Der Mittelalterforscher Walter Pohl und die Molekularbiologin Joanna Loizou werden mit hochdotierten
europäischen Förderpreisen für ihre multidisziplinären Forschungen ausgezeichnet.
Brüssel/Wien (öaw) - Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) hat zwei
neue hochrangige Förderpreise an Forscher/innen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW)
vergeben: Walter Pohl, Direktor des Instituts für Mittelalterforschung der ÖAW, und Joanna Loizou, Gruppenleiterin
am CeMM – Forschungszentrum für Molekulare Medizin der ÖAW, erhalten jeweils einen ERC Synergy Grant.
Mit dem bis zu 10 Millionen Euro dotierten Preis werden neue fächerübergreifende Vorhaben mit internationalen
Partnern zur Erforschung des frühen Mittelalters und zur Entschlüsselung von DNA-Reparaturmechanismen
ermöglicht.
Migration in der Zeit der Völkerwanderung
Woher kamen die Völker der „Völkerwanderung“? Welche Spuren hinterließen die vielen Zu- und Abwanderungen
in den frühmittelalterlichen Gesellschaften Europas? Fragen wie diesen wird Walter Pohl gemeinsam mit Partnern
des Max-Planck-Instituts in Jena, des Institute for Advanced Study in Princeton und der Universität Budapest
nachgehen. Im Projekt HistoGenes (Integrating genetic, archaeological and historical perspectives on Eastern Central
Europe, 400-900 AD) werden unter österreichischer Projektleitung Historiker/innen, Archäolog/innen, Genetiker/innen,
Anthropolog/innen und Spezialist/innen weiterer Bereiche ca. 6.000 Grabfunde mit neuesten wissenschaftlichen Methoden
analysieren und genetisch als auch historisch kontextualisieren.
Das Wiener Team rund um Walter Pohl, dem neben der ÖAW auch Forscher/innen des Naturhistorischen Museums Wien
und der Universität Wien angehören, verspricht sich von diesem Vorhaben an den Grenzen mehrerer Fächer
völlig neuartige Perspektiven auf das frühe Mittelalter. „Mit den Projektergebnissen wird es erstmals
möglich sein, die vielfältigen Migrationen während der ‚Völkerwanderungszeit‘ nachzuvollziehen“,
betont Pohl. „Dadurch entsteht ein neues Gesamtbild der Lebensverhältnisse der Menschen vor 1.500 Jahren“,
so der Mittelalterforscher weiter. Gefördert werden die Wiener Beiträge zu dem Forschungsvorhaben mit
2,4 Millionen Euro aus dem ERC Synergy Grant. Für Pohl, der auch Mitglied der ÖAW ist, ist es nicht die
erste Auszeichnung des ERC. Der FWF-Wittgensteinpreisträger (2004) und Professor für mittelalterliche
Geschichte an der Universität Wien erhielt 2010 bereits einen Advanced Grant.
Entschlüsselung des DNA-Reparatursystems
Wichtige Einblicke in die Überwachungs- und Reparaturmechanismen des menschlichen Genoms gewinnen will die
Molekularbiologin Joanna Loizou. In dem ebenfalls mit einem ERC Synergy Grant geförderten Forschungsprojekt
DDREAMM (DNA Damage Response: Actionabilities, Maps and Mechanisms) wird sie dazu gemeinsam mit Projektpartnern
der ETH Zürich und der Universität Cambridge modernste wissenschaftliche Methoden der Geneditierung und
der chemischen Biologie zur Anwendung bringen. Dem Wiener Team stehen dazu 2,95 Millionen aus dem ERC Synergy Grant
zur Verfügung.
Joanna Loizou gilt international als Expertin in der Erforschung der Reaktionswege, mit denen Zellen auf DNA-Schäden
reagieren, um das Genom zu schützen und die Entstehung von Krebs und anderen Krankheiten zu verhindern. „Der
ERC Synergy Grant ermöglicht es, weiter am grundlegenden, molekularen Verständnis der DNA-Reparatur zu
arbeiten“, so Joanna Loizou, die seit 2011 als Gruppenleiterin am CeMM der ÖAW forscht.
52 ERC Grants an ÖAW
Mit den zwei neuen Synergy Grants erhöht sich die Anzahl der seit 2007 an ÖAW-Forscher/innen insgesamt
vergebenen Preise des ERC auf 47 ERC Grants und 5 Proof of Concept Grants. An weiteren 10 ERC Grants war die Akademie
maßgeblich beteiligt.
Insgesamt konnte die ÖAW bereits mehr als 85 Millionen Euro an ERC-Förderungen nach Österreich holen.
Die Akademie zählt bei der Zuerkennung der europäischen Forschungsförderpreise damit zu den erfolgreichsten
Forschungseinrichtungen Österreichs.
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