Veranstaltung zur Geschlechtergleichstellung in den sozialen Medien
Wien (bka) - „Geschlechtergleichstellung zu stärken heißt, das Thema in jedem gesellschaftlichen
und politischen Raum mitzugestalten, ob in der Online- oder Offline-Welt. Wobei die Online-Welt und sozialen Medien
für viele, ganz besonders für junge Menschen, der wichtigste Kommunikationsraum sind“, sagte Ines Stilling,
Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend, bei der Eröffnung der 11. Veranstaltung der Reihe „Gleichstellung
im Gespräch“ am 8. Oktober im Bundeskanzleramt. Diesmal stand das Thema „Geschlechtergleichstellung in den
sozialen Medien“ im Mittelpunkt der Expertinnen- und Expertengespräche.
Potenzial der sozialen Medien für Gleichstellung nutzen
„Plattformen wie Twitter, Instagram oder Facebook prägen Werte und Haltungen zur Geschlechtergleichstellung.
In Online-Debatten können sich Diskriminierung oder Chancengleichheit entwickeln. Gleichzeitig muss uns immer
bewusst sein, dass diese Informationen kürzer, selektiver und diffuser sind als in Medien wie Fernsehen oder
Zeitung. Es ist auch deutlich schwieriger geworden, den Wahrheitsgehalt zu überprüfen“, so Stilling.
Als Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend werde ihr von vielen Seiten immer wieder das steigende
Problem der Online-Gewalt berichtet. Folglich sei es wichtig, „Regeln für neue Online-Räume aktiv mitzugestalten“.
Wie dies in der digitalen Welt funktionieren könne, sei allerdings „oft nicht so klar“.
„Über den Algorithmus, der hinter unseren Profilen läuft und vorschlägt, wem wir online ‚folgen
sollen‘, findet wenig gesellschaftliche Debatte statt“, so die Ministerin. Für viele Nutzerinnen und Nutzer
sei daher auch nicht nachzuvollziehen, ob und wie dieses System geändert oder beeinflusst werden könnte.
Notwendig sei es in jedem Fall, dass Betreiber sozialer Medien Verantwortung übernehmen und entsprechend reagieren,
wenn sie als Plattform für sexistische Kommentare oder Hasspostings benutzt werden. „Wir dürfen nicht
wegsehen, denn Gewalt und Diskriminierung über die Kanäle der sozialen Medien haben Auswirkungen auf
das alltägliche Leben der Betroffenen“, appellierte Ines Stilling.
Inszenierung von Weiblichkeit in Online-Medien
Laura Wiesböck vom Institut für Soziologie der Universität Wien lenkte in ihrer Einführung
den Blick darauf, wie Weiblichkeit in den Online-Medien inszeniert wird. Der natürliche Frauenkörper
werde dabei zu einem Tabu, die idealisiert dargestellte Weiblichkeit im Sinne gängiger Schönheitsideale
werde dagegen verherrlicht und zu einem Statussymbol. Diese „Warenhaftigkeit des Frauenkörpers“ diene konsumorientierten
Ideologien. Jegliche Abweichungen vom Idealbild würden als „Nichtentsprechung“ abgewertet. Die Möglichkeiten
der digitalen Bildbearbeitung forcieren diesen Trend. Soziale Medien würden damit „Frauen als sexuell verfügbare
Objekte“ visualisieren und sie auf diese Rolle reduzieren, so die Soziologin.
Im anschließenden Podiumsgespräch diskutierten unter der Moderation von Gerhard Wagner vom Verein HeForShe
Vienna neben Laura Wiesböck die Podcasterin Beatrice Frasl, Christian Berger von der Arbeiterkammer Wien,
die Journalistin und Autorin Ingrid Brodnig, seit 2017 Digital Champion Österreichs, sowie Kristina Hametner
vom Büro für Frauengesundheit der Stadt Wien. Immer wiederkehrender Tenor der Debatte war, dass der Online-Diskurs
nicht jenen überlassen werden dürfe, die Gewalt, Feindbilder und Diskriminierung schüren. Um dem
entgegenzuwirken sei es notwendig, sich solidarisch zu zeigen und dem Hass im Internet etwas entgegen zu setzen.
Das sei vor allem durch eine aktive Beteiligung an Online-Debatten möglich.
Solidarische Netzwerke aufbauen
Ingrid Brodnig wies darauf hin, dass geschlechtsbezogene Klischees oft unreflektiert übernommen würden
und sich online noch weiter verstärken. Daher müsse, so Beatrice Frasl, eine feministische Gegenöffentlichkeit
aufgebaut werden. Hilfreich dabei sei es, die immer selben Muster der Hasspostings aufzuzeigen und gängige
Argumentationsstrukturen zu entlarven. „Dort wo es notwendig ist, müssen wir auch Widerstand leisten“, appellierte
Christian Berger, der sich zudem für einen verwaltungsstrafrechtlichen Tatbestand gegen verbale Gewalt im
Internet aussprach. Brodnig betonte auch die Bedeutung von „Empowerment“, indem solidarische Netzwerke aufgebaut
und aktiviert werden, um Sachargumente einzubringen und Klischees aufzudecken. Dabei könnten auch humorvolle
Reaktionen helfen. Kristina Hametner verwies dazu auf eine Videoreihe des Wiener Büros für Frauengesundheit,
in dem mit parodistischen Videoclips auf YouTube ein Gegenpol zu den gängigen Fitness- und Beauty-Beiträgen
geschaffen wird. „Wir müssen eine Gegenwelt zu den Ungleichbehandlungen im Internet schaffen, und zwar mit
den gleichen Mitteln wie die anderen“, so Hametner.
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