen
im Zuge der Ausstellungsvorbereitungen im Familienarchiv Otto Prutschers, das im Besitz seiner Enkelin Beba Restelli
steht, in Mailand identifiziert werden. Highlight der Präsentation ist die von Otto Prutscher entworfene Vitrine
für den „Raum für einen Kunstliebhaber“ aus der Wiener Kunstschau 1908, die dem MAK von Hermi Schedlmayer
geschenkt wurde.
Die MAK-Bibliothek und Kunstblättersammlung verfügt über rund 1 200 Grafiken (Zeichnungen, Pläne,
Entwürfe und Fotografien) von Otto Prutscher und damit den größten grafischen Bestand seiner Werke
in einer öffentlichen Sammlung. Die ersten 18 Blätter gelangten 1955 im Zuge der Übergabe des Archivs
der Wiener Werkstätte in die MAK-Sammlung. Der erste umfangreiche Teilnachlass von Otto Prutscher wurde dem
MAK 1979–1980 dank der Initiative seiner in Italien lebenden Töchter Helly de Kuyser Prutscher und Ilse Restelli-Prutscher
als Donation überlassen. 2018 vervollständigte die jüngste Schenkung durch Hermi Schedlmayer den
Otto-Prutscher-Bestand im MAK.
Im Rahmen des groß angelegten EU-Projekts „ART NOUVEAU – Sustainable protection and promotion of Art Nouveau
heritage in the Danube Region“ konnte das MAK seinen gesamten Bestand an Zeichnungen und Entwürfen von Prutscher
bearbeiten und digitalisieren. Die Ergebnisse dieses Projekts sind in die begleitende Publikation zur Ausstellung
eingeflossen: „OTTO PRUTSCHER. Allgestalter der Wiener Moderne“ (MAK Studies 26), herausgegeben von Christoph Thun-Hohenstein
und Rainald Franz. Mit Beiträgen von Silvia Colombari, Claas Duit, Rainald Franz, Aline Müller, Kathrin
Pokorny-Nagel, Beba Restelli, Elisabeth Schmuttermeier und Christoph Thun-Hohenstein. Deutsch/Englisch, 160 Seiten
mit zahlreichen Farbabbildungen. MAK, Wien/Arnoldsche Art Publishers, Stuttgart 2019. Erhältlich im MAK Design
Shop und unter MAKdesignshop.at um € 29.
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