Wien Modern: Start mit Vulkanausbruch

 

erstellt am
25. 10. 19
13:00 MEZ

Eröffnungskonzert mit RSO Wien – generationenübergreifendes Wochenende mit Arditti Quartet – Abschiedskonzert die reihe, Black Page Orchestra und Schallfeld…
Wien (sky unlimited) - Rund um das Festivalthema Wachstum bewegt sich die 32. Ausgabe von Wien Modern in 100 Veranstaltungen auf einer Skala zwischen Minimalismus und Maximalismus. Gleich beides wird hörbar im Eröffnungskonzert mit dem RSO unter der Leitung der neuen Chefdirigentin Marin Alsop. Am darauffolgenden ersten Festivalwochenende kommt es mit dem Arditti Quartet, dem Abschiedskonzert des vor sechs Jahrzehnten gegründeten Ensembles die reihe und jungen Ensembles wie Black Page Orchestra und Schallfeld zu musikalischen Begegnungen über mehrere Generationen hinweg. Mehr denn je begibt sich Wien Modern hinaus in die Wiener Bezirke und bietet mit der Bespielung des Innenraums der Brigittenauer Brücke im Rahmen des Projekts Modified Grounds ungewöhnliche Einblicke in die Stadtarchitektur Wiens und die Möglichkeit, zwei österreichische Künstlerinnen der jungen Generation kennen zu lernen.

Ausblick Woche 1
Mit Marin Alsop steht erstmals eine Frau an der Spitze eines österreichischen Orchesters. Aus diesem Anlass laden RSO Wien, mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Wiener Konzerthaus und Wien Modern zu einem mehrtägigen Schwerpunkt zum Thema Gleichstellung in der Musik, mit Lectures, Workshops, Masterclasses und einer Podiumsdiskussion ein (Fifty-Fifty in 2030, Montag 28.–Mittwoch 30.10, Freitag 01.–Sonntag 03.11.).

Am Mittwoch 30.10. und Freitag 01.11. finden im echoraum die Noches de los muertos. Gimme more! statt. Seit ihrer Gründung 2012 sind die Noches weniger der Überlegung nach dem Größer-und-besser-Werden geschuldet als vielmehr der Intensivierung des Radikalen, dementsprechend kompromisslos und experimentell sind die Beiträge von Gimme More!

Wien Modern widmet sich diesmal der Aufgabe, den Begriff Wachstum mit den Mitteln der Musik ein klein wenig aus der Erstarrung zu befreien, in die er durch seine andauernde Verwendung in Wirtschaft, Stadtplanung und Politik geraten ist. Da kommt ein Vulkanausbruch zum Eröffnungskonzert am Donnerstag 31.10. gerade recht: Die existenzielle Erfahrung der gewaltigen Eruption des Vulkans Hekla 1947/1948 verarbeitete der isländische Komponist Jón Leifs zu einem der lautesten Orchesterstücke aller Zeiten. Luciano Berio brachte 1968 mit seiner umwerfenden Sinfonia die Frage auf den Punkt, zu welcher Dichte sich ein Orchesterwerk steigern lässt. Mit The Swingles steht dabei die seit der Uraufführung originale Solobesetzung auf der Bühne. Auch die drei neuen Werke im Programm spüren der Kunst nach, das richtige Maß zu finden. Mit Hilfe der abstrakten Malerei und flächigem weißen Rauschen begibt sich Peter Ablinger an den Punkt, wo Maximalismus und Minimalismus ineinander übergehen: Inspiriert von Gerhard Richters Gemäldeserie »8 Grau« lässt er ein dichtes orchestrales Geflecht unter Schichten von weißem Rauschen verschwinden. Clara Iannotta nähert sich mit Kassettenrekordern, Kazoos und anderen ungewöhnlichen Klangerzeugern behutsam der Hörschwelle. Agata Zubel, Gewinnerin des Erste Bank Kompositionspreises 2018, zündet dagegen schlicht ein Feuerwerk.

