Wien (wienmuseum) - Die Stadtarchäologie gräbt auf dem Areal der künftigen Plaza des neuen Wien
Museums. Nach Entfernung der Schotterlagen ist sie auf Fundamente der alten Verkaufshallen, die in den 20er Jahren
dort gestanden hatten, gestoßen: Das Einkaufszentrum am Karlsplatz – ein vergessenes Stück Stadtgeschichte!
Dass in der Zwischenkriegszeit auf dem Karlsplatz an der Stelle des heutigen Wien Museums zwölf Jahre lang
ein Einkaufszentrum für Luxuswaren stand, ist heute in Vergessenheit geraten. Durch die Ausgrabungen für
Wien Museum Neu werden nun Überreste dieser ephemeren Nutzungsperiode und somit ein vergessenes Stück
Stadtgeschichte zutage gefördert. Nachdem zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Bau des von Otto Wagner entworfenen
Stadtmuseums aufgrund massiver Debatten und Widerstände nicht zur Ausführung kam, wurden hier 1922 schließlich
Verkaufshallen errichtet, um hochqualitative Waren anbieten zu können. Ein wichtiges Argument dafür war,
die Wirtschaft in Wien nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem daraus folgenden Konjunktureinbruch anzukurbeln.
In diesem flachen, in Hallen und „Kojen“ aufgeteilten Gebäude sollten zahlreiche Verkaufsstellen auf dem Karlsplatz
zentralisiert werden. Es entstand ein Einkaufszentrum nach Entwürfen des Wiener Architekten Robert Kalesa,
das am 16. August 1922 offiziell eröffnet wurde. Renommierte Geschäftsleute boten ihre Produkte an, darunter
Pelze, Hüte und Schirme, Schlafröcke und Schuhwaren sowie antike Uhren und Automobile, sogenannte „Phänomobile“
und Motorräder. Von 1927 bis 1929 gab es sogar ein Gasthaus im Mitteltrakt der Hallen, beworben als „Erster
Wiener Stadtheuriger“, das mit staubfreien Prachtgärten, Heurigenabenden und Schrammelmusik aufwarten konnte.
Doch blieb der erhoffte Erfolg aus. Die Besucherzahlen und der Absatz der Luxuswaren schienen nicht befriedigend
gewesen zu sein. Die große Depression ab 1930 wird dazu beigetragen haben, dass der gewünschte Umsatz
weiter stark abnahm. Schließlich bewilligte der Bürgermeister 1933/1934 den Abbruch der Verkaufshallen.
Man darf gespannt sein, welche zusätzlichen Hinterlassenschaften dieser kurzen kommerziellen Phase des Karlsplatzes
von den ArchäologInnen der Stadtarchäologie Wien zu Tage gefördert werden.
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