Wien (provenienzforschung) - Der Kunstrückgabebeirat beschloss in seiner 94. Sitzung am 18. Oktober
Empfehlungen zu Rückgaben von vier Fossilien und zwei Druckschriften aus dem Naturhistorischen Museum Wien.
Der Wiener Straßenbauingenieur Fritz Illner und seine Frau Anna übersiedelten 1933 nach Nizza. Ihre
Töchter Herta und Rita blieben in Wien, wo sie zusammen mit Anna Illners Schwester, Irma Bondy, in der elterlichen
Wohnung wohnten. Vom NS-Regime als jüdisch verfolgt, flohen die drei Frauen im November 1938 ebenfalls nach
Frankreich. Während Fritz und Anna Illner sowie Irma Bondy wohl über das französische Sammellager
Drancy nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurden, überlebten Herta und Rita den Krieg mit gefälschten
Dokumenten. Im Juni 1938 hatte Irma Bondy vier fossile Objekte ihres Schwagers an das Naturhistorische Museum verkauft.
Sie stammten von einem berufsbedingten Aufenthalt in der Türkei, wo sie Illner selbst aufgesammelt hatte.
Da der Verkauf der Objekte im offensichtlichen Zusammenhang mit der Flucht Irma Bondys und der beiden Töchter
des Eigentümers Fritz Illner stand, empfahl der Beirat die Übereignung an die Erben nach Fritz Illner.
James Klang, geboren als Jacob Moses Klang, war Jurist und Generaldirektor der k. k. priv. Versicherungsgesellschaften
Österreichischer Phoenix. Er versah die Bücher seiner umfangreichen Bibliothek mit einem Exlibris mit
der Aufschrift „Doris J. Klang“. Sein Sohn, Heinrich Klang, ebenfalls Jurist, Richter, außerordentlicher
Universitätsprofessor und bis heute als Herausgeber des Kommentars zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch
bekannt, erbte die Bibliothek seines Vaters nach dessen Tod 1914. Nach dem „Anschluss“ 1938 wurde ihm aufgrund
seiner jüdischen Herkunft die Lehrbefugnis entzogen. Sämtliche Versuche zu flüchten misslangen,
und Klang begann nach und nach seinen Besitz zu veräußern. In seinen eigenen Worten fiel ihm die „Trennung
von meiner Bücherei, mit deren Sammlung schon mein Vater begonnen hatte“, am schwersten. 1940 und 1942 kaufte
das Naturhistorische Museum zwei Bücher mit dem Exlibris von James Klang vom Antiquar Alfred Wolf, der sie
zuvor von Heinrich Klang erworben hatte. Zu dieser Zeit, 1942, wurde Heinrich Klang in das NS-Ghetto Theresienstadt
deportiert, wo er Vormundschaftsrichter und Leiter des „Ghettogerichts“ wurde. Er überlebte das Ghetto und
kehrte 1945 nach Wien zurück, wo er unter anderem als Vorsitzender der Obersten Rückstellungskommission
wirkte. Da der Verkauf seiner Bibliothek in offensichtlichem Zusammenhang mit der Verfolgung durch das NS-Regime
stand, empfahl der Beirat die Rückgabe der Bände an die Erben nach Heinrich Klang.
Die Beschlüsse sind im Wortlaut auf der Webseite der Kommission für Provenienzforschung unter http://www.provenienzforschung.gv.at wiedergegeben.
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