|
|
|
|
Der Euro – eine stabile Währung |
Dr. Klaus Liebscher, Gouverneur Oesterreichischen Nationalbank, hielt anläßlich des Neujahrsempfanges
des Burgenländischen Wirtschaftsbundes am 16. Jänner 2003 in Güssing folgenden Vortrag, den wir
hier im Wortlaut zur Lektüre anbieten.
"Ich möchte die Gelegenheit nutzen, fast genau vier Jahre nach der “virtuellen” und ein Jahr nach der
“physischen” Einführung des Euro eine vorläufige Bilanz zu ziehen.
Das Euro-Bargeld ist in allen zwölf Euro-Teilnehmerstaaten sehr positiv aufgenommen worden. Mittlerweile haben
die meisten von uns wohl auch ein gewisses Wertgefühl für die täglichen Geschäfte in Euro erworben.
Für nicht-alltägliche Transaktionen - ich denke hier an größere Anschaffungen - wird man wohl
noch einige Zeit gedanklich Euro- in Schilling-Beträge umrechnen. Aber das betrachte ich weniger als einen
problematischen, sondern eher als einen gewöhnungsbedürftigen Aspekt bei der Anwendung des Euro als Zahlungsmittel.
Man hört jedoch auch kritische Töne: der Euro sei ein “Teuro”! So mancher weiß eine wenig erfreuliche
Anekdote von einem Händler oder Gastgewerbebetrieb zu erzählen, wo die Euro-Bargeldumstellung zu ungerechtfertigten
Preiserhöhungen genutzt worden wäre. Und selbst der Präsident der EZB, Wim Duisenberg, wurde kurz
vor dem Jahreswechsel wohl etwas missverständlich zitiert. Gestatten sie mir, dass ich mich zu diesem Thema
kurz, aber dennoch möglichst fundiert und vor allem objektiv widme:
Mehrere Institutionen im In- und Ausland haben mittlerweile die Auswirkungen der Euro-Bargeldeinführung auf
die Inflationsrate untersucht und kommen dabei zu sehr einhelligen Schlüssen. Ich zitiere stellvertretend
aus der Untersuchung von Eurostat, dem Statistischen Amt der Europäischen Union, deren Ergebnisse grundsätzlich
auch für Österreich gelten:
Eurostat stellt in dieser Studie die durchschnittliche Teuerungsrate des Euroraums der ersten sechs Monate 2002
jener der letzten Monate des Jahres 2001 gegenüber. Vom Preisanstieg im Ausmaß von 1,4% in dieser Periode
lassen sich demnach 1,2 Prozentpunkte eindeutig durch Faktoren erklären, die nicht direkt der Euro-Bargeldeinführung
zuzuschreiben sind.
Eine wichtige Rolle haben in diesem Zeitraum wetterbedingte Preisanstiege für Obst und Gemüse, die Entwicklung
der Auto- und Energiepreise sowie in einigen Ländern Steueränderungen gespielt. Ein direkt der Euro-Bargeldeinführung
zurechenbarer Preisanstieg kann somit nur im Bereich bis zu 0,2 Prozentpunkten angesiedelt sein.
Um die hinter diesem maximal 0,2 Prozentpunkte betragenden Effekt stehenden Faktoren zu untersuchen, identifiziert
Eurostat jene Subindizes im Verbraucherpreisindex, die ein ungewöhnliches Preismuster aufweisen. Hier zeigt
sich, dass unübliche Preisentwicklungen, die mit der Euro-Bargeldeinführung in Zusammenhang gebracht
werden könnten, vor allem im Dienstleistungsbereich, und hier speziell bei Restaurants und Cafés, aber
auch im Gesundheits- und Reparaturbereich anzutreffen sind.
Die subjektive Empfindung, dass es im Zuge der Euro-Bargeldeinführung in vereinzelten Fällen zu Preiserhöhungen
gekommen sein könnte, findet somit eine gewisse, wenngleich sehr eingeschränkte Bestätigung. Aber
bitte lassen wir die Kirche im Dorf: In Summe handelt es sich um einen Preisanstieg, der mit einer temporär
höheren Inflationsrate von bis maximal 0,2 Prozentpunkten kaum messbar ist. Die Euro-Bargeldeinführung
kann somit keinesfalls als preistreiberisch bezeichnet werden.
