Innsbruck (universität) - Der Krebsnebel ist der Überrest einer vor rund 1000 Jahren beobachteten
Supernova in unserer Galaxie. Obwohl es sich um eines der am besten untersuchten Himmelsobjekte handelt, ist es
einem internationalen Team von Wissenschaftlern erst jetzt mit Hilfe der H.E.S.S.-Teleskope gelungen, die Ausdehnung
des Krebsnebels in hochenergetischer Gammastrahlung zu bestimmen.
Bereits mit einem Fernglas kann der Krebsnebel als ausgedehntes Objekt wahrgenommen werden, und dementsprechend
lassen sich zum Beispiel mit optischen oder Röntgenteleskopen viele seiner Bestandteile detailliert abbilden.
„Es zeigt sich, dass die Ausdehnung des Krebsnebels stark vom betrachteten Energiebereich abhängt“, erklärt
Markus Holler vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck, Mitglied der H.E.S.S.-Kollaboration.
„Daraus können Rückschlüsse auf astrophysikalische Prozesse gezogen werden.“
Seit dem ersten Nachweis von hochenergetischer Gammastrahlung 1989 mit Teleskopen auf der Erde konnte der Krebsnebel
bis heute nicht von einer Punktquelle unterschieden werden. Grund dafür war die vergleichsweise schlechte
Auflösung. Im Fachjournal Nature Astronomy präsentieren die Wissenschaftler der in Namibia gelegenen
H.E.S.S.-Teleskope nun erstmals eine Messung der Ausdehnung des Krebsnebels in hochenergetischer Gammastrahlung.
Dieses Ergebnis ist das Resultat modernster Analyse- und Simulationstechniken, welche eine in der Gammastrahlungsastronomie
bisher unerreichte Präzision ermöglichen
Neuartige Simulationsumgebung
Die Wissenschaftler messen mit den H.E.S.S.-Teleskopen das Cherenkov-Licht aus Teilchenschauern, um so die
Energie und Einfallsrichtung der zugehörigen Gammastrahlen zu rekonstruieren. „Die Genauigkeit der Richtungsrekonstruktion
hängt erheblich von verschiedenen Faktoren wie zum Beispiel den Beobachtungsbedingungen ab“, erklärt
Markus Holler. „Für die Messung der Ausdehnung einer Quelle sind deshalb verlässliche Simulationen notwendig.“
Für die vorliegende Messung verwendeten die Wissenschaftler erstmals eine neuartige Simulationsumgebung, welche
die Bedingungen bei der Beobachtung des Krebsnebels auf einem bisher unerreichten Detailgrad mitberücksichtigt.
Die dabei gewonnene Genauigkeit in der Simulation der Daten spiegelt sich eindrücklich im ermittelten Resultat
wider. Die gemessene Ausdehnung des Krebsnebels ist etwa zweieinhalb Mal kleiner als die mittlere Richtungsungenauigkeit
pro Gammateilchen.
Übereinstimmung mit theoretischen Modellen
Die elektromagnetische Strahlung des Krebsnebels wird überwiegend von hochenergetischen Elektronen sowie deren
Antiteilchen, den Positronen, ausgesendet. Dafür sind zwei unabhängige Prozesse verantwortlich: Die Strahlung
vom Radio- bis zum Röntgenbereich entsteht durch die Ablenkung der Teilchen im internen Magnetfeld des Krebsnebels.
Die höherenergetische Gammastrahlung dagegen ist das Resultat der Streuung der Elektronen und Positronen an
Lichtteilchen mit niedrigerer Energie. „Die Beobachtung des Krebsnebels in Gammastrahlung ist somit unabhängig
von entsprechenden Messungen bei niedrigeren Energien, auch wenn die dafür verantwortlichen Teilchen die gleichen
sind“, sagt Theoretiker und H.E.S.S.-Wissenschaftler Dmitry Khangulyan vom Department of Physics der Rikkyo University
in Tokio.
Ein Vergleich der Ausdehnung des Krebsnebels bei verschiedenen Energien zeigt eine gute Übereinstimmung mit
theoretischen Modellen. Dabei weist die Gammastrahlung des Nebels eine stärkere Ausdehnung auf als im Röntgenlicht,
aber eine geringere als im ultravioletten Licht. Der Hauptgrund dafür sind die entsprechenden Energien der
Elektronen und Positronen des Nebels. Mit steigender Energie sind die Teilchen stärker zum Zentrum hin konzentriert.
Da die für die Gammastrahlung verantwortlichen Teilchenenergien zwischen denen der beiden anderen genannten
Bereiche liegt, folgt Entsprechendes für die Ausdehnung des Krebsnebels in Gammastrahlung. „Die Bestätigung
dieser Erwartung durch die Ergebnisse von H.E.S.S. liefern ein schönes Beispiel für die Bedeutung von
Theorie und Experiment“, freut sich Astroteilchenphysiker Markus Holler.
Indirekte Messung von Gammastrahlung
Die H.E.S.S.-Teleskope sind nach dem Entdecker der kosmischen Strahlung und Nobelpreisträger Victor Franz
Hess benannt, der von 1931 bis 1937 als Professor an der Universität Innsbruck tätig war. Sie messen
Gammastrahlen, die etwa 1.000 Milliarden Mal energiereicher sind als sichtbares Licht. Jedes dieser Gamma-Quanten
erzeugt beim Auftreffen auf die Erdatmosphäre unter anderem eine Vielzahl an geladenen Teilchen, welche wiederum
über den Cherenkov-Effekt (eine Art optisches Analogon zum Überschallknall) sichtbares Licht emittieren.
Die H.E.S.S.-Teleskope werden seit 2002 von einer internationalen Kollaboration in Namibia betrieben. Seit 2009
ist auch Österreich Mitglied, Olaf Reimer vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität
Innsbruck leitet die österreichische H.E.S.S.-Gruppe.
Der Krebsnebel
Der Krebsnebel gehört seit der Erfindung des Teleskops zu den am besten untersuchten, astrophysikalischen
Objekten und leuchtet hell durch das gesamte elektromagnetische Spektrum hinweg, von Radio- über Röntgen-
bis hin zu hochenergetischer Gammastrahlung. Er ist der Überrest einer Supernova, welche im Jahr 1054 im Sternbild
Stier beobachtet wurde.
Publikation
Resolving the Crab pulsar wind nebula at teraelectronvolt energies. H.E.S.S.
Collaboration (H. Abdalla et al.). Journal Nature Astronomy 2019 DOI: 10.1038/s41550-019-0910-0 (https://www.nature.com/articles/s41550-019-0910-0);
Arxiv: 1909.09494
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