Von der Hate Speech auf Facebook bis zur diskursfreien Instagrammisierung der Wahlkämpfe
Graz (lk) - Mit großen Schritten geht's Richtung 20. Jubiläum: Am Abend des 29. Oktober
präsentierte Medienexperte Peter Plaikner im zweiten Medienpanorama 2019 - dem Medienherbst - relevante Zahlen,
Daten und Fakten zur Medienlandschaft in Österreich und in der Steiermark und blickte auch wieder über
den großen Teich in die USA. In seinem insgesamt 19. Auftritt im Medienzentrum Steiermark bekundete der Experte:
„Wir müssen reden #02“. Über Auflagenkontrollen und Mediaanalyse, über die Facebook-Seite von H.C.
Strache und die Höhe der Kosten von Werbeanzeigen der Politikerinnen und Politiker im vergangenen Nationalratswahlkampf
und im derzeitigen Landtagswahlkampf.
Global, digital
Kernaussage von Plaikners Vortrag: Social-Media-Netzwerke werden für immer mehr Bürgerinnen und Bürger
zur Nachrichtenquelle. Das zeigt sich vor allem in den USA: 71 Prozent der Bürgerinnen und Bürger verwenden
Facebook, 52 Prozent davon beziehen ihre „news on site“, also verwenden Facebook als Nachrichtenquelle. „Diese
Strategie kann aber auch in die Hose gehen, wie das Beispiel Snapchat zeigt", so Peter Plaikner, „denn trotz
größter Bemühungen, den Kanal als ‚news-media-channel‘ zu verwenden, beziehen nur sechs Prozent
der Snapchat-User über das Netwerk Nachrichten. Interessant wird die Zukunft des Zuckerberg-Dreiecks (Facebook,
Instagram und Whatsapp). Wir sind gespannt, wie diese Kanäle in den nächsten Jahren bespielt werden.“
Derzeit besteht der größte Info-Bedarf der Amerikaner auf Facebook und Twitter.
Spannend sind auch die Veränderungen der Nutzerprofile zu beobachten: Facebook, Instagram und Snapchat verzeichnen
einen permanent wachsenden Anteil an weiblichen Nutzern, während Twitter in Europa sehr männlich behaftet
ist. „Hier gibt es einen deutlichen Unterschied zu den Amerikanern. In Amerika wird das Netzwerk Twitter von Männern
und Frauen gleichermaßen benützt“, stellt der Medienexperte fest. Deutlich sticht in den Nutzerprofilen
außerdem die Plattform Snapchat hervor, deren Nutzerinnen und Nutzer die niedrigsten Bildungsabschlüsse
aufweisen.
Nachrichten, die uns aus den Vereinigten Staaten tagtäglich erreichen, geben laut Plaikner ein verzerrtes
Bild der Gesellschaft wieder. „Viele Menschen hierzulande sind überzeugt, dass Trump bei der nächsten
Wahl keine Chance auf die Präsidentschaft haben wird. Ich behaupte das Gegenteil. Da die großen Medien
wie CNN, NBC, die New York Times usw. eher links ausgerichtet sind, erreicht uns letztlich nur ein Zerrbild der
politischen Gesellschaft in den USA. Fakt ist aber: Die Republikaner wählen ihn.“
Regional im „digitalen Biedermeier“
Was erstaunen mag: 62 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher nutzen Whatsapp nahezu täglich.
Damit liegt Österreich deutlich über dem globalen Schnitt. Dieser Social-Media-Kanal ist somit in Österreich
Spitzenreiter vor Facebook (38 Prozent) und Instagram (20 Prozent). Twitter liegt mit nur vier Prozent in Österreich
weit abgeschlagen sogar noch hinter Snapchat. Den größten Zuwachs an Nutzerinnen und Nutzern, nämlich
satte 15 Prozent, hat im Vergleichszeitraum 2016 bis 2019 die Plattform Instagram zu verzeichnen. Als Erklärung
entwirft der Medienexperte folgende Theorie: „Auf Instagram erleben wir eine heile Welt. Geschönte Bilder,
kaum Diskurs, keine Hate-Speech. Wir fühlen uns zurückversetzt in eine Art digitales Biedermeier.“
Als eine der Kernaussagen des Medienherbstes unterstreicht Peter Plaikner die Veränderung des Medienvertrauens
der österreichischen Bürgerinnen und Bürger. Waren 2017 noch knapp die Hälfte all jener, die
den Medien vertrauen, Links- bzw. Mitte-links-Wähler, so sind es 2019 die Rechts- bzw. Mitte-rechts-Wähler,
die den Medien höheres Vertrauen aussprechen. In Punkto politische Verortung werden laut Digital News Report
2019 die ORF-Nachrichten (mit der höchsten Vertrauenswürdigkeit), die Bezirksblätter, die Kleine
Zeitung, sowie Heute und die Puls 4-Nachrichten als „politische Mitte“ wahrgenommen, während der Standard,
der Kurier und News als linksgerichtet und Servus TV, die Kronen Zeitung und oe24.at als deutlich rechts empfunden
werden.
Rund 12 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher nutzen parteiische Websites als Informationsquelle.
„Unzensuriert.at, zum Beispiel, erreicht mit vier Prozent der Leserschaft einen ziemlich beachtenswerten nationalen
Wert. Bundesweite Qualitätsmedien erreichen im Schnitt auch ungefähr Werte wie diesen“, erklärt
Plaikner. Auch Seiten wie kontrast.at und info.direkt werden gerne als Informationsquellen verwendet. „Parteiische
Websites beziehen den größten Teil ihrer Leserschaft aus der ganz rechts oder ganz links gerichteten
Bevölkerung.“
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