Molekularer Brückenschlag zum Informationsaustausch zwischen "links und rechts"
entschlüsselt
Wien (universität) - Eine Genmutation ist dafür verantwortlich, dass die beiden Gehirnhälften
von Fruchtfliegen getrennt bleiben und der Informationsaustausch zwischen rechter und linker Gehirnhälfte
nicht funktioniert. Das hat eine Arbeitsgruppe um Rashmit Kaur und Thomas Hummel vom Department für Neurobiologie
der Universität Wien in einer aktuellen Studie herausgefunden.
Eigentlich haben wir zwei Gehirne in unserem Kopf, jeweils eines auf der rechten und eines auf der linken Seite.
Diese beiden strukturell identischen Gehirnhälften arbeiten aber so eng zusammen, dass neuronale Information
nicht nur im gesamten Gehirn repräsentiert ist, sondern auch in unterschiedlicher Weise in den beiden Hälften
analysiert werden kann.
Entscheidend für diesen raschen bilateralen Datentransfer sind hunderte Millionen von Nervenverbindungen,
die in dicken Kabeln – den sogenannten Kommissuren – die beiden Gehirnhälften verbinden. Viele neuronale Erkrankungen
des Menschen gehen auf eine geringere Ausbildung oder gar den Verlust dieser Kommissuren zurück. Die zellulären
und molekularen Ursachen hierfür sind aber weitgehend unbekannt.
Die Arbeitsgruppe um Thomas Hummel am Department für Neurobiologie der Universität Wien nutzt die Fruchtfliege
Drosophila melanogaster, um die genetische Regulation der Gehirnentwicklung besser zu verstehen. Wie beim Menschen
bilden sich auch bei Drosophila eine Vielzahl von Kommissuren zum Informationsaustausch zwischen rechter und linker
Gehirnhälfte.
Brückenschlag zwischen Links und Rechts durch Gen möglich
Die ForscherInnen untersuchten die Funktion von verwandten Genen, die beim Menschen zu einer Störung der
Kommissurenbildung führen und auch in der Entwicklung des Fliegengehirns von Bedeutung sind. "Mit modernen
Analysemethoden zur gezielten Manipulation einzelner Nervenzellen konnten wir die Wirkungsweise des neuronalen
Oberflächenproteins L1CAM klären. Mutationen in diesem Protein unterbrechen bei der Fliege das Wachstum
der so genannten 'Pionier'-Kommissuren, die eine erste zelluläre Brücke zwischen den beiden getrennten
Gehirnhälften bilden", erklärt Rashmit Kaur, die auch ihre Doktorarbeit diesem Thema gewidmet hat.
Durch den Verlust der embryonalen Neuronenbrücke können auch alle nachfolgenden Kommissuren den "Sprung"
auf die andere Gehirnseite nicht schaffen und beide Hemisphären bleiben in der Folge im erwachsenen Tier getrennt.
Besonders interessant war für die ForscherInnen, dass das menschliche L1CAM-Gen den kommissuralen Defekt im
Fliegengehirn reparieren kann, was auf einen vergleichbaren Entwicklungsprozess bei Fliege und Mensch hindeutet.
"Wir wollen nun in weiterführenden Studien versuchen, die genauen Veränderungen bei neuronalen Erkrankungen
des Menschen besser zu verstehen und damit spannende Einblicke in die Evolution von einfachen zu komplexen Nervensystemen
gewinnen", so Thomas Hummel abschließend.
Publikation in Science Advances
Pioneer interneurons instruct bilaterality in the Drosophila olfactory
sensory map
R. Kaur; M. Surala; S. Hoger; N. Grössmann, A. Grimm; L. Timaeus; W. Kallina; T. Hummel
Doi: sciadv.aaw5537
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