Wien (öaw) - Ein internationales Team mit Quantenforscher/innen der ÖAW hat eine Lücke in der
Physik-Theorie zu Zeitreisen geschlossen. Damit ist der Weg für neue theoretische Untersuchungen von zeitreisenden
Objekten geebnet, wie sie im Fachjournal "Classical and Quantum Gravity" berichten.
Kann ein Objekt mit einer jüngeren Version seiner Selbst kollidieren? Ja, stellte Kurt Gödel bereits
im Jahr 1949 mithilfe von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie fest: Der Theorie zufolge ist ein Universum
möglich, in dem Punkte über eine Zeitkurve direkt mit der eigenen Vergangenheit kausal verbunden sind
- und solche Punkte können über diese Kurve auch mit einer älteren Version ihrer Selbst interagieren.
Ungewiss ist seit Gödels Entdeckung aber geblieben, ob eine Zeitreise nicht nur in der Theorie, sondern auch
in der realen Welt schlüssig und möglich ist.
Großvaterparadoxon
Den ersten logischen Einwand gegen die grundsätzliche Möglichkeit einer Zeitreise konnten Physiker/innen
bereits in den 1990er Jahren aus dem Weg räumen, versinnbildlicht mit dem Großvaterparadoxon: Es besagt,
dass man allein schon deswegen nicht in die Vergangenheit reisen könne, da man in diesem Fall seinen eigenen
Großvater töten könnte - und somit seine eigene Existenz unterbunden hätte. Diesen Widerspruch
lösten Physiker/innen mit der Annahme eines in sich schlüssigen Universums auf: In diesem sei es gar
nicht möglich, dass man seinen Großvater töte - da jede Handlung während einer Zeitreise in
die Vergangenheit ohnehin längst Bestandteil der Lebensgeschichte des Großvaters wäre.
Eine der wichtigsten Fragen, die offen blieb, war die Beschaffenheit dieses zeitlich-kausalen Zusammenhangs. Denn
Physiker/innen stellten fest, dass es eine unendliche Anzahl an logisch schlüssigen Zeitkurven gibt, die einen
eindeutigen Anfangszustand, den nicht getöteten Großvater, mit einem eindeutigen Endzustand, den existenten
Enkel, miteinander verbinden. Welche Zeitkurve in unserer physikalischen Welt zwischen diesen beiden Punkten jeweils
realisiert wird, konnte man bisher aber nur mithilfe der Quantenphysik untersuchen - wodurch gleichzeitig aber
zahlreiche neue Fragen aufgeworfen wurden.
Zeitreise widerspricht klassischer Physik nicht
Einen möglichen Ausweg fand nun ein internationales Forscher/innenteam. Gemeinsam mit Wissenschaftler/innen
der Università della Svizzera Italiana im Schweizerischen Lugano und der australischen University of Queensland
griffen Forscher/innen des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation Wien der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften (ÖAW) dieses Problem mit Methoden der klassischen theoretischen Physik auf. In
einer im Fachmagazin "Classical and Quantum Gravity" publizierten Studie stießen sie auf eine überraschende
Erkenntnis. "Wir nahmen an, dass die klassische Physik auch in lokalen Bereichen gilt", erläutert
ÖAW-Quantenforscher Ämin Baumeler. "Auf dieser Basis konnten wir nicht nur feststellen, dass die
mit Zeitreisen verbundenen Fragen auch ganz ohne Quantenphysik erklärt werden können - sondern vor allem,
dass Zeitreisen in keinerlei Widerspruch zu den lokalen Gesetzen der Physik stehen", wie Baumeler schildert.
Der erfolgreiche Rückgriff auf klassische theoretische Physik ist dabei als klarer Fortschritt in der Untersuchung
von Zeitreisen zu sehen. Nicht zuletzt, so hoffen die Forscher, ergeben sich daraus zahlreiche neue Möglichkeiten,
um die Dynamik von zeitreisenden Objekten noch besser zu untersuchen.
Publikation
"Reversible time travel with freedom of choice", Ämin
Baumeler, Fabio Costa, Timothy C Ralph, Stefan Wolf and Magdalena Anna Zych, Classical and Quantum Gravity, 2019
DOI: 10.1088/1361-6382/ab4973
|