Für Österreich lässt sich diese Aussage eindrucksvoll an den Preissteigerungsraten des letzten Jahrzehnts
bestätigen: Lag der Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindex zwischen 1992 und 1998 bei durchschnittlich
2,1% per annum, betrug derselbe zwischen 1999 und 2002 lediglich knapp 1,7% und im abgelaufenen Jahr 2002 bei etwa
1,8%.
Die Idee dieser stabilitätsorientierten, gemeinsamen europäischen Währung ist so attraktiv, dass
sich zahlreiche Länder außerhalb des Euroraums möglichst bald aktiv am Erfolgsmodell “Euro” beteiligen
möchten. Ich denke hier nicht nur an die Beitrittskandidatenländer, sondern auch an Dänemark, Schweden
und - mit einem größeren Fragezeichen - Großbritannien.
Lassen sie mich im Folgenden die Attraktivität der gemeinsamen Währung erläutern, und dabei auch
die Chancen und Herausforderungen die mit dem Euro verbunden sind, darstellen. Die Attraktivität des Euro
wird von mehreren Pfeilern getragen:
Ein oft vernachlässigter, aber zweifellos essenzieller Grundgedanke der gemeinsamen Währung war und ist
der einende, friedens- und integrationspolitische Aspekt: Die Einführung des Euro als Buchgeld Anfang 1999
und des Euro-Bargelds Anfang des Jahres stellen die jüngsten Schritte im europäischen Integrationsprozess
dar, der bekanntlich bereits kurz nach dem 2. Weltkrieg und im Bewusstsein der konfliktträchtigen Geschichte
Europas in Gang gesetzt wurde.
Der Euro macht Europa für seine Bevölkerung direkt und konkret fassbar: Jede Münze, jede Euro-Banknote
symbolisiert Europa. Den nun heranwachsenden Generationen wird nicht zuletzt deshalb der Begriff Europa bzw. das
Selbstverständnis, nicht nur Österreicher, Deutscher, Italiener, sondern auch Europäer zu sein,
näher sein, als dies bei den Generationen davor jemals der Fall gewesen ist. Zudem vertieft die Währungsunion
den politischen Zusammenhalt Europas, was für uns Europäer nur positiv sein kann.
Aus wirtschaftpolitischer Sicht ist die Attraktivität des Euro vorrangig auf die stabilitätsorientierte
Ausrichtung der Währungsunion zurückzuführen, die sich vor allem in der Geld- und Fiskalpolitik
widerspiegelt.
Die Erfahrungen aus der europäischen Wirtschaftsgeschichte - untermauert durch die Volkswirtschaftstheorie
- haben dazu geführt, dass das Ziel der gesetzlichen und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen der Währungsunion
die Schaffung eines nachhaltig stabilen und international wettbewerbsfähigen Wirtschaftsraums ist. So wie
die symbolischen Brücken und Tore auf den Euro-Banknoten in der Realität fester Grundmauern bedürfen,
so steht auch der gesetzliche und wirtschaftspolitische Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion auf soliden
Fundamenten. Lassen sie mich zunächst den geldpolitischen Rahmen der Währungsunion, der zur Attraktivität
des Euro entscheidend beiträgt, erläutern.
Das im EG-Vertrag gesetzlich verankerte, vorrangige Ziel der Geldpolitik ist die Sicherung von Preisstabilität.
Preisstabilität wird definiert als ein Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindex im Durchschnitt des
Euroraums von mittelfristig unter 2% gegenüber dem Vorjahr. Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles
der Preisstabilität möglich ist, unterstützt das Eurosystem, wie sich die EZB und die nationalen
Notenbanken der an der Währungsunion teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten bezeichnen, die anderen wirtschaftspolitischen
Ziele des Euroraums.
