Eine ganz spezielle Art von Licht wird von Wolfram-Diselenid-Schichten ausgesandt. Warum das
so ist, war bisher unklar. An der TU Wien wurde nun eine Erklärung gefunden.
Wien (tu) - Es ist ein merkwürdiges Phänomen, das jahrelang niemand erklären konnte: Wenn
man einer dünnen Schicht des Materials Wolfram-Diselenid Energie zuführt, dann beginnt es auf sehr merkwürdige
Weise zu leuchten. Zusätzlich zu ganz gewöhnlichem Licht, wie man es auch von anderen Halbleitermaterialien
kennt, misst man bei Wolfram-Diselenid auch noch eine ganz spezielle Sorte von extrem hellem Quantenlicht, das
nur von ganz bestimmten Punkten des Materials abgestrahlt wird. Es besteht aus einer Serie von Photonen, die regelmäßig
wie am Fließband immer einzeln ausgesandt werden – niemals zu zweit oder in größeren Gruppen.
Für Experimente im Bereich von Quanteninformation und Quantenkryptographie, bei denen man mit einzelnen Photonen
arbeiten möchte, ist das perfekt. Allerdings wusste bisher niemand, wie dieser Effekt zustande kommt.
An der TU Wien fand man nun die Lösung: Ein subtiles Zusammenspiel aus einzelnen atomaren Fehlstellen im Material
und mechanischen Dehnungen ist für das Entstehen des Lichteffekts verantwortlich. Durch Computersimulationen
konnte man zeigen, wie die Elektronen an ganz bestimmte Stellen des Materials getrieben werden, wo wie eingefangen
werden, Energie verlieren und ein Photon aussenden. Die Lösung des Quantenlicht-Rätsels wurde nun im
Fachjournal „Physical Review Letters“ veröffentlicht.
Nur drei Atome dick
Wolfram-Diselenid ist ein sogenanntes 2D-Material, das extrem dünne Schichten bildet. Solche Schichten sind
nur drei Atomlagen dick: In der Mitte befinden sich die Wolfram-Atome, darüber und darunter sind die Selen-Atome
angekoppelt. „Wenn man der Schicht Energie zuführt, etwa indem man eine elektrische Spannung anlegt oder indem
man es mit Licht der richtigen Wellenlänge bestrahlt, dann beginnt sie zu leuchten“, erklärt Lukas Linhart
vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien. „Das ist noch nicht ungewöhnlich, das können viele
Materialien. Doch als man das Licht von Wolfram-Diselenid im Experiment genau analysierte, stellte man fest, dass
man hier zusätzlich zum gewöhnlichen Licht auch noch eine weitere, quantenphysikalisch ganz besondere
Art von Licht nachweisen kann, und dass diese Sorte Licht ganz ungewöhnliche Eigenschaften aufweist.“
Dieses spezielle Quantenlicht besteht aus Photonen ganz bestimmter Wellenlängen – und niemals misst man zwei
Photonen derselben Wellenlänge gleichzeitig, sie werden immer einzeln ausgesandt. „Das sagt uns, dass diese
Photonen nicht kollektiv vom ganzen Material erzeugt werden können, sondern dass es bestimmte Punkte in der
Wolfram-Diselenid-Probe geben muss, die sehr viele dieser Photonen produzieren, eins nach dem anderen“, erklärt
Prof. Florian Libisch, Sprecher des Graduiertenkollegs TU-D an der TU Wien, mit Schwerpunkt zweidimensionale Materialien.
Um das zu verstehen, muss man das Verhalten der Elektronen im Material auf quantenphysikalischer Ebene genau analysieren:
Elektronen können sich im Wolfram-Diselenid in unterschiedlichen Energiezuständen befinden. Wechselt
ein Elektron von einem Zustand hoher Energie in einen Zustand niedrigerer Energie, wird ein Photon ausgesandt.
Allerdings ist dieser Sprung zu einer niedrigeren Energie nicht immer und überall erlaubt: Das Elektron muss
sich dabei an bestimmte Gesetze halten – an Impuls- und Drehimpulserhaltung.
Materialfehler und Dehnungen
Wenn sich ein Elektron in einem Zustand hoher Energie befindet, muss es zunächst dort bleiben. Durch bestimmte
Störungen im Material können sich die Energiezustände aber deutlich verändern. „Eine Wolfram-Diselenid-Schicht
ist niemals perfekt. An manchen Stellen fehlt ein Selen-Atom, oder auch mehrere“, erklärt Lukas Linhart. „Dadurch
ändert sich auch die Energie der Elektronen-Zustände in diesem Bereich.“
Außerdem ist die Materialschicht in der Praxis keine perfekte Ebene. Wie bei einer Bettdecke, die Falten
wirft, wenn man sie über einen Kopfpolster breitet, dehnt sich Wolfram-Diselenid lokal, wenn die Materialschicht
auf kleinen Trägerstrukturen aufgehängt ist. Diese mechanischen Spannungen haben ebenfalls eine Auswirkung
auf die Energiezustände der Elektronen.
„Das Zusammenspiel von Materialfehlern und lokalen Dehnungen ist kompliziert. Uns ist es nun allerdings gelungen,
beides gemeinsam am Computer zu simulieren“, sagt Lukas Linhart. „Und dabei zeigte sich, dass nur die Kombination
dieser Effekte die merkwürdigen Lichteffekte erklären kann.“ Dort, wo Materialfehler und Oberflächen-Dehnungen
zusammentreffen, ändern sich die Energieniveaus der Elektronen, sodass es den Elektronen genau an diesen Stellen
physikalisch erlaubt ist, von einem hohen in einen niedrigen Energiezustand zu wechseln und ein Photon auszusenden.
Weil quantenphysikalisch niemals zwei Elektronen genau im selben Zustand sein können, müssen die Elektronen
diesen Prozess einzeln und nacheinander durchlaufen, und das führt auch zu einzeln nacheinander ausgesendeten
Photonen. Gleichzeitig sorgt die Dehnung des Materials dafür, dass sich weitere Elektronen in der Nähe
sammeln, und somit nach Aussenden eines Photons gleich wieder ein weiteres passendes Elektron nachrückt, das
dann für das nächste Photon sorgt.
Das Ergebnis ist ein weiterer Beleg dafür, dass 2D-Materialien, die nur aus einer atomar dünnen Schicht
bestehen, hochinteressante neue Effekte ermöglichen. Spätestens seit dem Physik-Nobelpreis im Jahr 2010
für die Entdeckung des 2D-Materials Graphen gilt diese Forschung weltweit als wichtiges Zukunftsthema.
Originalpublikation
L. Linhart et al, Localized Intervalley Defect Excitons as Single-Photon
Emitters in WSe2, Phys. Rev. Lett. 123, 146401 (2019). https://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.123.146401
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