Mehr Frauen, weniger Neulinge, Grüne wieder dabei
Wien (pk) - Mit der Angelobung der Abgeordneten erfolgte am 23. Oktober der Startschuss für die XXVII.
Gesetzgebungsperiode des Nationalrats. 24 Tage nach den Wahlen traten die neu gewählten MandatarInnen zur
konstituierenden Sitzung zusammen. 183 Abgeordnete, inklusive Philippa Strache als fraktionslose Abgeordnete, legten
dabei ihr Bekenntnis zu Republik und Verfassung ab. Konkret lautete die Gelöbnisformel: "Sie geloben
unverbrüchliche Treue der Republik Österreich stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und
aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."
Eröffnet wurde die konstituierende Sitzung vom alten und voraussichtlich auch neuen Nationalratspräsidenten
Wolfgang Sobotka. In Anwesenheit von Bundespräsident Alexander Van der Bellen wurde neben der Bundeshymne
auch die Europahymne feierlich intoniert, musikalisch begleitet von den jungen MusikerInnen des Marc Aurel-Quartetts
der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien.
Ähnlich wie bei der Konstituierung im Jahr 2017 machten die Abgeordneten auch heute ihre fraktionelle Zugehörigkeit
deutlich sichtbar: Die ÖVP-MandatarInnen mittels türkiser Buttons mit österreichischer Flagge, die
Abgeordneten der SPÖ trugen rote Nelken im Knopfloch. Mit rot-weiß-roten Schleifen am Revers zeigten
sich die Freiheitlichen, die Grünen hatten vor sich Kräutertöpfe aufgestellt und die NEOS-Abgeordneten
schmückten sich mit Ansteckern aus drei pinken Bleistiften. Auf der Regierungsbank saßen als VertreterInnen
der amtierenden Übergangsregierung Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein, Justizminister Clemens Jabloner und
Außenminister Alexander Schallenberg.
Erneut fünf Parteien im Nationalrat vertreten
Wie schon in der vergangenen Gesetzgebungsperiode sind auch in der XXVII. GP wieder fünf Parteien im Nationalrat
vertreten. Als stärkste Fraktion ist die ÖVP aus den Wahlen hervorgegangen, sie hat 71 Mandate (+9) errungen.
Danach folgen die SPÖ mit 40 (-12) und die FPÖ mit 31 Sitzen (-20), wobei die Fraktionsstärke des
FPÖ-Klubs durch die Mandatsannahme von Philippa Strache auf 30 Mandate sinkt. Die Grünen schafften nicht
nur den Wiedereinzug in den Nationalrat, den sie 2017 verlassen mussten, sie wurden mit 26 Mandaten auch die viertstärkste
Fraktion im Hohen Haus, vor den NEOS mit 15 Abgeordneten (+5). Die Liste JETZT, die acht MandatarInnen stellte,
konnte die vorgeschriebene 4%-Hürde nicht überspringen und verfehlte somit den Einzug in den Nationalrat.
Bei der Wahlbeteiligung war übrigens ein deutlicher Rückgang gegenüber 2017 feststellbar, sie sank
um 4,41%. Insgesamt 75,59% der ÖsterreicherInnen haben am 29. September die Möglichkeit genutzt, an der
Zusammensetzung des Nationalrats mitzuwirken. Falls es nicht wieder zu Neuwahlen kommt, beträgt die Gesetzgebungsperiode
fünf Jahre.
Im Hinblick auf die laufenden Verhandlungen über die Bildung einer künftigen Regierung, lässt sich
jedenfalls schon sagen, dass für das Erreichen einer einfachen Mehrheit im Nationalrat, also 92 Stimmen, folgende
Kombinationen möglich sind: ÖVP/SPÖ (111), ÖVP/FPÖ (101), ÖVP/Grüne (97) oder
SPÖ/FPÖ/Grüne (96). Da die Österreichische Volkspartei außerdem über mehr als ein
Drittel der Sitze verfügt, können ohne ihre Zustimmung keine Verfassungsgesetze geändert werden.
Rund 30% neue Abgeordnete
Waren 2017 noch 85 von 183 Nationalratsabgeordneten neu, beträgt die Zahl der Neulinge heuer nur noch 55.
