„Zwischen Zerreißung und Hoffnung“

 

erstellt am
10. 09. 19
13:00 MEZ

Land gedenkt Teilung Tirols vor 100 Jahren
Trient/Bozen/Innsbruck (lk) - Mit der Unterzeichnung des Staatsvertrags von Saint Germain am 10. September 1919 war das Schicksal des historischen Tirols besiegelt – das Land wurde geteilt. Auf den Tag genau, 100 Jahre später, kam der Tiroler Landtag zu einer feierlichen Gedenksitzung zusammen.

Auf Einladung von LTPin Sonja Ledl-Rossmann und LH Günther Platter waren rund 70 PolitikerInnen und Ehrengäste ins Alte Landhaus gekommen, um einerseits an die Zerreißung des Landes zu erinnern, aber auch gemeinsam die Hoffnung für ein neues Miteinander hochleben zu lassen.

„Vision eines geeinten Tirols mit Leben füllen“
Nach der Zerreißung Tirols folgten leidvolle Jahrzehnte, die Vorstellung von einem wiedervereinten Land wurde zur Utopie. Doch mit dem EU-Beitritt Österreichs 1995 wurde diese wieder zu einer konkreten Vision: Die drei Landesteile sind in der Europaregion Tirol, Südtirol und Trentino wieder vereint, der Schlagbaum am Brenner ist seit mittlerweile 21 Jahren Geschichte, die Grenze kaum noch spürbar.

„Es liegt nun an uns, diese Vision eines geeinten Tirols im Europa der Regionen weiterzuentwickeln und mit Leben zu füllen“, betonte LTPin Sonja Ledl-Rossmann in ihrer Eröffnungsrede. „Der Dreierlandtag, der am 16. Oktober in der alten Tiroler Landeshauptstadt Meran stattfinden wird, ist ein kräftiges Symbol der gelebten Verbundenheit.“

Tagtäglich am Wieder-Zusammenwachsen arbeiten
Auch LH Günther Platter appellierte in seiner Rede an die Teilnehmenden, den eingeschlagenen Weg fortzuführen: „Wir arbeiten gemeinsam tagtäglich am Wieder-Zusammenwachsen unserer Länder: Die Liste unserer gemeinsamen Vorhaben ist lang. Der Wille zur Zusammenarbeit groß, also lasst es uns gemeinsam zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger, zum Wohle unserer Jugend und für die nächsten Generationen gemeinsam anpacken.“

Zwischen „Option“ und „Feuernacht“
In seiner vorgetragenen literarischen Interpretation setzte sich Autor Felix Mitterer mit zwei besonders dramatischen Ereignissen der Tiroler Geschichte auseinander: 1939, als die SüdtirolerInnen die „Option“ hatten, sich zwischen Auswanderung in die Fremde oder Dableiben in der Unterdrückung zu entscheiden; und mit den Aktivitäten des sogenannten „Befreiungsausschusses Südtirol“, die in der „Feuernacht“ vom 11. auf den 12. Juni 1961 gipfelten.

Sowohl „Option“ als auch „Feuernacht“ hatten – auf unterschiedliche Art und Weise – tiefe Wunden hinterlassen und waren Ausdruck bzw. Folgen jener Unterdrückung, der die SüdtirolerInnen seit 1919 ausgesetzt waren. Erst mit der Internationalisierung der Südtirolpolitik und den anschließenden Verhandlungen zwischen Italien und Österreich, die im Zweiten Autonomiestatut mündeten, begann sich die Lage der SüdtirolerInnen zu bessern.

Über den Vertrag von Saint Germain en Laye
Der Vertrag regelte in 381 Artikeln die Auflösung der österreichischen Reichshälfte der Doppelmonarchie sowie die Friedensbedingungen für den neuen, republikanischen Staat. Neben Bestimmungen, die unter anderem den Anschluss an das Deutsche Reich untersagten, den Staatsname „Deutschösterreich“ verboten und Österreich zu Reparationszahlungen verpflichteten, wurde insbesondere der neue Grenzverlauf festgeschrieben. Südtirol und das Trentino wurden damit Teil des Italienischen Königreichs, für die deutsch- und ladinischsprachige Bevölkerung folgten Jahrzehnte der Unterdrückung.

Statements von LH Arno Kompatscher (Südtirol) und LRin Giulia Zanotelli (Trentino)
LH Kompatscher: „Es kann nur ein Miteinander geben! Das Gegeneinander und somit die alten Nationalismen kommen schön verpackt in Botschaften wie ‚America first‘, ‚Prima l’Italia‘ oder ‚Österreich zuerst‘ daher. Der Trend der Staaten, die sich zunehmend wieder zum vermeintlich sicheren Hort der Ich-linge entwickeln, widerspricht zutiefst dem europäischen Gedanken. Gemeinsam – und nur gemeinsam – kann und wird es uns in Europa und in der Europaregion gelingen, noch vieles möglich zu machen, was heute noch utopisch scheint.“

LRin Zanotelli: „Kriege, Totalitarismen, Gegensätze und Zerreißungen wurden in den letzten 50 Jahren durch eine überzeugte Suche nach Lösungen ersetzt, um das Zusammenleben von Sprachgruppen, die Kooperation und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu gewährleisten.“

 

 

 

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