Die Reihe Minimal Night Music, die am Donnerstag 31.10. startet, bietet im Kontrast zu allerlei Überbordendem zehn Augenblicke der Reduktion: das kürzeste Konzert des Festivals (23.11.), den kleinsten Raum (15.11.), das feinfühligste Duo (28.11.), kleinste Bewegungen (20.11.), einen einzigen Ton (10.11.), Franz Schubert (11.11.), Noise (17.11.) und sogar Minimal Music (08.+09.11.). Prelude: pass.age ist ein performatives Musikstück, das David Ender und Jack Hauser im Festival »Österreich heute« 1991 im Mozartsaal aufführten. Der damalige Mitschnitt kehrt nun mit Hilfe von zwei Plattenspielern zurück ins Wiener Konzerthaus. Der ergänzende Traumscore von Sabina Holzer ist Teil ihrer seit 2009 auf die (Nicht-)Bühne gebrachten performativen Praxis Miss Coochie träumt.

Das erste Festivalwochenende (Samstag 02.11. – Sonntag 03.11.) startet mit dem außergewöhnlichen Projekt Modified Grounds der bildenden Künstlerin Katrin Hornek, der Komponistin Judith Unterpertinger und zehn SchlagwerkerInnen im Innenraum der Brigittenauer Brücke. Das Publikum bewegt sich unterhalb der Brücke auf einem begehbaren Gitter – schwebend zwischen Wasseroberfläche und Fahrbahn.

Weiter geht es mit einem Generationen umspannenden musikalischen Bogen im Wiener Konzerthaus: 1974 und 2014, 1958 und 2013 – vier bzw. fünfeinhalb Jahrzehnte liegen zwischen den Gründungsdaten der Ensembles, die an diesem Wochenende im Mozart-Saal zu hören sind. Das Arditti Quartet, diesmal u.a. mit Erstauführungen von Clara Iannotta, Younghi Pagh-Paan und Klaus Lang ist ganz auf Reduktion ausgerichtet (Samstag 02.11.). Das Black Page Orchestra, ein junges, experimentierfreudiges Wiener Kollektiv, agiert hingegen durchaus überbordend: Vom postdigitalen, binären Minimalismus bei Kaj Duncan David bis zum hart zugreifenden Punkrock-Gestus bei Hikari Kiyama beweist das Ensemble Mut zur Farbe (Samstag 02.11.). Am Sonntag 03.11. gibt das 1958 von Friedrich Cerha und Kurt Schwertsik gegründete und damit dienstälteste Ensemble des Landes die reihe sein Abschiedskonzert. Die für das Programm ausgewählten Werke von Varèse, Webern und Weill wurden nach dem Zweiten Weltkrieg von der reihe erstmals in Wien gespielt. Eine Gelegenheit für Dank, für den Blick zurück und nach vorn – beispielsweise auf das junge Ensemble Schallfeld (Sonntag 03.11.), bei dem Diversität, innovative Konzertinszenierungen und eine experimentierfreudige KomponistInnenszene im Mittelpunkt stehen. Wie auch das Black Page Orchestra am Vorabend, zieht das bei „Professor Klangforum“ in Graz ausgebildete junge Ensemble für sein Debüt im Mozart-Saal des Wiener Konzerthauses alle Register.

Ausblick Woche 2
Am Montag, 4.11. steht mit dem Programm Jetzt / Blackout von ascolta im Wiener Konzerthaus die zweite große Uraufführung von Peter Ablinger im Rahmen des diesjährigen Festivals auf dem Programm – Beethovens Neunte trifft auf Al-Jazeera-TV. Mit der Uraufführung Boys Don’t Cry von Martin Schüttler und Erstaufführungen von Isabel Mundry, Anna Korsun und Márton Illés präsentiert sich das Stuttgarter Avantgarde-Ensemble bei seiner Rückkehr nach Wien mit einem sehr virtuosen, abwechslungsreichen Programm.

