GAP muss bäuerliche Familienbetriebe in den Mittelpunkt stellen
Linz (lk-oö) - Für die Bauern stehen in den nächsten Monaten auf EU- und nationaler Ebene
wichtige Entscheidungen zur künftigen Agrarfinanzierung sowie zur inhaltlichen Ausgestaltung der Gemeinsamen
Agrarpolitik (GAP) an. Hauptknackpunkt bei den Verhandlungen zur GAP ist das Agrarbudget, aber auch inhaltlich
sind viele Kernpunkte weiterhin offen.
LK-Präsidentin Michaela Langer-Weninger und Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger legen klare Forderungen fest:
- Aufrechterhaltung der Höhe des Agrarbudgets, notfalls
durch nationale Mittel
- Erfolgreichen österreichischen Weg der freiwilligen
Agrarumweltmaßnahmen fortsetzen statt verpflichtender "Eco-Schemes"
- Maßnahmen auch für kleinere und mittlere Betrieb
machbar gestalten
- Kontrollen und Strafen auf Verhältnismäßigkeit
überprüfen
- Innovationen und Hofnachfolge durch Investitionsförderung
und Unterstützung für Junglandwirte sichern
"Die Bauernschaft drängt auf eine zumindest stabile EU-Agrarfinanzierung. Die von der EU vorgeschlagenen
Kürzungen werden mit allem Nachdruck abgelehnt. Hier ist daher die EU- Verhandlungsführung der derzeitigen
und auch einer künftigen Bundesregierung massiv gefordert. Sollte es auf EU-Ebene dennoch zu einer für
die österreichischen Bauern wirksamen Mittelkürzung kommen, so ist zwingend ein Ausgleich auf nationaler
Ebene erforderlich. Eine stabile Agrarfinanzierung muss daher einer der Kernpunkte einer künftigen Regierungsvereinbarung
sein", betont Präsidentin Michaela Langer-Weninger.
GAP-Verhandlungen treten momentan auf der Stelle
Während im Zuge der österreichischen Präsidentschaft im 2. Halbjahr 2018 wesentliche Verhandlungsfortschritte
zur Gemeinsamen Agrarpolitik erzielt werden konnten, tritt man seither - wohl auch aufgrund der umfassenden Brexit-Probleme,
der erfolgten Neuwahl des Europäischen Parlamentes und der anstehenden Neubestellung der EU-Kommission im
Herbst - weitgehend auf der Stelle.
Höhe des EU-Budgets weiterhin ungeklärt
Der EU-Kommissionsvorschlag sieht ein Budget in der Höhe von 1,11 Prozent der EU- Wirtschaftsleistung
(BNE) vor, die Positionen der Mitgliedsländer im Rat liegen in einer Bandbreite von 1 bis 1,3 Prozent der
Wirtschaftsleistung. Das Lager der Nettozahlerländer (insbesondere Dänemark, Schweden, Niederlande, aber
auch Österreich) fordert 1 Prozent der Wirtschaftsleistung, das Lager der Nettoempfänger (insbesondere
Portugal, Griechenland) fordert 1,3 Prozent der Wirtschaftsleistung. Auch das Europäische Parlament will eine
Budgeterhöhung auf 1,3 Prozent der Wirtschaftsleistung und generell keine Kürzungen im Agrarbudget erreichen.
Der Beschluss über den anstehenden neuen EU-Finanzrahmen 2021 bis 2027 erfordert letztendlich eine Einstimmigkeit
im Rat (auf Ebene der Staats- und Regierungschefs) sowie eine mehrheitliche Zustimmung im EU-Parlament.
