Neue Schlammbehandlungsanlage der ebswien hauptkläranlage liefert ab 2020 saubere Energie.
Smart City-Vorzeigebeispiel reduziert auch deutlich den CO2-Ausstoß
Wien (rk) - Seit April 2015 wird gebaut, nun nähert sich das Projekt „E_OS – Energie_Optimierung Schlammbehandlung“
der ebswien hauptkläranlage der Fertigstellung: Nach Reinvestition in die Becken der Vorklärung und
der 1. biologischen Reinigungsstufe und der Neuerrichtung einer Schlammbehandlungsanlage wird Wiens Kläranlage
ab 2020 aus Klärgas mehr Öko-Energie erzeugen als sie zur Abwasserreinigung benötigt. Bürgermeister
Michael Ludwig und Umweltstadträtin Ulli Sima überzeugten sich am 16. September in Simmering vom Baufortschritt.
„Wien gilt weltweit als Vorreiter in Sachen Smart City. Dabei verfolgen wir eine klare Strategie, bei der die Anliegen
und Ideen der Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner, aber auch die Impulse aus Wirtschaft, Technologie und Forschung
unter ein gemeinsames Ziel gestellt werden“, erklärte Bürgermeister Ludwig: „Was das ganz konkret bedeutet
und welchen Nutzen wir daraus ziehen, machen Projekte wie E_OS in der Wiener Hauptkläranlage deutlich. Durch
den intelligenten Einsatz von modernen Technologien wird hier schon in wenigen Monaten mehr Energie produziert
als tatsächlich verbraucht. Die Abwasserreinigung, die in anderen Städten einen der größten
kommunalen Energieverbraucher darstellt, erfolgt bei uns zukünftig energieautark. Wir gewinnen auch noch sauberen
Strom und Wärme und senken damit auch deutlich den CO2-Ausstoß.“
Kläranlagen gehören in der Regel zu den größten kommunalen Energieverbrauchern, die Wiener
Hauptkläranlage benötigt zur Reinigung der gesamten in der Stadt anfallenden Abwässer knapp ein
Prozent des Wiener Gesamtstromverbrauchs. Die zuständige Stadträtin Ulli Sima: „Die Hauptkläranlage
wird mit E_OS zum Öko-Kraftwerk. Davon profitiert die Wiener Klimabilanz erheblich: Der Ausstoß von
CO2-Äquivalenten sinkt um rund 40.000 Tonnen pro Jahr.“ Das Projekt E_OS stellt eine logistische Herausforderung
dar, so Sima: „Der Bau erfolgt bei laufendem Betrieb der Kläranlage. Die Qualität der Abwasserreinigung
muss dabei zu jedem Zeitpunkt garantiert sein. Diese schwierige Aufgabe hat das Team der ebswien bisher perfekt
gemeistert.“ Genauso erfreulich sei ein weiterer Aspekt, ergänzte die Stadträtin: „Die Schlammbehandlungsanlage
wird Mitte 2020 ihren Betrieb aufnehmen, die ebswien hält bei E_OS damit sowohl Zeit- als auch Kostenplan
ein.“
Ab dem ersten vollen Betriebsjahr 2021 stellt sich die Energiebilanz der ebswien hauptkläranlage wie folgt
dar:
Strom
Verbrauch: 63 GWh/a
Erzeugung: 78 GWh/a
Wärme
Verbrauch: 40 GWh/a
Erzeugung: 82 GWh/a
Innovation: Mehr Energie durch gute Ideen
„Bei Schlammfaulungsanlagen stand früher vor allem die Reduktion des Klärschlamms, der als >Reststoff<
bei der Abwasserreinigung anfällt, im Mittelpunkt des Interesses“, erläuterte ebswien-Generaldirektor
Christian Gantner, „die gewonnene Energie war dabei nur ein angenehmer Nebeneffekt. Bei E_OS war hingegen von Anfang
die größtmögliche Energieausbeute unser Ziel.“ So entwickelte die ebswien hauptkläranlage
gemeinsam mit dem Institut für Gewässergüte der Technischen Universität Wien ein innovatives
Verfahren. Bevor der Schlamm in die Faulbehälter gelangt, muss ihm Wasser entzogen werden. Je „dicker“ der
Schlamm dabei ist, desto besser für die Energiebilanz. Der Schlamm muss für die Faulung nämlich
einschließlich des enthaltenen Wassers erwärmt werden. Ein geringerer Wasseranteil spart dabei Energie.
Zu „dick“ darf der Schlamm aber auch nicht werden, da er sonst nicht mehr gepumpt werden könnte. Gantner:
„Umfangreiche Versuche haben unsere Annahmen eindrucksvoll bestätigt, wir können die neuen Faulbehälter
mit einem doppelt so hohen Feststoffgehalt wie üblich betreiben.“ Gute Ideen bringen also nicht nur mehr Energie,
sie sparen auch (Bau-)Kosten: Durch das neue Verfahren kommt die ebswien mit halb so vielen Faulbehältern
aus.
