Von 27.09.2019–20.01.2020 im Leopold Museum
Wien (leopoldmuseum) - Richard Gerstl (1883–1908) stand am Beginn einer vielversprechenden Karriere, die
aufgrund seines frühen Todes jäh abbrach. Neben der Malerei zeigte Gerstl außerordentliches Interesse
an Philosophie, Psychologie, Musik und Literatur. Eine zentrale Rolle in seinem Leben spielte sein enger Kontakt
mit dem Musikerkreis um den Komponisten Arnold Schönberg. Die Freundschaft mit Schönberg fand im Sommer
1908 ihr Ende, als bekannt wurde, dass Gerstl eine Liebesbeziehung mit Mathilde Schönberg unterhielt. In der
Folge verlor Gerstl alle Kontakte zum Schönberg-Kreis und stürzte, vereinsamt und isoliert, in eine Depression,
die in der Nacht vom 4. zum 5. November 1908 mit Suizid endete. Aufgrund von Gerstls zurückgezogener Lebensweise
sowie seiner beharrlichen Weigerung seine Werke in Ausstellungen zu zeigen, die auch nach seinem Tod für lange
Zeit in einem Depot lagerten und erst 1931 durch Otto Kallir-Nirenstein präsentiert wurden, nimmt seine Kunst
international betrachtet eine nach wie vor relativ unbekannte Außenseiterposition ein. Wenngleich die Personalen
2017/18 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt und in der Neuen Galerie in New York Bedeutendes auf dem Weg zu seiner
Wiederentdeckung geleistet haben. Mehr als 25 Jahre nach der letzten monografischen Schau in Österreich, widmet
das Leopold Museum Richard Gerstl eine umfassende Präsentation, welche darüber hinaus erstmals eine vertiefende
Auseinandersetzung mit Vorbildern, Zeitgenossen des Künstlers und Gegenwartskünstlern anstellt. In den
rund 70 Werken, die sich erhalten haben und von denen das Museum Dank Sammler Rudolf Leopold 16 Werke besitzt,
drückt sich eine zunehmende Absage gegen jegliche akademische Maltradition aus. Gerstls Arbeitsweise zeigt
eine hohe Bereitschaft zu gestalterischen Experimenten, die ausgehend vom Pointillismus über eine ausdrucksstarke
gestische Malweise bis hin zur Formauflösung führen. Mögliche Anregungen für Gerstls Malweise
lieferten u.a. die Werke von Edvard Munch, Vincent van Gogh, Pierre Bonnard oder etwa Lovis Corinth.
Eine vertiefende Auseinandersetzung wird im Zuge dieser Präsentation jedoch nicht nur möglichen Vorbildern
und Zeitgenossen Gerstls gewidmet, sondern auch GegenwartskünstlerInnen. Der Bogen jener Schaffenden, die
Gerstl schätzen und – insbesondere sein expressionistisches Spätwerk – bewundern, reicht von Martha Jungwirth
bis Georg Baselitz und Paul McCarthy. Manch einer der hier Genannten rezipierte die von Werner Hofmann auf der
Biennale von Venedig 1956 gezeigten zehn Leinwände Richard Gerstls. Auf diese Weise tritt sein Werk in einen
spannungsreichen, inhaltlichen wie formalästhetischen Dialog mit wahlverwandten Bildwelten anderer KünstlerInnen:
Die Kontextualisierung von Gerstls OEuvre innerhalb der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts schließt Vergangenheit
und Gegenwart kurz.
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