Sobotka: Ausschuss hat gezeigt, dass die parlamentarische Kontrolle funktioniert
Wien (pk) - Nach dem BVT-Untersuchungsausschuss hat auch der Eurofighter-Untersuchungsausschuss
am 18. September seinen Abschlussbericht vorgelegt. 17 Jahre nach dem Kauf der Luftraumüberwachungsflugzeuge
durch die Republik Österreich ist die parlamentarische Prüfung des Beschaffungsvorgangs und späterer
Vertragsnachverhandlungen damit vorläufig beendet. Einen weiteren Eurofighter-Untersuchungsausschuss wird
es nach aktuellem Stand wohl nicht geben, Verfahrensrichter Ronald Rohrer sieht jetzt vielmehr die Staatsanwaltschaft
am Zug.
Die Arbeit des Untersuchungsausschusses wurde von allen Beteiligten positiv bewertet. Der Ausschuss habe gezeigt,
dass parlamentarische Kontrolle funktioniere und allen im Parlament vertretenen Parteien wichtig sei, betonte Nationalratspräsident
Wolfgang Sobotka bei einem Pressegespräch im Anschluss an die letzte Ausschusssitzung. Es sei gelungen, Transparenz
in einen komplexen Fall zu bringen. Der Ausschuss habe wertvolle Erkenntnisse gewonnen, auf die man bei künftigen
Beschaffungen zurückgreifen könne.
Ausdrückliche Wertschätzung äußerte Sobotka in diesem Zusammenhang gegenüber den Mitgliedern
des Ausschusses, die viel Zeit in die Aufklärungsarbeit investiert haben. Zudem bedankte er sich besonders
bei Verfahrensrichter Ronald Rohrer, der den Ausschuss ihm zufolge hervorragend begleitet hat. Auch die Arbeit
des Verfahrensanwalts sei wichtig gewesen.
Rohrer: Kein Hinweis auf individuelle Bestechlichkeit, aber unerklärliche Geldflüsse
Rohrer selbst betonte, er sei stolz, die Funktion als Verfahrensrichter ausgeübt zu haben. "Wir haben
unter Beweis gestellt, dass der Untersuchungsausschuss ein sinnvolles Gremium ist", sagte er und zeigte sich
überzeugt, dass die Erkenntnisse des Ausschusses für künftige politische Entscheidungen hilfreich
sein können. Einen Hinweis auf die Bestechung von Entscheidungsträgern konnte der Ausschuss laut Rohrer
nicht finden, es habe auf Seite des Vertragspartners aber ein Netzwerk von Scheinfirmen und bis zu fünfstöckige
Firmenkonstruktionen mit immer wieder neuen Verschachtelungen gegeben, die unerklärlich Geld hin- und hergeschoben
haben.
Was die Frage der politischen Verantwortung betrifft, ortet Rohrer nicht immer eine wirtschaftliche und zweckmäßige
Verwaltungsführung. Zudem wurde gegen Beschaffungsrichtlinien verstoßen. Ausdrücklich hob Rohrer
hervor, dass niemand versucht habe, die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses in eine Richtung zu verbiegen oder
zu verändern.
ÖVP und FPÖ hinterfragen Darabos-Vergleich aus dem Jahr 2007
Von Seiten der Fraktionen wurden die Ergebnisse des Ausschusses naturgemäß unterschiedlich bewertet.
So äußerte sich Andreas Ottenschläger (ÖVP) insbesondere zum von Ex-Minister Norbert Darabos
erzielten Vergleich 2007 kritisch. Dadurch sei das Fluggerät massiv entwertet worden, sagte er. Auch die Strafanzeige
des ehemaligen Ministers Hans Peter Doskozil hat seiner Meinung nach bisher keinen Erfolg gezeitigt. Auf Gegengeschäfte
bei Beschaffungen will die ÖVP auch künftig nicht gänzlich verzichten, es brauche aber einen direkten
Zusammenhang zwischen der jeweiligen Beschaffung und einem Gegengeschäft.
Wesentlich ist für Ottenschläger, dass der Ausschuss keinen Nachweis für die Bestechung von PolitikerInnen,
BeamtInnen oder sonstigen EntscheidungsträgerInnen erbracht hat. Darauf wies auch FPÖ-Wehrsprecher Reinhard
Eugen Bösch hin. Zudem sieht Bösch seine Einschätzung bestätigt, dass der 2007 von Darabos
abgeschlossene Vergleich "ein sehr unglücklicher war". Kritik übte der FPÖ-Abgeordnete
an der Justiz: Die offensichtliche Schwierigkeit, Verfahren schnell zu Ende zu führen, habe auch die Arbeit
des Untersuchungsausschusses beeinträchtigt.