Die Fokussierung auf Preisstabilität beruht auf einem klaren volkswirtschaftlichen Kalkül: Preisstabilität
ist eine unabdingbare Voraussetzung für nachhaltig hohes Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum, da
sie die Kaufkraft der Währung erhält und die Planungssicherheit für Unternehmen wie private Haushalte
erhöht. |
|
|
|
Damit sich das Eurosystem unbeirrt am Ziel der Preisstabilität orientieren kann, ist das Eurosystem per Gesetz
unabhängig. Das bedeutet, dass “weder die EZB noch eine nationale Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane
Weisungen von Organen oder Einrichtungen der EU, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen
oder entgegennehmen” darf.
Das zentrale Beschlussorgan des Eurosystems ist der EZB-Rat, der sich aus den sechs Direktoriumsmitgliedern der
EZB und den derzeit zwölf Gouverneuren der am Euro teilnehmenden nationalen Zentralbanken zusammensetzt. Hier
gilt das Prinzip “eine Person – eine Stimme”.
Das Eurosystem ist grundsätzlich dezentral aufgebaut. Strategische Entscheidungen fallen gemeinsam im EZB-Rat.
Die Umsetzung erfolgt jedoch dezentral durch die einzelnen am System teilnehmenden Zentralbanken. So bleibt die
Oesterreichische Nationalbank eine nationale Institution mit einer Vielzahl von nationalen und europäischen
Aufgaben.
Neben ihrer Mitwirkung an der einheitlichen Geldpolitik übernimmt die OeNB zum Beispiel die Durchführung
der Geldmarktoperationen mit den österreichischen Kreditinstituten. Weiters hat die OeNB eine Reihe zusätzlicher
Aufgaben, wie die Verwaltung der Währungsreserven, Aufgaben im Zusammenhang mit dem Zahlungsverkehr und der
Zahlungssystemaufsicht, Finanzmarktaufsichts-Agenden, die Erstellung volkswirtschaftlicher Analysen und Statistiken,
die geldpolitische Kommunikation mit der eigenen Bevölkerung, sowie die Vertretung in zahlreichen internationalen
Arbeitsgruppen und Institutionen, wie zum Beispiel der EZB, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) oder der
Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ).
Darüber hinaus ist die OeNB - insbesondere über ihre Tochtergesellschaften - intensiv in die Zahlungsmittelproduktion
und -Logistik involviert und stellt damit unter anderem die Versorgung der österreichischen Volkswirtschaft
mit Euro-Banknoten und -Münzen sicher.
Die Aufgabe der Geldpolitik ist es, ein stabiles Fundament bereitzustellen, auf das wir vertrauen und bauen können.
Damit der Euroraum das Potenzial der Geldpolitik des Eurosystems voll nutzen kann, bedarf es verantwortungsvoller
und weitsichtiger Fiskal-, Struktur-, und Lohnpolitiken, die es verstehen, das Fundament Preisstabilität bestmöglich
zu nutzen. Basierend auf dieser Überlegung hat auch die Fiskalpolitik in der Währungsunion einen klar
definierten, stabilitätsorientierten Rahmen erhalten. Mit dem Maastricht-Vertrag und dem Stabilitäts-
und Wachstumspakt ergab sich in der Finanzpolitik der EU-Mitgliedstaaten ein Paradigmenwechsel:
Die fiskalpolitische Stabilitätsorientierung, die früher nur in wenigen EU-Mitgliedstaaten galt, hat
nun im gesamten Euroraum Einzug gehalten. Die Staaten im Euroraum haben sich im Stabilitäts- und Wachstumspakt
dazu verpflichtet, ihre Budgetpolitik so auszurichten, dass mittelfristig ein ausgeglichener Haushalt oder ein
Überschuss erreicht wird. Dieses Ziel muss intelligent umgesetzt werden, indem beim staatlichen Konsum und
nicht den Investitionen gespart wird. |
|
|
|
Betrachtet man die fiskalpolitische Entwicklung im Euroraum, stellt man fest, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt
tatsächlich einiges bewirken konnte. Erstmals seit Jahrzehnten war im Jahr 2000 der aggregierte Budgetsaldo
der Euroraum-Teilnehmerstaaten leicht positiv, und auch Österreich wies im Jahr 2001 ein ausgeglichenes Budget
auf. Leider verabsäumten jedoch einige Staaten, allen voran Deutschland, Frankreich und Portugal, ein rasches
und rechtzeitiges Rückführen ihrer Budgetdefizite, sodass diese Länder nun - verstärkt durch
die derzeitige Konjunkturschwäche - Budgetdefizite aufweisen, die gefährlich nahe an bzw. im Falle Deutschlands
und Portugals sogar über der 3%-Defizitgrenze liegen.
