Das neue Zahlungsmittel und die Währungsunion haben sich bewährt – Gouverneur Dr. Liebscher
und Dr. Duchatczek ziehen Bilanz
Wien (oenb) - Mit Ablauf des Jahres 2002 beging die Europäische Währungsunion ihr vierjähriges
Bestehen. Am 1. Jänner 1999 wurde mit der Einführung des Euro in elf Ländern (seit 1.1.2001 in zwölf
Ländern) der Europäischen Union ein bis dahin einmaliges Vorhaben in der Geschichte Europas realisiert.
Die Aufgabe nationaler Währungen und die Übertragung geldpolitischer nationaler Souveränität
durch die Teilnehmerländer auf das ESZB (Europäisches System der Zentralbanken) als neue und nunmehr
einzig währungspolitisch verantwortliche Institution stellen nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht einen
Meilenstein in der Nachkriegsgeschichte Europas dar, sondern sind auch als wichtige Schritte hin zu einer engeren
politischen Zusammenarbeit in Europa zu sehen.
Die Einführung des Euro stellt die logische Ergänzung zum gemeinsamen Binnenmarkt dar. Sie verstärkt
die Vorteile, die sich durch die Vereinheitlichung und Liberalisierung der Märkte in Europa ergeben. Der Einfluss
von Wechselkursschwankungen auf die wirtschaftliche Entwicklung wird ausgeschaltet, wodurch vor allem kleine offene
Volkswirtschaften profitieren, die wie Österreich ihren Außenhandelsschwerpunkt in Europa haben. Gleichzeitig
verstärkt der direkte Preisvergleich zwischen verschiedenen nationalen Märkten den Wettbewerbsdruck und
verhindert Marktsegmentierungen und Monopolisierungstendenzen.
In den abgelaufenen vier Jahren hat das ESZB erfolgreich die geldpolitischen Rahmenbedingungen für über
300 Millionen Bürger gesetzt und damit wesentlich zum wirtschaftlichen Wachstum und zum Wohlstand im Euroraum
beigetragen. Die wichtigste Aufgabe, die das ESZB zu erfüllen hat, ist die Wahrung der Preisstabilität.
Seit Beginn der Währungsunion wurde konsequent und erfolgreich das Ziel der Preisstabilität verfolgt.
Vor allem in den wirtschaftlich und weltpolitisch schwierigen Jahren 2001 und 2002 hat sich die auf Preisstabilität
ausgerichtete Geldpolitik bewährt und dem Euro zu einem hohen Grad an
Stabilität verholfen.
Zusätzlich sind die anderen wirtschaftspolitischen Akteure aufgerufen, Maßnahmen zu ergreifen, um die
Wachstumsaussichten im Euroraum langfristig abzusichern. Im Besonderen sind die Struktur-, Fiskal- und Lohnpolitik
gefordert, notwendige Reformen auf den Güter- und Arbeitsmärkten durchzuführen, um bestehende Erstarrungen
aufzulösen und damit die Voraussetzungen zu schaffen, dass das vorhandene Wirtschaftspotenzial im Euroraum
bestmöglich genutzt werden kann.
Bezüglich des Vorhalts eurobedingter Preiserhöhungen, betonte Dr. Liebscher neuerlich, dass mehrere wirtschaftswissenschaftliche
und statistische Untersuchungen einhellig zum Schluss kommen, dass im Vergleich zum Vorjahr lediglich ein geringer
Preisanstieg in der Größenordnung von maximal 0,2 Prozentpunkten feststellbar ist, der direkt mit der
Euro-Bargeldeinführung in Verbindung gebracht werden kann. Die subjektive Empfindung, dass es im Zuge der
Euro-Bargeldeinführung zu inflationären Effekten gekommen sein könnte, findet somit eine gewisse,
wenngleich eingeschränkte Bestätigung. Beim Gros der Produkte und Dienstleistungen gab es jedoch keine
umstellungsbedingten Preiserhöhungen. "Gerade in Österreich hat sich die Wirtschaft verantwortungsbewusst
verhalten", so Dr. Liebscher.
Einer der OeNB vorliegenden IFES-Studie für das 4. Quartal 2002 zufolge halten 58% der österreichischen
Bevölkerung die gemeinsame Währung für eine gute Sache. Gefestigt hat sich auch die Meinung, wonach
der Euro eine stabile Währung ist. Derzeit sind davon wie im letzten Quartal 75% der Befragten überzeugt.
