Schrift als Schlüssel zu Chinas Kultur
Bonn (alphagalileo) - Wissenschaftler aus China und Bonn haben den Aufbau eines Zentrums zur Erforschung der chinesischen Kultur an der Universität Bonn vereinbart. Das ist das Ziel einer Erklärung, die jetzt Professor Dr. Wolfgang Kubin, Direktor des Bonner Sinologischen Seminars, und Professor Dr. Zang Kehe von der East China Normal University Shanghai unterzeichnet haben. Mit umfangreichen Textdatenbanken und Zeichenkorpora soll das Zentrum der internationalen Sinologie neue Forschungs- und Recherchemöglichkeiten bieten.

Ziele des Zentrums sind vor allem die Erforschung der chinesischen Literatur, Geschichte und Philosophie sowie eine tiefere theoretische Durchdringung der Systemzusammenhänge in Gesellschaft und Kultur Chinas. Für besonders wichtig halten Professor Zang und Professor Kubin eine systematische Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses: So werde das Zentrum Kurse zur chinesischen Schrift, Sprache und Kultur „auf höchstem internationalen Niveau“ anbieten.

Professor Zang, den das Erziehungsministerium der Volksrepublik China vor zwei Jahren in den Kreis der hundert bedeutendsten Wissenschaftler Chinas wählte, wies bei der Unterzeichnung darauf hin, dass die Entdeckung zahlreicher antiker chinesischer Inschriften und Texte im vergangenen Jahrhundert einerseits einen wissenschaftsgeschichtlichen Meilenstein markiere. „Andererseits stellt sie aber die internationale Sinologie vor eine Herausforderung, der die China-Wissenschaftler bislang nicht angemessen begegnet sind: die Aufarbeitung und textkritische Herausgabe der neuen Materialien, ihre Erschließung in elektronischen Datenbanken und die Neubearbeitung der überlieferten Schriften im Lichte der neuen Textfunde.“

Im Rahmen eines Schwerpunktprogramms, das von der chinesischen Regierung mit umfangreichen Forschungsmitteln gefördert wird, bauen Professor Zang und seine rund 30 Mitarbeiter seit 1998 Sammlungen von Textkorpora und Datenbanken auf. Diese beinhalten die gesamten neu entdeckten Inschriften und Texte. Das Bonner Zentrum für die Erforschung der chinesischen Kultur soll diese Korpora künftig nutzbar machen, unter anderem durch die Entwicklung weiterer Datenbanken. Außerdem wollen die Wissenschaftler neue Lehrmaterialien zur Geschichte der chinesischen Schrift und Kultur entwickeln und interdisziplinäre Forschungsprojekte auf Grundlage der neu erschlossenen Quellen durchführen. Zudem ist ein regelmäßiger Austausch von Lehrpersonal und Studierenden vorgesehen.

Professor Kubin wies auf die große Bedeutung der Kooperation auch für die Universität Bonn hin: „Der Aufbau des Forschungszentrums bedeutet sicherlich einen Entwicklungsschub für die gesamte deutsche Sinologie, zugleich ist unsere Partnerschaft mit Shanghai aber auch ein wertvoller Beitrag zum weiteren Ausbau der Forschungsuniversität Bonn.“

Beide Seiten sind bemüht, die Vereinbarung so rasch wie möglich umzusetzen. Seit Beginn dieses Wintersemesters lehrt bereits Professor Dr. Wang Ping von der East China Normal University Shanghai an der Universität Bonn. Die 44jährige Wissenschaftlerin hat sich auf Bronzeinschriften und antike chinesische Wörterbücher spezialisiert. Professor Wang, deren Aufenthalt von chinesischen Erziehungsministerium und vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) finanziert wird, hält in diesem und im nächsten Semester Vorlesungen und Seminare zur Geschichte der chinesischen Schrift sowie Übungen zur Lektüre von Bronzeinschriften ab. Damit soll sie auch die Voraussetzungen für ein weiteres wichtiges Teilprojekt am Zentrum für die Erforschung der chinesischen Kultur schaffen: Auf der Grundlage der Shanghaier Inschriften-Datenbank sollen sämtliche rund 6000 Bronzeinschriften ins Englische übertragen werden. Bislang ist nur ein Bruchteil dieser Texte, die unter anderem an siegreiche Feldzüge erinnern, Landvergaben aufzeichnen, Opferzeremonien beschreiben und nicht zuletzt der Verherrlichung der eigenen Ahnenreihe dienten, in andere Sprachen übersetzt worden.
 
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