So funktioniert die neue Schlammbehandlungsanlage
Im Klärschlamm sind die bei der Abwasserreinigung entfernten Schmutzstoffe gebunden, pro Jahr fallen in
Wien rund zwei Millionen Kubikmeter davon an. Das sichtbarste Zeichen der neuen Schlammbehandlungsanlage sind die
sechs jeweils 30 Meter hohen Faulbehälter mit einem Gesamtvolumen von 75.000 Kubikmeter. Dorthin gelangt der
„voreingedickte“ und auf 38 Grad Celsius erwärmte Schlamm. Unter Luftabschluss bauen Bakterien die organischen
Inhaltsstoffe des Klärschlamms ab. Während des 25 Tage dauernden Faulungsprozesses – der „anaeroben Stabilisierung“
– entsteht Klärgas, das zu zwei Drittel aus dem energiereichen Methan (CH4) besteht. Davon fallen 20 Millionen
Kubikmeter pro Jahr an! Der ausgefaulte Schlamm wird aus den Faulbehältern abgezogen und verbrannt. Das Klärgas
hingegen gelangt über Filteranlagen von den Gasbehältern in Blockheizkraftwerke, wo es in Gasmotoren
verbrannt wird. Dabei entsteht nicht nur mechanische Energie, die mittels Generatoren in elektrischen Strom umgewandelt
wird, sondern auch Wärme, die für Heizung und Warmwasserbereitung verwendet werden kann. Dadurch bringen
es die Blockheizkraftwerke auf einen hohen Gesamtwirkungsgrad von mehr als 80 Prozent.
Platz für den Klimaschutz
Seit 1980 standen sie im Dauerbetrieb: Die Becken der Vorklärung und der 1. biologischen Reinigungsstufe
hatten das Ende ihres Lebenszyklus erreicht. Die nötige Reinvestition in diese „Ur“-Anlage bringt auch in
diesem Teil der Hautkläranlage mehr Energieeffizienz, steigert die Ausfallssicherheit und senkt die Instandhaltungskosten.
Das Volumen der Becken im zehn Hektar großen Baufeld wurde im Rahmen von E_OS um 50 Prozent vergrößert.
Da die Belebungs- und Zwischenklärbecken aber nun deutlich höher sind, kommen sie mit einer wesentlich
kleineren Grundfläche aus. Der dadurch freiwerdende Platz konnte für die neue Schlammbehandlungsanlage
– und damit für den Klimaschutz – genutzt werden.
Projektverlauf E_OS
- 2010: Auftrag an die ebswien hauptkläranlage zur Erstellung
einer Machbarkeitsstudie
- 2011: ebswien legt positive Machbarkeitsstudie vor
- 2012: Umsetzung des Projekts E_OS wird einstimmig im Wiener
Gemeinderat beschlossen
- 2013: Inbetriebnahme Versuchsanlage, Umweltverträglichkeitsprüfung
(UVP)
- 2014: positiver UVP-Bescheid; europaweite Ausschreibungsverfahren
- 2015: Grundsteinlegung & Baubeginn
- 2016: Inbetriebnahme Vorklärung West
- 2017: Inbetriebnahme 1. biologische Reinigungsstufe Süd
- 2018: Vorklärung zur Gänze in Betrieb, Inbetriebnahme
Belebung 1. biologische Reinigungsstufe Nord
- 2019: Fertigstellung 1. biologische Reinigungsstufe Nord
(Zwischenklärung)
- 2020: Maschinentechnische Ausrüstung Schlammbehandlung
- Inbetriebnahme Schlammbehandlung
Wir klären alles – ab 2020 mit Ökostrom aus eigener Produktion
Seit 1980 reinigt die Hauptkläranlage in Simmering das gesamte Abwasser der Wienerinnen und Wiener, mehr als
6.000 Liter Abwasser gelangen pro Sekunde in die Anlage. In 20 Stunden durchläuft das Abwasser eine mechanische
und zwei biologische Reinigungsstufen, in denen sich die 169 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ebswien hauptkläranlage
die Natur zum Vorbild nehmen. Mehr als 100.000 Kilogramm Schmutzstoffe werden dem Abwasser Tag für Tag entzogen.
Über den Donaukanal fließt das gereinigte Abwasser in die Donau, ohne deren Wasserqualität zu beeinträchtigen.
Wir klären also alles und sorgen dafür, dass die Donau blau bleibt. Ab 2020 zur Gänze mit Ökostrom
aus eigener Produktion.
|