SPÖ und Grüne sehen Investitionen in die Zukunft gefährdet
Wien (pk) – Die auf Basis eines gemeinsamen Antrags von ÖVP, FPÖ und NEOS in der letzten Nationalratssitzung
beschlossene Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung ist am 10. Oktober im Bundesrat an der notwendigen
Zweidrittelmehrheit gescheitert. Sowohl die 21 SPÖ-VertreterInnen als auch die zwei Grünen BundesrätInnen
lehnten die Verfassungsnovelle, die auch in die Kompetenzen der Länder eingegriffen hätte, in namentlicher
Abstimmung ab. 38 Pro-Stimmen reichten für einen Beschluss nicht aus.
Die SPÖ und die Grünen führten als Kritik vor allem ins Treffen, dass dadurch Investitionen in die
Zukunft der Menschen nicht mehr möglich sein würden. Außerdem habe sich die Maßnahme in Deutschland
als Fehlentscheidung herausgestellt, argumentierten etwa Bundesrat Ingo Appé (SPÖ/K) und Ewa Ernst-Dziedzic
(Grüne/W).
Die - derzeit nur im Bundeshaushaltsgesetz festgeschriebene – Schuldenbremse soll gewährleisten, dass der
Staat über einen Konjunkturzyklus hinweg ausgeglichen bilanziert und die Ausgaben nicht dauerhaft über
den Einnahmen liegen. Die Gebietskörperschaften wären somit verpflichtet, in konjunkturell hervorragenden
Jahren einen Überschuss zu erzielen, um notwendige Investitionen in schlechten Jahren finanzieren zu können.
Ausnahmeregelungen sind für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen vorgesehen.
Im konkreten müssten Länder und Gemeinden danach trachten, dass der Nettofinanzierungsbedarf der allgemeinen
Gebarung insgesamt 0,1% des nominellen Bruttoinlandsprodukts nicht überschreitet.
Kontroverse Debatte: Nachhaltige Budgetpolitik versus Investitionsbremse
Die SPÖ erachtet die Schuldenbremse als eine Investitionsbremse und nannte sie ferner "Zukunftsbremse"
sowie "Klimabremse". Der Staat müsse vorsorgen können, um etwa Arbeitsmarkt- und Bildungsprogramme
sowie Maßnahmen im Sinne des Klimaschutzes finanzieren zu können, so der Tenor der roten BundesrätInnen.
Um ein zukunftstaugliches Land an die Folgegenerationen zu übergeben, dürfe man nicht daran gehindert
werden, langfristig nachhaltige Investitionen zu tätigen, so die Ansicht von Bundesrätin Korinna Schumann
(SPÖ/W). Das Budget brauche Flexibilität für Investitionsspielraum, wenngleich ein sparsamer Mittelumgang
sinnvoll sei - dafür würde die bereits bestehende einfachgesetzliche Schuldenbremse genügen.
"Wer bremst, verliert" meinten Ingo Appé (SPÖ/K) und Rudolf Kaske (SPÖ/W). Das würde
sich besonders gut am deutschen Modell der Schuldenbremse zeigen, die sich mittlerweile als Fehlentscheidung herausgestellt
habe. In dem "verlorenen Jahrzehnt" seien in Deutschland wichtige Investitionen auf der Strecke geblieben.
Wer heute nicht in die Zukunft investiert, verspiele die Zukunft des Landes, sagte Bundesrat Kaske. Dass insbesondere
Klimaschutz als öffentliches Gut einer öffentlichen Finanzierung bedarf, hob Appé hervor. Immerhin
seien hier auch EU-Strafzahlungen zu befürchten. Daher appellierte er, eine Klimaschutzmilliarde als Sofortmaßnahme
zu beschließen.
Auch aus Sicht der Grünen Bundesräte würde eine verfassungsverankerte Schuldenbremse Investitionen
in den Klimaschutz blockieren und weitreichende Konsequenzen für künftige Generationen mit sich bringen.
Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne/W) betonte, dass die "Investitionsbremse" in Widerspruch zur Erreichung
der Pariser Klima-Ziele sowie zu sozialpolitisch notwendigen Maßnahmen stünde. Auch sie kritisierte
die Orientierung am deutschen Modell. Dieser Holzweg habe einen immensen Investitionsstau mit sich gebracht. Enorme
Auswirkungen seien ebenso auf die Länder und Gemeinden zu befürchten. Im Falle einer ökonomischen
Krise müsste bei der sozialen Infrastruktur, etwa beim Verkehr oder im Gesundheitswesen, eingespart werden,
meinte die Grüne Bundesrätin.
Die Schuldenbremse als wirtschaftsfeindlich zu bezeichnen, sei artfremd, sagte Bundesrat Reinhard Pisec (FPÖ/W)
zur Kritik von SPÖ und den Grünen. Die Schuldenbremse sei vielmehr ein wirtschaftspolitisches Steuerinstrument
mit der Essenz, von der Schuldenpolitik Abstand nehmen zu können. Auch habe die Maßnahme in Deutschland
zur Erzielung eines Budgetüberschusses geführt.
Dass die Schuldenbremse Investitionen behindern könnte, verneinte die ÖVP. Zukunftsinvestitionen und
Schuldenbremse würden einander nicht ausschließen, argumentierten Christian Buchmann (ÖVP/St) und
Klara Neurauter (ÖVP/T). Ziel der Schuldenbremse sei die Sicherstellung des Finanzierungshaushalt durch Begrenzung
staatlicher Haushaltsdefizite oder Staatsschulen, erläuterte Buchmann. Sie verpflichte zwar die Regierung
und das Parlament bestimmte Grenzen einzuhalten – Ausnahmen seien aber selbstverständlich.
Weil der Weg der Schulden nicht der richtige sei, wolle man den Weg der Schuldenverringerung fortsetzen, so Neurauter.
Es gelte außerdem, die finanziellen Mittel mit Augenmaß zu verwenden und keine neuen Schulden auf Kosten
der neuen Generationen machen. Da ein Gesetz im Verfassungsrang besondere Bedeutung habe, würde es zeigen,
dass man es mit dem Sparen wirklich ernst meint, sagte die ÖVP-Bundesrätin.
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