Regierungsbildung
 Gusenbauer zu Zehn-Punkte-Papier der ÖVP: »Vieles liest sich wie ein ÖVP-Brief ans Christkind«
Gusenbauer bekräftigt Nein zu Parallelverhandlungen
Wien (sk) - SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer geht davon aus, dass die ÖVP ihr Zehn-Punkte-Programm im Bewusstsein vorgelegt hat, dass sie sich vieles davon "wieder abschminken" werde müssen. "Vieles davon liest sich wie ein ÖVP-Brief ans Christkind", sagte Gusenbauer am Dienstag (07. 01.) im ORF-"Mittagsjournal". Der SPÖ-Chef vermisst auch die Details zu Überschriften und zentrale Wahlkampfforderungen der ÖVP, wie im Bereich der Frauenpolitik. Gusenbauer sieht im Zehn-Punkte-Papier einen "ersten Versuch der ÖVP, sich für Koalitionsverhandlungen zu positionieren". Die morgigen Gespräche mit ÖVP-Chef Schüssel würden zeigen, wie weit eine Annäherung möglich sei. Schließlich sei es der Sinn eines Verhandlungsprozesses zu klären, ob man sich auf Dinge einigen kann oder nicht.

Zur ÖVP-Forderung nach einer Beistandsverpflichtung innerhalb der EU erklärte Gusenbauer: "Ich halte nichts davon, dass wir über ungelegte Eier diskutieren." Derzeit diskutiere der EU-Konvent über die Zukunft Europas und es sei heute noch nicht sichtbar, ob es auf europäischer Ebene überhaupt eine Beistandsverpflichtung geben werde. "Österreich wird das allein nicht durchsetzen können", so der SPÖ-Chef. Die österreichische Sicherheitspolitik sei durch Neutralität und Solidarität gekennzeichnet. Derzeit gebe es auf europäischer Ebene allerdings nichts, das die Solidarität erweitern könnte.

Zu der von der ÖVP geplanten schrittweisen Abschaffung der Frühpension gab Gusenbauer zu bedenken, dass es keinen Sinn mache, Menschen mit 55 Jahren in die Arbeitslosigkeit zu drängen und gleichzeitig über eine Pension erst ab 65 zu diskutieren. Viele Menschen seien dazu bereit, länger zu arbeiten. Allerdings müssten dann die entsprechenden Chancen und Möglichkeiten geschaffen werden.

Die von der ÖVP geforderten einheitlichen Selbstbehalte im Gesundheitsbereich erachtet Gusenbauer als keine taugliche Lösung, weil sich das finanziell schlechter gestellte Menschen nicht leisten könnten.

Gusenbauer geht davon aus, dass Anfang nächster Woche klar ist, wer mit wem über eine Regierung verhandeln wird. Die SPÖ werde nicht für Parallelverhandlungen zur Verfügung stehen, "denn es geht nicht um die Bildung von zwei oder drei österreichischen Bundesregierungen, sondern um die Bildung einer Bundesregierung". Und dazu müssten sich zwei mögliche Koalitionspartner so weit aufeinander einlassen können, weshalb exklusive Koalitionsverhandlungen notwendig seien.

 
Rauch-Kallat befremdet über Aussagen von Alfred Gusenbauer
Gewisse politische Kultur und Fairness erwartbar
Wien (övp-pk) - "Ein gewisses Maß an politischer Kultur und angemessenem Stil sollte gerade in dieser sensiblen Zeit der Koalitionsverhandlungen gewahrt bleiben", sagte am Dienstag (07. 01.) ÖVP-Generalsekretärin Abg.z.NR Maria Rauch-Kallat, die sich über die Aussagen von SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer im Mittagsjournal sehr befremdet zeigte. "Die Zeit der Wahlkampfrhetorik ist definitiv vorbei." Alfred Gusenbauer schlage mit seiner Wortwahl von heute in die selbe Kerbe wie Bürgermeister Michael Häupl und GPA-Vorsitzender Hans Sallmutter.