Die Finanzminister des Euroraums verständigten sich im Oktober 2002 darauf, ihre strukturellen - d.h. also
die um konjunkturelle Schwankungen bereinigten - Budgetdefizite ab dem nächsten Jahr um zumindest 0,5 % des
BIP jährlich zu reduzieren. Jene Mitgliedstaaten die ein Defizit von mehr als 3% d. BIP aufweisen wurden aufgefordert
ambitioniertere Maßnahmen zu setzen.
An dieser Stelle ist es wichtig zu betonen, dass das Kernstück der stabilitätsorientierten Fiskalpolitik
in der Währungsunion, nämlich die Einhaltung der 3%-Budgetdefizitgrenze, außer Streit steht. Gegen
Deutschland und Portugal, jene Staaten die die 3%-Grenze überschritten haben, wurden bereits die entsprechenden
Verfahren auf europäischer Ebene eingeleitet, mit dem Ziel die überhöhten Budgetdefizite alsbald
zurückzuführen.
Die Attraktivität des Euro, um zu meinem Ausgangspunkt zurückzukommen, liegt aber nicht nur in seiner
Integrationsfunktion und dem stabilitätsorientierten geld- und fiskalpolitischen Rahmen, sondern auch darin,
dass mit dem Euro ein noch stärker integrierter, europäischer Binnenmarkt entstanden ist, dass sich der
Wettbewerb zwischen den EU-Mitgliedstaaten im Bereich ihrer Strukturpolitiken unweigerlich erhöht, was zu
flexibleren, effizienteren und international wettbewerbsfähigeren Volkswirtschaften führen wird, und
dass der Euro trotz seiner kurzen Geschichte und einem schwierigen internationalen Konjunkturumfeld bereits jetzt
bewiesen hat, dass er einen wirtschaftlichen Stabilitätsanker für Europa darstellt.
Lassen sie mich diese Aspekte kurz erläutern:
Mit der Verwirklichung des Binnenmarktes Ende 1992 und der Verankerung des freien Personen-, Güter-/Dienstleistungs-
und Kapitalverkehrs wurden zwar die nationalen Grenzen innerhalb der EU aus wirtschaftlicher Sicht beseitigt, aber
erst die Währungsunion hat aus dem Euroraum tatsächlich einen Heimatmarkt mit rund 300 Millionen Einwohnern
gemacht.
Dieser, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, zweitgrößte Binnenmarkt der Welt nach den USA bietet den Unternehmen
größere Chancen, den Konsumenten eine höhere Auswahl bei tendenziell niedrigeren Preisen, den Investoren
einen stärker integrierten, liquideren Kapitalmarkt und den Bürgern vielfältigere berufliche Möglichkeiten.
Und das wiederum - und darin sind sich die Volkswirte weitestgehend einig - führt zu einer effizienteren Ressourcenverteilung,
was in einem höheren und stabileren Wirtschaftswachstum resultiert.
In den letzten Jahren und Jahrzehnten ist eine neue Qualität des Wettbewerbs entstanden. Der Handel mit Waren,
Dienstleistungen und Kapital hat deutlich zugenommen. Die gestiegenen Handelsverflechtungen innerhalb der EU stehen
natürlich eng mit dem Binnenmarkt und der Währungsunion in Zusammenhang, aber auch auf internationaler,
globaler Ebene hat sich der Export und Import von Gütern, Dienstleistungen und Kapital deutlich intensiviert.