SPÖ und JETZT: Keine Gegengeschäfte mehr bei Rüstungsbeschaffungen
Künftig völlig auf Gegengeschäfte bei Rüstungsbeschaffungen verzichten will SPÖ-Abgeordneter
Rudolf Plessl. Diese öffnen Tür und Tor für Korruption und seien zudem schwer überprüfbar,
meinte er. Zudem hat der Ausschuss ihm zufolge zutage gebracht, dass die Republik Österreich "um 183,4
Mio. € betrogen wurde". Als grob fahrlässig wertete er überdies, dass beim Eurofighter-Kauf die
Lebenszykluskosten nicht berücksichtigt worden seien.
Auch Daniela Holzinger-Vogtenhuber (JETZT) will angesichts der gemachten Erfahrungen Gegengeschäfte künftig
zur Gänze abstellen. Diese hätten dem Steuerzahler letztendlich kaum etwas gebracht, sondern im Gegenteil
hohe Kosten verursacht. So habe der Vertragspartner der Republik dafür 183,4 Mio. € verrechnet. Zudem seien
diese Einfallstür für Schmiergeldzahlungen.
Für Holzinger-Vogtenhuber ist spätestens jetzt außerdem klar, dass es einen Ausstieg "aus
dem System Eurofighter" geben muss. Es brauche ein effizienteres System der Luftraumüberwachung. Die
Liste JETZT strebt außerdem ein Änderung des Finanzprokuraturgesetzes an: Die Finanzprokuratur solle
bei allen Beschaffungen und Verträgen mit einem Volumen von mehr als 100 Mio. € verpflichtend beigezogen werden
müssen.
NEOS fordern echte Transparenz bei Parteienfinanzierung
Michael Bernhard (NEOS) ging vor allem auf das Thema Korruption ein. Man habe auf Seiten des Vertragspartners viel
Energie hineingesteckt, um Zahlungsflüsse zu verschleiern, hob er hervor. Zudem sei belegt, dass 90 Mio. €
in Schwarzgeldkassen geflossen und ein Scheck von 1,5 Mio. € an eine damals aktive Politikerin gegangen sei.
Um derartige Vorkommnisse in Zukunft zu vermeiden, braucht es nach Meinung von Bernhard echte Transparenz bei der
Parteienfinanzierung inklusive einer Kontrolle des Rechnungshofs. Zudem pochte er auf eine Politikerhaftung und
mehr Personal für die Justiz. Auch solle das Parlament künftig aktiv in alle wesentlichen bundesweiten
Beschaffungen eingebunden und die Möglichkeit geschaffen werden, den Untersuchungsgegenstand von Untersuchungsausschüssen
während ihrer Tätigkeit auszuweiten, wenn es neue Erkenntnisse gibt.
Einig waren sich SPÖ, NEOS und JETZT außerdem darin, dass es einen weisungsfreien Bundesstaatsanwalt
braucht. Man müsse jedenfalls darüber nachdenken, sagte Plessl.
Ausschuss hat in 31 Sitzungen 51 Auskunftspersonen befragt
Der fast 500 Seiten starke Abschlussbericht, der laut Sobotka einstimmig zur Kenntnis genommen wurde, wird nun
gemeinsam mit den ausführlichen schriftlichen Stellungnahmen der fünf Fraktionen auf der Parlaments-Website
veröffentlicht. Die Diskussion über den Ausschussbericht im Nationalrat ist für den 25. September
in Aussicht genommen.
Eingesetzt worden war der Eurofighter-Untersuchungsausschuss im April 2018. Die Abgeordneten stimmten einhellig
einer entsprechenden Initiative der NEOS zu. Der Ausschuss hat im Rahmen von 31 Sitzungen 51 Personen befragt,
einige davon mehrfach. Außerdem standen den Abgeordneten rund zwei Millionen Seiten an Akten und anderen
Unterlagen zur Verfügung. Über die rund 150-stündigen Beratungen wurden knapp 2.200 Protokollseiten
angefertigt. Es war bereits der dritte Untersuchungsausschuss zum Kauf der Eurofighter, der zweite konnte wegen
der vorzeitigen Beendigung der 25. Gesetzgebungsperiode seinen Prüfauftrag nur teilweise erfüllen.
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