"Es entspricht nicht unseren Vorstellungen von Gesprächskultur, wenn ein Verhandlungspartner über die Medien ausrichtet, man könne sich gewisse Forderungen 'abschminken' bzw. es handle sich dabei um einen 'Brief ans Christkind'", sagte Rauch-Kallat. Auch Wortmeldungen führender SPÖ-Funktionäre aus dem ÖGB seien wenig hilfreich und vertrauensfördernd.

 
 Prinzhorn: "Haben Sondierungen hinter uns gebracht"
Reformkurs ist unbestritten
Wien (fpd) - "In vier Arbeitsgruppen hat die FPÖ mit der ÖVP die Themenschwer- punkte abgeklärt. Für uns ist die Frage der Sondierung hinter uns gebracht", meinte der stellvertretende FPÖ-Bundesparteiobmann Thomas Prinzhorn in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Klubobmann Karl Schweitzer, Verteidigungsminister Herbert Scheibner und Verkehrsminister Mathias Reichhold am Dienstag (07. 01.). FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Haupt konnte witterungsbedingt nicht an der Pressekonferenz teilnehmen.

Der Reformkurs sei unbestritten, erklärte Prinzhorn. Bei den Gesprächen sei dort fortgesetzt worden, wo die Reformregierung begonnen habe. Somit sei eine Übereinstimmung nicht schwer herzustellen gewesen. Als Themenschwerpunkte nannte Prinzhorn die Bundesstaatsreform, die steuerliche Gerechtigkeit, also die Entlastung der Kleinverdiener im selbständigen, vor allem aber unselbständigen Bereich sowie die Harmonisierung des öffentlichen Dienstes und die arbeitsrechtliche Gleichstellung, weiters die Steuerfreiheit für jährliche Einkommen bis 14.500 Euro brutto und die Halbierung des Spitzensteuersatzes für nicht entnommene Gewinne.

Klubobmann Schweitzer stellte klar, daß es sich bei den von der ÖVP gestern präsentierten zehn Reformpunkten bei näherer Betrachtung langjährige freiheitliche Forderungen handle und belegte dies anhand von Beispielen wie etwa der Aufhebung der Zweidrittelmehrheit im schulischen Bereich, der Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie oder der Beschleunigung von Asylverfahren. Schweitzer vermißt im ÖVP-Papier allerdings Vorschläge zur Familienpolitik und zur Umsetzung der Kyoto-Zielsetzungen.

Minister Scheibner nahm zu den Punkten Sicherheitspolitik, Landesverteidigung, Justiz und Inneres Stellung und bezeichnete den verlauf der Gespräche in diesen Bereichen als konstruktiv. In der Landesverteidigung sei man übereingekommen, daß die Reformen weitergeführt und ergänzt werden müßten. Auf Österreich kämen weitere Herausforderungen wie Naturkatastrophen und der Terrorismus zu. Die internationale Kompetenz müsse stärker als bisher werden. Scheibner verlangte ein verbindliches Budgetprogramm für die Landesverteidigung für die nächsten vier Jahre, um nicht dann erst die Finanzierung überlegen zu müssen. Man müsse auch eine Beistandsgarantie innerhalb der EU zur Diskussion stellen.

Minister Reichhold berichtete, daß die Verhandlungen in seinen Bereichen fast schon den Charakter von Koalitionsverhandlungen angenommen hätten. Wenn die ÖVP eine weitere Reformkoalition anstrebe, solle sie in Koalitionsverhandlungen eintreten. Hinsichtlich der ÖBB sprach sich Reichhold für eine strategische Holding aus. Weiters betonte er die Notwendigkeit der Abschaffung der Doppelmaut, die Notwendigkeit der Lösung der Transitfrage, die aus österreichischer Sicht nicht positiv abgeschlossen werden konnte, und die Stärkung des Persönlichkeitswahlrechts.
 
zurück