Damit entstanden für österreichische Unternehmen neue Absatzmärkte, mit einem wesentlich größeren
Kundenpotenzial als es in Österreich jemals vorhanden sein könnte. Damit entstanden für österreichische
Unternehmen aber auch neue Wettbewerber, sei es innerhalb der EU oder in den USA, in Mittel- und Osteuropa, Asien
oder Lateinamerika. Der Standortwettbewerb hat sich offensichtlich deutlich intensiviert, und er wird sich - ob
wir es wollen oder nicht - noch weiter verschärfen.
Nun wäre es ein Fehler, aus diesem Phänomen voreilig den Schluss zu ziehen: “Es gibt nur mehr eine treibende
Kraft, die die ökonomische Welt erklärt, nämlich den gnadenlosen internationalen Wettbewerb, in
dem der Billigstbieter den Ton angibt.
Tatsächlich ist die Intensität des Wettbewerbsdrucks sehr unterschiedlich. Sie hängt vom konkreten
Produkt bzw. der konkreten Dienstleistung ab, von der internationalen Handelbarkeit dieser Produkte und Leistungen,
von der Kreativität der Unternehmen, die durch Produkt- und Prozessinnovationen, durch Qualität und den
Aufbau von Markennamen den reinen Preiswettbewerb begrenzen können. Doch Produktivität und Kostenstrukturen,
unter welchen die Produkte erzeugt und verkauft werden können, stellen natürlich ebenfalls einen wesentlichen
Wettbewerbsfaktor dar.
Über kurz oder lang würde die Wirtschaftspolitik jener Regionen des Euroraums, die sich auf Grund mangelnder
Wettbewerbsfähigkeit wirtschaftlich weniger gut entwickeln, nicht umhin kommen, strukturelle Reformen in den
Produkt-, Finanz- und Arbeitsmärkten einzuleiten, um diese Volkswirtschaften flexibler, effizienter und damit
wieder wettbewerbsfähiger zu machen. Damit stellt die Währungsunion, ähnlich wie die frühere
“Hartwährungspolitik” mit dem Schilling, einen erwünschten Antrieb für notwendige Strukturreformen
dar.
Die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit ist somit ein wesentlicher, ja ein unverzichtbarer Bestandteil unserer
sozialen Marktwirtschaft.
Die wirtschaftspolitische Verantwortung und Weitsicht erfordern, dass die notwendigen Strukturreformen von den
Entscheidungsträgern aktiv, frühzeitig und im Rahmen eines Gesamtkonzepts angegangen werden.
Die Lohnpolitik, die in der Verantwortung der Sozialpartner steht, ist in diesem Zusammenhang ebenfalls von großer
Bedeutung. Zu hohe Lohnabschlüsse würden die Produktionskosten der Unternehmen belasten und über
steigende Inflationsraten die Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Landes sukzessive reduzieren. Die Herausforderung
der Sozialpartner lautet, sich - so wie in Österreich bislang meist praktiziert - auf faire Lohnabschlüsse
am grünen Tisch zu einigen, die sich an dem Produktivitätsfortschritt und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit
der Gesamtwirtschaft orientieren und so dem Beschäftigungswachstum insgesamt förderlich sind.
Dass die positiven Effekte des Euro und die mit der einheitlichen Währung einhergehenden Reformen für
die europäische Wirtschaft tatsächlich bereits jetzt konkret spürbar sind, lässt sich anhand
der wirtschaftlichen Entwicklung des Euroraums seit 1999 gut darstellen:
Das durchschnittliche BIP-Wachstum im Euroraum von 1999 bis 2002 lag, trotz der schwierigen letzten Jahre, bei
etwa 2,2%[1]. Diese solide realwirtschaftliche Entwicklung wurde und wird von relativ niedrigen Inflationsraten
begünstigt: Die durchschnittliche Inflationsrate zwischen 1999 und 2002 betrug 2%[2], und für 2003 und
2004 gehen wir von Inflationsraten unterhalb der 2%-Marke aus.