Eine herausragende Etappe der Wien Modern Gipfeltour 2019 folgt am Dienstag, 05.11. im Mozart-Saal – das Ensemble PHACE unter der Leitung von Emilio Pomárico und die beiden Sängerinnen Anna Clare Hauf und Annette Schönmüller präsentieren die große Uraufführung von Pierluigi Billones FACE Dia.De. Das abendfüllende Werk des in Wien lebenden Komponisten knüpft an das bei Wien Modern 2016 uraufgeführte FACE für eine Stimme und Ensemble an, das seither mit großem Erfolg auf Festivals von Berlin bis New York zu hören war: Sprachliche Urlaute und die hemmungslose Ausdruckspalette der griechischen Tragödie erweitern das Klangfeld der Stimme.

Zwei umfangreiche Werkzyklen des spanischen Komponisten Alberto Posadas bilden weitere herausragende Stationen: Erinnerungsspuren für Klavier solo am Mittwoch, 06.11. wird vom Widmungsträger des Stücks, dem Pianisten Florian Hölscher, erstmals gemeinsam mit den Referenzstücken auf die Bühne gebracht. Von Bach über Couperin und Debussy bis zu Scelsi und Stockhausen spannt Posadas einen weiten Bogen durch die weite Strecken der Musikgeschichte und überrascht mit einem unbekümmerten, frischen Umgang mit den Säulenheiligen des Klaviers. Poètica del espacio, sein soeben bei den Donaueschinger Musiktagen uraufgeführter hochvirtuoser Zyklus für Ensemble im Raum wird am Freitag 08.11. vom Klangforum Wien unter der Leitung von Sylvain Cambreling im Großen Saal des Wiener Konzerthauses gespielt. Eine ausgeklügelte Zeit- und Raumgestaltung bringt die im Raum verteilten MusikerInnen zum Abschluss des spielfilmlangen Werks gemeinsam auf die Bühne. Den Umgang mit Instrumenten treibt die Konstellation von Komponist und Ensemble hier gemeinsam zu neuen Stufen der Perfektion – von quasi elektronischen Sounds der Glasharmonika aus Mozarts Zeiten bis hin zu atemberaubenden Solos der Klangforum-MusikerInnen ist Poètica del espacio ein klangsinnliches Meisterwerk der Instrumentationskunst.

Am Donnerstag 07.11. feiert die Alban Berg Stiftung ihr 50-jähriges Jubiläum und präsentiert mit dem Boulanger Trio die jungen Preisträger des zu diesem Anlass ausgeschriebenen Kompositionswettbewerbs.

Das zweite Festivalwochenende beinhaltet zentral die vermutlich außergewöhnlichste künstlerische Grenzerfahrung des Festivals – sew me into a shroud of leaves von Michael Hersch am Samstag 09.11. im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek, die von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang insgesamt 15 Stunden umfasst. Dazu kommen Salon Souterrain (Freitag 08.11.–Sonntag 10.11.) im Musikverein und im Sonnwendviertel, Josef Matthias Hauer revisited in der Alten Schmiede und die Minimal Night Music (Freitag 08. und Samstag 09.11.), u.a. in der Ruprechtskirche.

Wien Modern 32
Insgesamt präsentiert Wien Modern dieses Jahr 34 Tage lang 100 Veranstaltungen mit 109 Ur- und Erstaufführungen an 25 Spielstätten in 12 Wiener Gemeindebezirken. Mit dem Generalpass (€ 130 / € 85), der Vorteilskarte (30% Rabatt ab vier Veranstaltungen) sowie kostenlosen Angeboten ist das 1988 gegründete Festival eine günstige Gelegenheit zur Begegnung mit der aktuellen Vielfalt der Musik. Ermöglicht wird Wien Modern von der Stadt Wien Kultur und dem Bundeskanzleramt Kunst, den Festivalsponsoren Kapsch und Erste Bank, der Art Mentor Foundation Lucerne, der Ernst von Siemens Musikstiftung, den SKE der austro mechana, AKM und zahlreichen Koproduktions- und Kooperationspartnern.

 

 

 

Weitere Informationen:
http://www.wienmodern.at

 

 

 

 

 

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