Jury würdigt Königshofers „poetische wie auch wissenschaftskompatible Übersetzungsarbeit
zu Wahrnehmungsphänomenen von Zeit, Atmosphäre und Raum“.
Graz (diözese) - Im Rahmen eines Festakts im Kulturzentrum bei den Minoriten wurde am 11. Oktober
der Preis der Diözese Graz-Seckau für zeitgenössische Kunst verliehen. Eine neunköpfige Jury
hat aus sieben aktuellen Positionen steirischer Künstlerinnen und Künstler, die derzeit in der Ausstellung
„Phantastisches Wissen, innerlich durchleuchtet“ im Kultum Graz zu sehen sind, die Werke von Ulrike Königshofers
Medieninstallationen „Same time, Different Time“, „Sunset Recordings“ und „Wind“ als Siegerwerke auserkoren. Diözesanbischof
Wilhelm Krautwaschl überreichte den mit 10.000 Euro dotierten Preis an die Künstlerin.
Die Jury begründete ihre Entscheidung mit Königshofers „poetischen wie auch wissenschaftskompatiblen
Übersetzungsarbeit zu Wahrnehmungsphänomenen von Zeit, Atmosphäre und Raum“. „Über den Einsatz
visueller und apparativer Medien gelingt es der Künstlerin, trockene Physik in eine poetische Phänomenologie
zu transferieren: Physik und raumzeitlich different erfahrbare Sensationen werden eins im subjektiven Welterleben.
Die Betrachterin, der Betrachter steht an der Schwelle, an der Achse, und wird wie in einem ‚magischen‘ Prozess
zum Berührungs- und Verbindungspunkt der ausgestellten künstlerischen Arbeiten“, so Walter Prügger,
der stellvertretend für die Jury die Begründung verlas.
Krautwaschl: Kirche und Kunst gehen vom Leben der Menschen aus
Kirche und Kunst seinen Partnerinnen, betonte Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl in seinem Grußwort.
Die Katholische Kirche in der Steiermark gehe „vom Leben der Menschen heute“ aus, welches „schön und bedroht
zugleich wie kaum zuvor“ sei. Alleine in den vergangenen Tagen waren freudige Nachrichten – der Literaturnobelpreis
für Peter Handke – und zutiefst tragische Nachrichten – dem entsetzlichen Attentat auf eine Synagoge im deutschen
Halle – direkt aufeinander gefolgt. „Ich möchte auch der Kunst zutrauen, nicht zuletzt erneut in Anbetracht
dieses aktuellen Ereignisses, dass sie unser Leben, das Leid, den Schmerz, Bedrohungen et cetera transzendieren
hilft“, so Krautwaschl.
Rauchenberger: Nachdenken über die Wahrnehmung und die Verantwortung unserer Welt
Alle in der Ausstellung zum Diözesanen Kunstpreis präsentierten Werke würden die Betrachter „hinein
in ein Nachdenken über die Wahrnehmung und die Verantwortung unserer Welt“ führen, unterstrich der Leiter
des Kulturzentrums bei den Minoriten, Johannes Rauchenberger. Die Ausstellungseröffnung und die Verleihung
des Kunstpreises seien bewusst getrennt worden, „damit von Anfang an auf alle ein Licht fällt“.
Riegler: Schönheit des Inneren erkennen
Der Grazer Kulturstadtrat Günter Riegler betonte in seinen Grußworten die Qualität der Werke der
sieben Künstlerinnen und Künstler. „Jedes einzelne von ihnen ist preiswürdig.“ Nicht nur in der
Kunst würde es die nähere Betrachtung brauchen, „um die Schönheit des Inneren zu erkennen“. „Großer
Dank gilt an dieser Stelle der Diözese Graz-Seckau, welche die Fragestellung um die Bedeutung und die Kraft
von künstlerischer Forschung zum Anlass genommen hat, um einen Kunstpreis zu verleihen. Für die fachkundige
Jury war es sicherlich kein Leichtes eine Entscheidung für nur ein Kunstwerk zu treffen. Ich gratuliere allen
Künstlerinnen und Künstlern sehr herzlich zu ihren Arbeiten“, so Riegler.
Über die Preisträgerin
Ulrike Königshofer, geboren 1981 in Koglhof, besuchte die Ortweinschule in Graz und studierte anschließend
an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Die Künstlerin befasst sich mit verschiedenen Aspekten
der menschlichen Wahrnehmung, vor allem in Fotografie- und Medienarbeiten und Installationen. Sie zeigte Einzelausstellungen
u.a. im Austrian Cultural Forum New York („Sense and Record“), in der Halle für Kunst und Medien in Graz („Dinge,
die andere Dinge sind“) oder kürzlich in der Galerie Marenzi in Leibnitz („Über das Nichts“) und baute
im Projektraum des Kunsthauses Graz die Spiegelinstallation „Durchblickapparat“.
Die prämierten Werke von Ulrike Königshofer
„Same time, Different Time“
Eine Videoaufnahme zeigt den Sonnenaufgang in Wien, die andere zeitgleich den Sonnenuntergang auf der anderen Seite
der Welt, in Los Angeles. Im alltäglichen Erleben ist es entweder Tag oder Nacht. Diese mögen aus einer
objektiven Sicht nur verschiedene Blickwinkel sein auf dasselbe Ereignis - in der subjektiven Betrachtung sind
sie das genaue Gegenteil voneinander. Überall auf der Erde sieht man dieselbe Sonne. Der Horizont aber ist
ein anderer. Durch das Verschieben der Perspektive lässt Ulrike Königshofer dasselbe Ereignis völlig
anders erscheinen.
„Wind“
Durch die Bewegung eines kleinen Stromgenerators, der an einem Windrad befestigt war, wurde Wind in Form elektrischer
Signale aufgezeichnet. In entsprechender Verstärkung wird er an einem Ventilator wieder abgespielt, der so
den Wind von einem bestimmten Tag und Ort im Ausstellungsraum reproduziert.
„Sunset Recordings“
Licht bei Sonnenuntergang wurde auf Diafilm aufgezeichnet und wird im Ausstellungsraum über einen Diaprojektor
wiedergegeben.
Über den Diözesanen Kunstpreis
Der Preis der Diözese Graz-Seckau für zeitgenössische Kunst wurde erstmals 1985 verliehen. Zu den
Preisträgerinnen und Preisträgern der vergangenen Jahre zählen unter anderem Hannes Priesch, Ingeborg
Strobl, Wolfgang Rahs, Michael Kienzer, G.R.A.M., Muntean/Rosenblum, Markus Wilfling, Constantin Luser, Lotte Lyon
und das Künstlerpaar zweintopf. Preisträgerin 2019 ist Ulrike Königshofer für ihre Medieninstallationen
„Same time, Different Time“ und „Wind“. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert.
Die Ausstellung zum Diözesanen Kunstpreis 2019 „Phantastisches Wissen, innerlich durchleuchtet“ ist noch bis
9. November 2019 im KULTUM Graz (Mariahilferplatz 3, 8020 Graz) zu sehen. Nähere Informationen zur von Katrin
Bucher Trantow, Roman Grabner, Astrid Kury kuratierten Ausstellung, den Werken und Kunstschaffenden finden Sie
unter http://www.kultum.at/.
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