Wie erwähnt waren die letzten Jahre von einem instabilen wirtschaftlichen Umfeld gekennzeichnet. Steigende
Ölpreise, gefolgt von steigenden Fleischpreisen auf Grund der Tierseuchen BSE sowie Maul- und Klauenseuche
in Europa, Überinvestitionen im High Tech-Sektor und das Platzen der Blase an den Aktienmärkten dämpften
bereits vor dem 11. September 2001 das Wirtschaftswachstum und ließen die Inflationsraten vorübergehend
ansteigen.
Die Terroranschläge erhöhten die wirtschaftlichen Unsicherheiten noch einmal beträchtlich und haben
in Verbindung mit den bis heute bestehenden geopolitischen Risiken, einem hohen Ölpreis und dem noch nicht
wiederhergestellten Vertrauen in die Risikokapitalmärkte (Stichwort “Enron”), zu einer bislang nicht überwundenen
Schwäche an den internationalen Aktienmärkten, einer sehr zurückhaltenden Investitionstätigkeit
und einem in Summe niedrigen und sehr fragilen Wirtschaftswachstum geführt.
In diesem Umfeld und vor dem Hintergrund tendenziell sinkender Inflationserwartungen senkte der EZB-Rat den Leitzins
bereits im Jahr 2001 von 4¾ auf 3¼% und weiter auf 2¾% im Dezember 2002.
Damit hat das Eurosystem einen wesentlichen Beitrag für eine Stabilisierung und Beschleunigung des derzeit
sehr verhaltenen Wirtschaftswachstums im Euroraum geliefert, ohne das Ziel der Erhaltung der Preisstabilität
aus den Augen zu verlieren.
Wir gehen heute davon aus, dass sich die Wirtschaft des Euroraums nach dem 1. Quartal 2003 kontinuierlich und spürbar
erholen wird. Nach einem schwachen realen Wirtschaftswachstum von rund 0,8% im letzten Jahr, sollte dieses auf
1,1 bis 2,2% im Jahr 2003 und 1,9 bis 2,9% im Jahr 2004 anziehen. Getragen werden sollte dieses Wachstum vor allem
vom privaten Konsum im Euroraum. |
|
|
|
Lassen Sie mich auf einen weiteren Aspekt eingehen, der die Attraktivität des Euro ausmacht:
Mit dem Euro haben wir eine Währung geschaffen, die sich sehr rasch als wahrlich internationale Währung
etablieren konnte.
Dies zeigt sich zum Beispiel darin, dass mittlerweile rund 50 Länder ihr Wechselkursregime in der einen oder
anderen Form am Euro orientieren. Hierbei handelt es sich meist um Staaten im näheren geografischen Umfeld
des Euroraums, wie zum Beispiel in Osteuropa und im Mittelmeerraum, die den Euro als Stabilitätsanker für
ihre eigene Währung verwenden, indem sie diese an den Euro - mehr oder weniger eng - anbinden. Der Euro bringt
somit nicht nur Stabilität in den Euroraum, sondern exportiert diese auch erfolgreich in Drittstaaten.
Die Attraktivität des Euro außerhalb der Währungsunion führt dazu, dass der Euro an den internationalen
Kapitalmärkten im direkten Wettbewerb mit dem US-Dollar steht. Die internationale Attraktivität des Euro
zeigt sich auch daran, dass der Euro nach dem Dollar die zweitwichtigste offiziell gehaltene Reservewährung
der Welt ist. Und dies spiegelt sich auch im internationalen Handel wider, wo der Euro zunehmend Fuß fasst
und den Importeuren wie Exporteuren des Euroraums das Geschäftsrisiko deutlich reduziert. Denn durch die Fakturierung
in Euro, die im internationalen Handel wesentlich leichter durchzusetzen ist als dies zum Beispiel beim Schilling
der Fall war, gibt es seitens der Euroraum-Unternehmer kein Wechselkursrisiko und auch keine Transaktionskosten,
die beim Rückwechseln einer fremden in die eigene Währung entstehen.