Auf Basis des EU-Kommissionsvorschlages würden sich für die österreichische Landwirtschaft bei den
Direktzahlungen der ersten Säule eine Kürzung um etwa 4 Prozent (von 692,3 auf 664,8 Millionen Euro)
und bei den Zahlungen für die Ländliche Entwicklung (Agrarumweltprogramm, Bergbauernförderung, Investitionsförderung,
Existenzgründungs- beihilfen usw.) sogar eine Kürzung um 15 Prozent (auf 480,5 Millionen Euro an EU-Mitteln)
ergeben. "Österreich weist eine Sonderstellung auf, da hierzulande mehr Mittel über die zweite Säule
als über Direktzahlungen auf die Höfe gelangen. Die erfolgreichen Programme wie das ÖPUL ermöglichen
den Landwirten, zusätzliche Leistungen im Sinne der Allgemeinheit zu erbringen. Der vorgeschlagene Budgetentwurf
bedroht diesen erfolgreichen Weg massiv," so Agrar-Landesrat Max-Hiegelsberger.
Grüner Bericht 2019 weist rückläufige landwirtschaftliche Einkommen aus
Der aktuelle "Grüne Bericht" des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus belegt,
dass nach zwei Jahren positiver Entwicklung die Agrareinkommen 2018 empfindlich zurückgegangen sind. Die Einkünfte
aus der Land- und Forstwirtschaft (Erträge minus Ausgaben) sanken demnach um zehn Prozent auf durchschnittlich
28.035 Euro pro Betrieb. 2017 und 2016 waren die Einkommen noch um jeweils 14 Prozent gestiegen. Schuld an diesem
Einkommensrückgang sind der Klimawandel und die damit verbundene extreme Trockenheit in vielen Regionen. Für
hitze- und trockenheitsbedingte Mindererträge im Acker- und Futterbau erhielten die Betriebe vom Bund und
von den Ländern Direkthilfen und Zinsenzuschüsse in Höhe von insgesamt rund 22 Mio. Euro. Auch für
den Forst ist ein umfangreiches Maßnahmenpaket geschnürt worden, um die Einkommensverluste abzufedern.
Gedämpft wurden die Einkommen außerdem von gestiegenen Produktionskosten und preisbedingten Einbußen
aufgrund niedriger Erzeugerpreise. "Der Grüne Bericht zeigt klar auf, dass der Klimawandel bereits jetzt
die landwirtschaftlichen Einkommen vermindert. Die Landwirtschaft steht vor der doppelten Herausforderung Klimawandel-Anpassung
und geforderter Verringerung des eigenen Ausstoßes an Treibhausgasen", so Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger.
Einkommensstabilisierend wirkten dem "Grünen Bericht" zufolge Maßnahmen der Ländlichen
Entwicklung, vor allem das Agrarumweltprogramm (ÖPUL) und die Ausgleichszahlungen. "Die Aufrechterhaltung
einer nachhaltigen, flächendeckenden Bewirtschaftung ist ohne Unterstützung durch öffentliche Zahlungen
nicht zu schaffen", betont Präsidentin Langer- Weninger. 2018 machten diese im Schnitt 16 Prozent vom
Ertrag aus; bezogen auf die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft hat der Anteil 68 Prozent betragen. Die
Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU ist und bleibt ein wichtiges Sicherheitsnetz der österreichischen Landwirtschaft.
Strategiepläne als neues Kernelement der GAP
Der EU-Kommissionsvorschlag sieht für die Gemeinsame Agrarpolitik mit den sogenannten nationalen Strategieplänen
ein neues Instrument der Umsetzung vor. Bisher waren nur die Maßnahmen der zweiten Säule auf nationaler
Ebene zu programmieren (Programme zur Ländlichen Entwicklung). Künftig sind in den nationalen Strategieplänen
sowohl die Maßnahmen der ersten als auch der zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik in ein gemeinsames
Programm zu fassen. Aus derzeitiger Sicht ist noch offen, welche Spielräume hier tatsächlich bestehen,
da die Europäische Kommission weiterhin Mindestvorgaben definiert und die nationalen Strategiepläne zu
genehmigen hat. Es gibt hier einen gewissen Spagat, zwischen mehr Flexibilität bei den Mitgliedsstaaten und
der europäischen Gemeinsamkeit der Agrarpolitik. Das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus
baut derzeit die erforderlichen Strukturen für die Erstellung des nationalen Strategieplanes auf, um demnächst
mit der Programmerarbeitung für Österreich zu beginnen.