Die meisten Neuzugänge haben die Grünen, die nach der Wahlniederlage 2017 aus dem Parlament ausgeschieden
sind. Lediglich drei ihrer MandatarInnen, nämlich Werner Kogler, Sigrid Maurer und die ehemalige JETZT-Abgeordnete
Alma Zadic, verfügen bereits über Erfahrungen als Nationalratsabgeordnete.
Mit dem jüngsten Mandatar, dem 24-jährigen Yannick Shetty, können heuer die NEOS aufwarten, während
für die ÖVP mit der 65-jährigen Elisabeth Scheucher-Pichler, die schon einmal im Nationalrat saß,
die älteste Abgeordnete in das Hohe Haus einzieht. In der letzten Gesetzgebungsperiode war es noch umgekehrt
– da stellte die Volkspartei mit Claudia Plakolm (damals 22 Jahre) die jüngste Mandatarin, die NEOS mit Irmgard
Griss, die mit 71 Jahren ihr Amt antrat, die älteste Volksvertreterin. Erfahrenster Abgeordneter ist der ehemalige
Zweite NR-Präsident Karlheinz Kopf (ÖVP), er gehört dem Nationalrat seit 1994 und damit seit 25
Jahren ohne Unterbrechung an.
Frauenanteil ist auf 39,3 % gestiegen, zwei Nationalratsklubs profitieren vom Bonus
Erhöht hat sich der Frauenanteil unter den Abgeordneten. Er ist von 34,4% (63 weibliche Abgeordnete) zu Beginn
der XXVI. GP bzw. zuletzt 37,16% (68 weibliche Abgeordnete) auf 39,3 % gestiegen: 72 der 183 Abgeordneten sind
nunmehr Frauen. Den höchsten Frauenanteil haben die Grünen (57,7%), da 15 ihrer 26 Abgeordneten weiblich
sind, den niedrigsten die FPÖ mit 16,7% (5 von 30) . Bei der SPÖ sind 19 von 40 Abgeordneten weiblich
(47,5%), bei den NEOS sechs von 15 (40%) und bei der ÖVP 26 von 71 (36,6%).
Der im Juli 2019 vom Nationalrat im Zuge der Änderung des Klubfinanzierungsgesetzes beschlossene Bonus von
3%, der bei Überschreitung eines Frauenanteils von 40% der MandatarInnen schlagend wird, kommt somit der SPÖ
und den Grünen zugute. Die NEOS, die genau die 40%-Grenze erreichen, verpassen ihn haarscharf. Aufgrund von
Umreihungen zu Gunsten von männlichen Abgeordneten fiel auch die ÖVP unter die 40-Prozent-Marke und kann
daher den Bonus nicht in Anspruch nehmen.
Sitzverteilung im Hofburg-Plenarsaal
Die Sitzungen des Nationalrats finden während der Generalsanierung des historischen Parlamentsgebäudes
in der Hofburg statt. Im Gegensatz zum originären Plenarsaal hat der provisorische nur sechs Sitzreihen, die
dafür breiter sind. Die ÖVP wird – vom Präsidium aus gesehen – erneut die Plätze ganz rechts
im Plenarsaal einnehmen, die SPÖ sitzt wie bisher ganz links. Dazwischen verteilen sich die FPÖ (Mitte
rechts), die Grünen (links) und die NEOS (Mitte links), wobei jede Fraktion zumindest einen Platz in der ersten
Reihe hat. Philippa Strache wurde als fraktionsloser Abgeordneten links in der letzten Reihe ein Sitz zugewiesen.
Bei der für 2021 geplanten Rückübersiedlung des Sitzungsbetriebs ins historische Parlamentsgebäude
muss der Sitzplan neu verhandelt werden.
Die – vor allem für die Verteilung von Blockredezeiten – maßgebliche "Wiener Stunde" hat künftig
62 Minuten: Davon entfallen 19,5 Minuten auf die ÖVP, 13,5 Minuten auf die SPÖ, 11 Minuten auf die FPÖ,
10 Minuten auf die Grünen und 8 Minuten auf die NEOS. Gesetzesbeschlüsse sind heute keine zu erwarten,
vielmehr wählt der Nationalrat heute sein neues Präsidium. Zudem werden einige Ausschüsse konstituiert.
Großes Interesse an der Konstituierung zeigten mehrere Medien aus dem In- und Ausland, deren VertreterInnen
der Sitzung beiwohnten.
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