Es sind Investoren, Unternehmen und Finanzinstitute auf der ganzen Welt die letztlich darüber entscheiden,
ob eine Währung zu einer internationalen Währung wird. Dass der Euro rasch zu einer solchen wurde und
heute gemeinsam mit dem US-Dollar an der Spitze des Weltwährungssystems steht, ist als Erfolg und Bestätigung
des wirtschaftspolitischen Rahmens, in dem sich der Euroraum bewegt, zu werten.
Mit der Vollendung der Währungsunion trat das nächste Zukunftsprojekt der EU stärker in den Vordergrund:
Die Erweiterung der Union.
Die Erweiterung mag noch wie eine Vision scheinen, die großartige Chancen, aber auch hohe Herausforderungen
in sich birgt. Ganz so, wie auch die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl,
die weiteren Integrationsstufen zur Europäischen Gemeinschaft und Europäischen Union sowie die Schaffung
einer gemeinsamen Währung zunächst Zukunftsprojekte mit Chancen, aber auch gewaltigen Herausforderungen
waren. So wie jedoch die Gemeinschaft für Kohle und Stahl, die EG, die EU und die Währungsunion - wie
wir heute zweifelsfrei wissen - wichtige und richtige Integrationsschritte waren, die die politische und wirtschaftliche
Stabilität Europas gesteigert und somit allen zu mehr Sicherheit und Wohlstand verholfen haben, so bin ich
überzeugt, dass die gut vorbereitete Erweiterung der EU als höchst positiver Integrationsschritt in die
Geschichte eingehen wird.
Aus währungspolitischer Sicht stellt sich die Erweiterung als dreistufiger Prozess dar: In der ersten Stufe
werden die Kandidatenländer der EU beitreten. Der Europäische Rat von Kopenhagen hat, wie sie sicherlich
wissen, erst kürzlich beschlossen, dass die nächste Erweiterungsrunde mit zehn neuen EU-Mitgliedstaaten
per 1. Mai 2004 stattfinden wird. In einem zweiten Schritt werden die neuen EU-Mitglieder am Europäischen
Wechselkursmechanismus (WKM II) für zumindest zwei Jahre teilnehmen. Im dritten und letzten Schritt werden
sie voraussichtlich den Euro einführen.
Voraussetzung für die Einführung des Euro, also für die volle Teilnahme an der Währungsunion
und die Integration der Zentralbank des Beitrittslandes in das Eurosystem, ist die strikte und nachhaltige Erfüllung
der Konvergenzkriterien. Es sollen für die Beitrittskandidaten dieselben Spielregeln wie bei den “Pionieren
der Währungsunion” gelten, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich möchte bei der Einführung des
Euro auch vor übertriebener Eile durch die heutigen Kandidatenländer warnen. Denn eine verfrühte
Übernahme des Euro könnte für diese mit unverhältnismäßig großen finanz- und
realwirtschaftlichen Anpassungslasten verbunden sein - und das nach einem bereits langen und stellenweise mühevollen
Transformationsprozess ihrer Politik- und Wirtschaftssysteme, der ihren Bevölkerungen viele Opfer und große
Geduld abverlangte.
Der Euro bezieht seine Attraktivität aus vielfältigen Aspekten. Gestatten sie mir abschließend
den Versuch, diese in nur einem Satz zusammenzufassen: Für mich stellt der Euro die strategische Antwort Europas
auf die zunehmende politische wie wirtschaftliche Globalisierung sowie die damit verbundenen Herausforderungen
dar.
Damit der Euro auch langfristig ein Erfolg bleibt, darf die Wirtschaftspolitik nicht vom stabilitätspolitischen
Rahmen der Währungsunion abweichen und muss sich dem verbliebenen und dem sich immer wieder neu stellenden
Handlungsbedarf aktiv stellen."
[1] Reales BIP-Wachstum des Euroraums: 1999: 2,8%; 2000: 3,5%; 2001: 1,5%; 2002: 0,6 - 1,0%.
[2] Jahresinflationsraten des Euroraums: 1999: 1,1%; 2000: 2,3%; 2001: 2,5%; 2002: 2,1 - 2,3%. |
|
zurück |
|
|
|
|
|