"Auch hier fordert die Landwirtschaftskammer, dass wesentliche Eckpunkte wie die Sicherstellung der nationalen
Kofinanzierung, die Absicherung des Agrarumweltprogramms ÖPUL sowie der Bergbauern-, Bio-, Investitions- und
Junglandwirteförderung in ein künftiges Regierungsprogramm aufgenommen werden", betont Präsidentin
Langer-Weninger.
"Ich unterstütze prinzipiell den Zugang des neuen Grundprinzips in Form der Strategiepläne. Konkrete
Vereinfachungen auf Ebene der bäuerlichen Familienbetriebe sind unverzichtbar. Mehr nationaler Gestaltungsspielraum
darf aber nicht zu einer Renationalisierung führen," führt Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger aus.
Umsetzung für bäuerliche Betriebe machbar und praxistauglich gestalten Einstiegsvoraussetzungen und Auflagen
für die Gewährung von Direktzahlung sind auch für den typischen klein- und mittelbäuerlichen
Betrieb machbar zu gestalten. Dies betrifft insbesondere Umweltauflagen und administrative Anforderungen als Einstiegsvoraussetzungen
für die Gewährung von Direkt- und Ausgleichszahlungen im Rahmen der sogenannten "Konditionalität".
Von der Landwirtschaftskammer kritisiert werden insbesondere das vorgeschlagene Betriebsnachhaltigkeitsinstrument für Nährstoffe
(Nährstoffbilanzierung), das geplante Verbot vegetationsloser Böden und der geplante Mindestanteil an
Landschaftselementen.
"Es ist für die Bauernschaft nicht akzeptabel, dass einerseits die Auflagen für die Betriebe wesentlich
erhöht und andererseits die für die Bauern vorgesehenen Finanzmittel massiv gekürzt werden sollen.
Die Landwirtschaftskammer drängt vielmehr auf die vollständige Fortsetzung und den weiteren Ausbau von
freiwilligen Agrarumweltmaßnahmen. Diese erfahren sowohl in der Bauernschaft als auch bei Umweltorganisationen
und in der Gesellschaft eine hohe Wertschätzung. Es ist unverständlich, dass gerade hier Einschnitte
und Kürzungen vorgenommen werden sollen", erklärt Langer-Weninger.
Regelungen für Dauergrünlandwerdung überdenken
"Ein massiver Kritikpunkt in der Bauernschaft sind die bestehenden Regelungen zur Dauergrünlandwerdung.
Ackerflächen mit zB Wechselwiesen bzw. Feldgras- oder Kleegrasbeständen müssen spätestens nach
5 Jahren umgebrochen werden damit sie nicht zu Dauergrünland werden. Diese Regelung ist letztendlich auch
umweltpolitisch kontraproduktiv, da sie dazu führt, dass derartige Flächen praktisch in jedem Fall nach
5 Jahren umgebrochen werden um nicht zu Dauergrünland zu werden. Diese Maßnahme ist mittlerweile auch
in der Abwicklung äußerst kompliziert und führt vor allem zu einer zusätzlichen Mineralisierung
organischer Substanz mit der entsprechenden CO2-Freisetzung", erklärt Langer-Weninger.