Unverändert drei Viertel der Bevölkerung sind nach eigenen Angaben über die Sicherheitsmerkmale
der Euro- Banknoten informiert. Diese Umfragewerte sind zwar erfreulich - auch was den Vergleich mit dem Euroraum
angeht - aber dennoch verbesserungswürdig. Deshalb ist die OeNB gerade dabei ihre Informationsaktivitäten
neuerlich zu intensivieren. Vertrauen ist im Bereich der Geldpoltik ein zentraler Faktor. Dieses stabil zu halten
bzw. noch zu steigern, ist eine unserer ureigensten Aufgaben als nationale Zentralbank, betonte Gouverneur Dr.
Liebscher.
Mit dem Euro-Bargeldtausch hat die OeNB eines der größten Projekte ihrer 185-jährigen Geschichte
erfolgreich bewältigt, betonte Dr. Duchatczek, Mitglied des Direktoriums der Oesterreichischen Nationalbank.
Hinsichtlich Planung, Produktion und Logistik lief alles dank einer optimalen Zusammenarbeit aller involvierten
Beteiligten nach Plan.
Das Euro-Bargeld hat sich in kürzester Zeit zu einer "echten" europäischen Währung entwickelt.
Der Anteil an ausländischen Münzen ist in den ersten 9 Monaten des Jahres 2002 kontinuierlich angestiegen
und erreichte einen Anteil von 20%. Am häufigsten finden sich nach den österreichischen Münzen nach
wie vor jene deutscher Prägung (13%) gefolgt von italienischen Prägungen (4%), erläuterte Dr. Duchatczek.
Ein vergleichbares Bild zeigt sich auch bei den Banknoten. Die im Umlauf befindliche Menge an Banknoten sowie der
Anteil der verschiedenen Nominalen in den Haushalten ist relativ stabil geblieben, aber der Auslandsanteil ist
weiter gestiegen. Der Anteil ausländischer Banknoten betrug im November rund 39%. Räumlich betrachtet
geht die Migration natürlich im Westen von Österreich aufgrund der EU-Grenzen deutlich schneller voran,
als das im Osten Österreichs der Fall ist.
Die durchschnittliche Geldbörse von Herrn und Frau Österreicher enthält 14 Münzen und 5 Banknoten.
Von einer Münzflut, die seitens der Bevölkerung mit Einführung der neuen Währung befürchtet
wurde, kann bei diesem Ausmaß nicht gesprochen werden. Die mögliche Einführung einer 1- bzw. einer
2-Euro-Banknote ist aus österreichischer Sicht positiv zu bewerten, die Diskussion innerhalb der EZB befindet
sich allerdings in einem frühen Stadium, weshalb noch kein möglicher Zeitplan feststeht.
Die intensive Informations- und Öffentlichkeitsarbeit im Zuge der Euro-Bargeldeinführung macht sich auch
gerade vor dem Hintergrund auftretender Euro-Fälschungen bezahlt. Das Eurosystem ist ja schon aufgrund seiner
Größe für Fälscher um einiges "attraktiver" als einzelne kleine nationale Währungsräume.
Genaue und detaillierte Kenntnis um die Sicherheitsmerkmale der Euro-Banknoten - getreu dem Motto Sehen, Fühlen,
Kippen - sind der beste Schutz vor "Blüten",
unterstrich Dr. Duchatczek.
Im Jahr 2002 wurden insgesamt 3.409 Fälschungen aus dem Umlauf entnommen und bei der OeNB eingeliefert. Die
50-Euro-Banknote bleibt mit 67% aller Fälschungen weiterhin die am häufigsten gefälschte Banknote
gefolgt von der 100-Euro-Banknote mit einem Anteil von 26 %. Insgesamt (Valuten + Euro-Fälschungen) kann von
keinem signifikanten Anstieg gesprochen werden. Der Gesamtschaden beträgt bisher etwas mehr als € 220.000,
ist also im Vergleich zu anderen Delikten wie Ladendiebstahl oder Kartenbetrug eher gering.
Um die Weitergabe von Fälschungen hintanzuhalten werden derzeit erneut Bargeldschulungen für Kassiere
unter Berücksichtigung des letzten Informationsstandes insbesondere für den Handel durchgeführt.
Prävention ist in diesem Fall der beste Schutz gegen Missbrauch, so Dr. Duchatczek.
Die neueste "Eurowerteverständnis"-Studie von Fessel+GfK und der ARGE Wirtschaftspsychologie der
Universität Wien, kommt zum Schluss, dass sich die ÖsterreicherInnen immer besser auf das neue Zahlungsmittel
einstellen und langsam beginnen ein Werteverständnis aufzubauen. Während nur mehr 9% der Bevölkerung
bei Gütern des täglichen Bedarfs exakt umrechnen, geben bereits 55% der Befragten an, die Euro-Preise
überhaupt nicht mehr in Schilling umzurechnen. "Diese Entwicklung stimmt uns zuversichtlich und wir sind
guter Hoffnung, dass sich dieser positive Trend weiter fortsetzen wird", schloss Direktor Dr. Duchatczek. |