Massive Störung des institutionellen Gleichgewichts befürchtet
Straßburg (evp-pd) - "Der deutsch-französische Vorschlag von Chirac und Schröder
führt einen Dualismus auf höherer Ebene in der Europäischen Union ein und ändert nichts an
der Gefahr der gegenseitigen Lähmung der Institutionen", warnte die Europasprecherin und Delegationsleiterin
der ÖVP Ursula Stenzel am Mittwoch (15. 01.) in Strassburg. "Auf der einen
Seite stimmt das deutsch-französische Tandem einer Stärkung des Kommissionspräsidenten durch dessen
Wahl durch das Europäische Parlament zu, auf der anderen Seite erfindet man einen Ratspräsidenten, der
den turnusmäßigen Vorsitz ablösen soll", kritisierte Stenzel.
Ein solches Führungsmodell würde nach Ansicht Stenzels das institutionelle Gleichgewicht in der EU massiv
stören und darüber hinaus im Widerspruch zur Gleichberechtigung aller Mitgliedsstaaten stehen. "In
dieser Konstellation besteht die Gefahr, dass sich Ratspräsident und Kommissionspräsident gegenseitig
lähmen", sagte Stenzel am Rande der Plenartagung in Strassburg. Sie könne sich auch nur schwer vorstellen,
dass sich ein auf fünf Jahre aus den Reihen des Rates gewählter Ratspräsident mit einer rein repräsentativen
Funktion zufrieden geben würde. "Täte er es, wäre er eine machtlose Galionsfigur, die den Steuerzahler
nur Geld kostet. Täte er es nicht, führt dies zu einer Schwächung der Kommission und ihres Kommissionspräsidenten,
aber auch des Europäischen Parlaments. Denn wozu wählt ein Europäisches Parlament erst einen Kommissionspräsidenten,
wenn dessen Funktion dann von einem Ratspräsidenten unterlaufen wird", fragte Stenzel.
Die Ansiedlung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik in der Kommission durch einen einzigen Funktionsträger
erscheint der ÖVP-Delegationsleiterin als erster Fortschritt. "Dieser kleine Erfolg wird aber durch den
Vorschlag zur EU-Doppelspitze gleichzeitig konterkariert. Man kann nur hoffen, dass dieser Vorstoß, der offenbar
auch das Wohlgefallen des mit dem Posten eines EU-Präsidenten kokettierenden spanischen Regierungschefs Aznar
findet, auf massiven Widerstand im EU-Konvent, im Europäischen Parlament, in der Kommission und letztlich
auch bei der Mehrzahl der Mitgliedsstaaten stößt", sagte Stenzel abschließend. |