Capping und Degression EU-weit umsetzen
Die Landwirtschaftskammer bekennt sich zu betriebsbezogenen Obergrenzen bei den Direktzahlungen durch Degression
und Capping, fordert aber eine EU-weit einheitliche Umsetzung dieser Obergrenzen und eine EU-weite Umverteilung
der dadurch einbehaltenen Finanzmittel. Derzeit zeichnet sich allerdings ab, dass selbst das von der EU vorgeschlagene
Modell in größeren EU-Mitgliedsländern weiterhin auf Ablehnung stößt. Bei diesen Überlegungen
haben vor allem die bäuerlichen Familienbetriebe als tragende Säule der EU- Landwirtschaft im Mittelpunkt
zu stehen. "Kleine und mittlere bäuerliche Familienbetriebe müssen wieder mehr ins Zentrum der Betrachtung
rücken. Eine stufenweise Deckelung der Direktzahlungen ist daher klar zu begrüßen. Die Deckelung
hat aber jedenfalls EU-weit einheitlich zu erfolgen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.", so Agrar-Landesrat
Max Hiegelsberger.
Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken
Neben den Verordnungsentwürfen zur künftigen GAP hat die EU-Kommission im April 2018 auch Vorschläge
zu unlauteren Handelspraktiken in der Lebensmittelversorgungskette vorgelegt. Im Rahmen des österreichischen
Ratsvorsitzes konnte mit den Vertretern des Europäischen Parlaments am 19. Dezember eine politische Einigung
darüber erreicht werden. Um unlautere Geschäftspraktiken zu verhindern, sieht die neue Richtlinie unter
anderem folgende Regelungen vor:
- Schriftliche Bestätigung getroffener Vereinbarungen.
- Keine rückwirkende Änderung vertraglicher Verpflichtungen.
- Keine Zahlungen sonstige geldwerte Leistungen ohne entsprechende
Gegenleistung.
- 60-Tage-Zahlungsfrist für nicht verderbliche landwirtschaftliche
Erzeugnisse und Lebensmittel vorgeschrieben.
- Mindestfrist von 30 Tagen für die Stornierung von Lieferungen
verderblicher Erzeugnisse
"Die Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken schafft ein Mindestmaß an Schutz für landwirtschaftlichen
Betriebe. Diese befinden sich in Vertragsverhandlungen oft in einer unvorteilhaften Situation. Aber nur mit fairen
Preisen können wir die Zukunft unserer Familienbetriebe sichern", so Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger.
Präsidentin Michaela Langer-Weninger pocht neben der Umsetzung der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung
von Zutaten bei Verarbeitungsprodukten und in der Gemeinschaftsverpflegung auch auf die von der Europäischen
Kommission angekündigte Preistransparenz im Einzelhandel: "Die Europäische Kommission will zukünftig
repräsentative Einkaufspreise des Lebensmitteleinzelhandels veröffentlichen. Mehr Transparenz bedeutet
auch mehr Fairness für die Landwirte. Der gleichberechtigte Zugang zu Preisinformationen macht deutlicher,
wie die Lebensmittelversorgungskette funktioniert und wo die wahren Preistreiber liegen."
Gemeinsame Agrarpolitik - Ausblick
Die neue Gemeinsame Agrarpolitik sollte eigentlich mit Beginn des Jahres 2021 in Kraft treten. Aufgrund des
bisherigen Verhandlungsfortschrittes und der aktuellen Unwägbarkeiten durch den BREXIT sowie der personellen
Neubesetzungen in den EU-Institutionen ist davon auszugehen, dass die Verhandlungen erst im kommenden Jahr in die
entscheidende Phase und damit zu einem Abschluss kommen. Erst nach Vorliegen aller EU-Rechtsgrundlagen können
die nationalen Strategiepläne fertig gestellt und bei der EU zur Notifizierung eingereicht werden. Es zeichnet
sich daher jetzt schon ab, dass die neue Gemeinsame Agrarpolitik mit ein- bis zweijähriger Verspätung
in Kraft treten wird und die Landwirtschaft neuerlich mit ein bis zwei Übergangsjahren bei den Direkt- und
Ausgleichszahlungen sowie mit einer damit verbundenen Rechtsunsicherheit konfrontiert sein wird. Während dieser
Übergangszeit sollen bisherige Programme mit Finanzierung aus dem neuen mehrjährigen EU-Finanzrahmen
fortgesetzt werden.
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