Die Diva und ihre Dichter – Ein spritziges Lustspiel von Helmut Korherr feiert Ende Oktober
seine Uraufführung im KIP-Kultur im Prückel
Wien (gamuekl) - In der "Vor-Kino- und Fernseh-Zeit" hatten Theater und Schauspiel eine enorme Bedeutung.
Mit dem schnellen Anwachsen der Großstädte und der unaufhaltsamen Industrialisierung strömten neue
Bevölkerungsschichten in die Vorstellungen. Das Theater der Gründerzeit ist ein gesellschaftlich wichtiger
Ort und die ungekrönte Königin davon repräsentiert die Diva - diese märchenhafte Inkarnation
der Frau als wandelbares, vielseitiges Wesen.
Die Männerwelt lag diesen Geschöpfen zu Füßen, bewunderte die Darstellerinnen von verführerischen
Kokotten, tragischen Dirnen und erhabenen Trägerinnen von klassischen Rollen. Das "Rätsel Weib"
beherrschte Kunst und Literatur. Die Schauspielerinnen bestimmten durch ihre Erscheinungsformen oft auch die Verhaltensweisen
von Mädchen und Frauen dieser Epoche.
Eines ist aber bei allem Glanz und Flitter zu bedenken: Die jungen Frauen, die zur Bühne gingen, wurden von
den Theaterdirektoren in erster Linie als Wesen betrachtet, die die erotischen Bedürfnisse von vornehmen Besuchern
und Kritikern zu befriedigen hatten.
Durch die starke Konkurrenz waren die Direktoren auf gute Pressebesprechungen angewiesen - so veranstalteten sie
z.B. Vorpremieren mit anschließender Feier im Chambre séparée.
Die noblen Herren aus dem Publikum betrachteten die jungen Darstellerinnen als "Freiwild". Edler als
die Prostituierten und der Sexualität weit mehr zugetan als die sogenannten anständigen Frauen waren
sie ein beliebtes Objekt der Begierde.
Hatte eine Schauspielerin das Glück, berühmt zu werden, so waren für sie alle Regeln und Zwänge
aufgehoben. Sie durfte sogar Gräfin werden (wie Charlotte Wolter) oder Baronin (wie Stella Hohenfels), ja,
sie konnte die offizielle Geliebte des Kaisers sein (wie Katharina Schratt).
Zum Stück:
Das Stück spielt in der Zeit von der Annahme des Schnitzler-Stückes "Das Märchen"
am Volkstheater (1893) bis zur Premiere von "Liebelei" am Burgtheater (1895)
Es geht in erster Linie um das turbulente Liebesverhältnis von Adele Sandrock und Arthur Schnitzler. Trotz
ihrer auffälligen Eigenheiten fühlen sich aber die beiden bisweilen wie magnetisch zueinander hingezogen.
Vor allem auf sexuellem Gebiet verstehen sie sich ausgezeichnet. Ansonsten stehen sie allerdings meist in einem
Machtkampf. Sowohl Adele als auch Arthur waren es bis dato gewohnt, ihre jeweiligen Partner zu beherrschen. Daher
prallen jetzt zwei ziemlich eigenwillige Persönlichkeiten aufeinander.
Den Dichter fasziniert am meisten das Spiel der Diva. Im Theater wirkt sie besonders durch ihre leisen Töne.
Auf der Bühne macht sie Pausen beim Sprechen, da bringen ihre geschmeidigen Bewegungen den ganzen Körper
zur Aussage. Oft drückt sie bloß durch Blicke und Gesten starke Gefühle aus.
Privat redet die Sandrock allerdings viel, laut und schnell; sie ist fahrig und nervös.
Was ihr durch den Kopf schießt, muss gleich über die Lippen - auch wenn sie das hernach immer wieder
bereut.
Im Übrigen ist ganz Wien gespannt, wie der Dichter und die Diva miteinander auskommen werden. Seit den Proben
zum Schnitzler-Stück "Das Märchen" sind beide Stadtgespräch. Das trägt natürlich
zur Popularität des Autors bei. Er hat der Sandrock viel zu verdanken - und die Diva lässt ihn das auch
spüren. Sie ist sich durchaus ihrer Bedeutung bewusst. Ihre Launen bringen den Dichter manchmal an den Rand
der Verzweiflung.
Einmal hebt ihn Adele in den Himmel, kurz darauf verdammt sie ihn in die Hölle.
Sie bevorzugt die 'grandiose Szene' und 'Fortissimo-Auftritte'. Sie ist in einer ständigen Zwickmühle
der Gefühle. Und da auch Schnitzler ein 'Gewohnheitsquäler' ist, nimmt die erotische Geschichte zwischen
der berühmten Burgschauspielerin und dem begabtesten Dichter des 'jungen Wien' seinen unausweichlichen Gang,
und die Zänkereien werden immer mehr zu sich verselbständigenden Bravourarien. Bis die Sandrock schreit:
"Du hältst dich für einen Autor! Köstlich! Ein Lustknabe bist du! Kein Autor! Lass dir das
gesagt sein!"
Die Tendenz des Stückes ist vorwiegend heiter. Das ergibt sich für den Zuschauer durch die, manchmal
stark übertriebenen, Gefühlsausbrüche der Diva, das zeitweise ziemlich neurotische Verhalten von
Arthur Schnitzler - und nicht zuletzt durch das alkoholgesteuerte Agieren von Mutter Sandrock, durch das oft echte
Situationskomik entsteht.
Nachdem Adele Felix Salten verführt hat, kündigt Schnitzler - erstaunlicherweise - seinem jungen Dichterkollegen
die Freundschaft nicht. Im Gegenteil: Es freut ihn, dass nun Salten die Launen Adeles ertragen muss.
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