| Bonn (alphagalileo) - Die Zahlen sind dramatisch: 15 Millionen Menschen weltweit leiden unter einer Herzinsuffizienz,
			ein bis drei Prozent aller Deutschen sind betroffen, jeder hundertste Euro, den die Krankenkassen zahlen, wandert
			in Diagnose, Therapie oder Prävention der chronischen Herzschwäche. Dennoch ist die Prognose schlecht:
			Jeder zweite Patient – egal, ob jung oder alt – stirbt innerhalb der ersten fünf Jahre, nachdem die Erkrankung
			diagnostiziert wurde. Wissenschaftler der Universität Bonn haben nun in Kooperation mit dem Herzzentrum Bad
			Oeynhausen nach den Ursachen der Herzinsuffizienz gefahndet. Sie fanden „deutliche Hinweise“, dass eine Unterversorgung
			mit Vitamin D zur Entstehung der Krankheit beiträgt. Ihre Ergebnisse haben sie nun im angesehenen Journal
			of the American College of Cardiology veröffentlicht (Vol. 41 Nr. 1, 2003, S. 105-112). 
 Bei einer Herzinsuffizienz ist der Hohlmuskel so geschwächt, dass er nicht mehr genügend Blut durch den
			Körper pumpen kann, um Organe und Muskulatur ausreichend zu versorgen. Die Patienten ermüden nach der
			geringsten Anstrengung, der Puls jagt, die Luft wird knapp. Aufgrund der schlechten Durchblutung versagen die Nieren
			ihren Dienst und können den Körper nicht mehr ausreichend entwässern. Folge: Wassereinlagerungen
			im Gewebe, so genannte Ödeme. Das Herz reagiert mit der Ausschüttung des Hormons ANP, das die Flüssigkeitsausscheidung
			fördert. Eine erhöhte ANP-Konzentration im Blut ist daher ein verlässlicher Hinweis auf eine Herzinsuffizienz
			– und zwar bereits im Frühstadium, wenn die Erkrankung kaum Symptome verursacht.
 
 Seit einigen Jahren ist bekannt, dass das Vitamin D in Zellkulturen die Produktion des „Entwässerungshormons“
			ANP hemmt. Hühner entwickeln unter Vitamin D-Mangel eine Herzschwäche, die wieder verschwindet, sobald
			Vitamin D mit dem Futter verabreicht wird. Und in Herzmuskelzellen der Ratte konnten Wissenschaftler zahlreiche
			„Andockstellen“ (Rezeptoren) für Vitamin D finden. So lag die Vermutung nahe, dass der Inhaltsstoff von Aal,
			Lachs und Hering auch bei der Entstehung der menschlichen Herzinsuffizienz eine Rolle spielen könnte.
 
 Hochschuldozent Dr. Armin Zittermann vom Bonner Institut für Ernährungswissenschaft ist mit seiner Doktorandin
			Stefanie Schulze Schleithoff in Kooperation mit dem Herzzentrum Bad Oeynhausen dieser These nachgegangen. Insgesamt
			nahmen an der weltweit ersten derartigen Studie 54 Patienten mit Herzschwäche und 34 gesunde Kontrollpersonen
			teil. Die Wissenschaftler bestimmten die Konzentration von zwei verschiedenen Vitamin D-Varianten im Blut der Probanden:
			Bei Personen mit Herzinsuffizienz waren die Werte um bis zu 50 Prozent niedriger als in der Kontrollgruppe. Die
			ANP-Menge war bei den Patienten dagegen auf mehr als das zweifache erhöht. Der Schweregrad der Erkrankung
			korrelierte mit dem Ausmaß des Vitamin D-Mangels. „All das sind starke Hinweise darauf, dass eine unzureichende
			Versorgung mit Vitamin D bei der Entstehung der chronischen Herzschwäche eine Rolle spielen könnte“,
			meint Dr. Zittermann. Momentan führen die Forscher eine Anschlussstudie durch, in der sie Herzpatienten Vitamin
			D verabreichen und kont Das Vitamin spielt unter anderem bei der Regulation der Kalzium-Konzentration im Körper
			eine Rolle – zum Beispiel, indem es die Kalzium-Aufnahme aus dem Darm verbessert. Es scheint aber auch den Kalzium-„Umschlag“
			in den Herzzellen beeinflussen zu können. Damit sich der Muskel zusammenziehen kann, muss die Kalziumkonzentration
			kurzfristig stark ansteigen. Dazu zapft das Herz einen innerzellulären Kalzium-Speicher an, den es bei der
			Entspannung mit Hilfe kleiner „Pumpen“ wieder füllt. Vitamin D scheint die Aktivität dieser Minipumpen
			zu beeinflussen. Wenn die aber nicht richtig funktionieren, kann der Herzmuskel nicht vollständig kontrahieren.
 
 Der Mensch bildet sein Vitamin D selbst. „75 bis 90 Prozent entstehen bei UVB-Bestrahlung in der Haut, den Rest
			nehmen wir über die Nahrung auf“, erklärt der Ernährungswissenschaftler. Wenigstens normalerweise:
			Wer tagein, tagaus ein Schattendasein im Büro fristet und in der Freizeit hauptsächlich vor dem Fernseher
			oder am Computer sitzt, bildet zu wenig Vitamin D. Und in den Wintermonaten reicht die Intensität der UVB-Strahlung
			im Sonnenlicht nicht aus – zumindest nicht in unseren Breiten. „In Industrieländern ist Vitamin D-Mangel ein
			häufiges Phänomen“, resümiert Dr. Zittermann. Besonders im Alter: Mit der Zeit verlieren wir die
			Fähigkeit, die wertvolle Substanz selbst zu synthetisieren – ein 80-Jähriger stellt bei gleicher UVB-Einstrahlung
			nur noch ein Viertel der Menge her wie ein 20-Jähriger. „Interessanterweise leiden fast alle Senioren auch
			unter zumindest leichter Herzinsuffizienz.“ Nicht auszuschließen ist im Moment, dass die Krankheit selbst
			zum niedrigen Vitaminspiegel beiträgt und damit ein Teufel Die Wissenschaftler raten davon ab, die Haut nun
			vermehrt durch intensives Sonnenbaden zu malträtieren. „Dazu ist UV-Strahlung einfach zu gefährlich“,
			erklärt der Ernährungswissenschaftler. „Außerdem steht der letzte Beweis für einen Zusammenhang
			noch aus..“ Nicht schaden könne aber der regelmäßige Genuss Vitamin D-reicher Kost. In nennenswerten
			Mengen ist die Substanz aber nur in Fisch enthalten – zwei bis drei Fischmahlzeiten pro Woche seien empfehlenswert.
 |