„Gemeinwohl und Zugehörigkeit – In welcher Gesellschaft wollen wir (zusammen)leben?“
Innsbruck (lk) - Gesellschaftspolitische Fragen, die sich im Zusammenhang mit einer vielfältigen, heterogenen
Bevölkerung ergeben, beschäftigten die ReferentInnen und TeilnehmerInnen der heurigen Integrationsenquete,
die von Land Tirol, der Stadt Innsbruck, dem Haus der Begegnung und dem Tiroler Integrationsforum ausgerichtet
wurde und in der Stadtbibliothek stattfand. Dort ging man der Frage nach, in welcher Gesellschaft wir (zusammen)leben
wollen und wie Gemeinwohl und Zugehörigkeit gestärkt werden können. „Ein Gefühl der Zugehörigkeit
entsteht, wenn man weiß: ‚Da gehöre ich hin, da setze ich mich ein‘ – Ich lebe in einem Ort, einer Region,
einem Land und will der Gemeinschaft mit meiner Zeit, meinen Talenten etwas Gutes tun“, betont Integrationslandesrätin
Gabriele Fischer in ihren Eingangsworten. Basis dafür sei ein chancengerechter Zugang zu allen Angeboten der
Gesellschaft. „Nur in Vielfalt und Komplexität können wir Lösungen und Perspektiven für die
Zukunft finden. Ich bin überzeugt, dass wir durch Heterogenität und Solidarität die Herausforderungen
meistern“, so die Landesrätin weiter.
Für Stadträtin Elisabeth Mayr ist die Grundlage des Gemeinwohls der Austausch, der Dialog und die Beziehung.
„Sich einbringen zu können, die Möglichkeit der Beteiligung zu haben und Zugänge sicherzustellen
– zu Bildung, Arbeitsmarkt und Mitgestaltung: das ist es, was das Gemeinwesen ausmacht“.
Doch was sind die Voraussetzungen für eine offene und vielfältige Gesellschaft, die den Mitgliedern –
ansässig und zugewandert – ein Gefühl der Zugehörigkeit vermittelt? Die Grundlage seien gemeinsame
Werte, Normen und Ziele. Anstatt das Augenmerk auf die Unterschiede zu legen, solle das Verbindende und Gemeinsame
in den Fokus gestellt werden, ist Soziologe Simon Burtscher-Mathis, Autor des Integrationsleitbildes für Tirol
überzeugt. Kooperationsprojekte unter aktiver Beteiligung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen würden
Beziehung und Zusammenarbeit fördern und die Akzeptanz für unterschiedliche Lebensformen erhöhen.
Integration im Lichte der Grund- und Menschenrechte
Welches Gesellschaftsbild unserer Verfassung zugrunde liegt, dem ging Maria Bertl vom Institut für Öffentliches
Recht, Staats- und Verwaltungslehre der Universität Innsbruck nach. Auch die Verfassung ziele auf Gemeinwohl
und Zugehörigkeit ab, so Bertl, die Anerkennung der Individualität seien in der Verfassung durch Grund-
und Menschenrechte abgesichert, unterliege aber Einschränkungen, soweit diese in einer demokratischen Gesellschaft
notwendig sind und bestimmten für die Gesamtgesellschaft wichtigen Interessen wie der Sicherheit dienen. Die
Schriftstellerin Marlene Streeruwitz stellte in ihrem Vortrag klar, dass die Menschenrechte auf jede und jeden
von uns anwendbar sind und wir in der Vertretung unserer Rechte die Rechte anderer zu vertreten haben. Aufnahme
und Integration seien Teil unserer eigenen Grundrechtssituation, folgerte Streeruwitz. Damit betreffe die Integration
Hilfesuchender unsere eigenen demokratischen Rechte.
Das Spannungsverhältnis von Sicherheit und Offenheit beleuchtete Reinhard Kreissl, Leiter des Wiener Zentrums
für sozialwissenschaftliche Sicherheitsforschung. Eingangs stellte er fest, dass die Menschen beim Thema Sicherheit
in erster Linie an soziale Risiken wie Armut, Wohnungslosigkeit, Arbeitslosigkeit denken würden – im medialen
Diskurs dagegen Sicherheit praktisch immer mit Kriminalität konnotiert werde. Anhand verschiedener Kriminalitätsstatistiken
gab Kreissl einen Einblick, wie diese entstehen und warum sie manchmal die Realität – bewusst – verzerren
bzw. wie es manchmal zu falschen Annahmen kommt, um ein bestimmtes Bild zu erzeugen.
Fazit der Integrationsenquete: Unter den rund 150 TeilnehmerInnen herrschte Einigkeit, dass es mehr niederschwelligen
Dialog und Kooperation bzw. Austausch zwischen allen Beteiligten geben muss: Bevölkerung, Polizei, Medien,
NGOs, Politik, Vereine etc. müssen zusammen daran arbeiten, damit Integration noch besser gelingt. „Das Tiroler
Integrationsleitbild bildet dafür den idealen Rahmen“, ist Integrationslandesrätin Fischer überzeugt.
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