Swoboda: Irakkrise spaltet Europa
Bruno Kreisky Preis an Gerhard Roth
Wien (sk) - Als "Kriegstreiber" bezeichnete Hannes Swoboda, Leiter der SPÖ Delegation im europäischen Parlament, US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld am Donnerstag (30. 01.) im Rahmen der Verleihung des Bruno Kreisky Preises für das politische Buch an Gerhard Roth für sein literarisches Gesamtwerk. Rumsfeld hatte jenen Teil Europas, der das amerikanische Handeln in der Irakkrise kritisch betrachtet, als "altes Europa" bezeichnet. Swoboda konstatierte sowohl in den USA als auch in Teilen Europas eine "konservative Gegenrevolution" im intellektuellen Bereich, deren reaktionärer Ton die Öffentlichkeit umstrukturiert habe und heute "den Ton angebe" und, wie etwa am Beispiel Italien und Österreich ersichtlich, die Medienwelt mit Geld und Beharrlichkeit beeinflussen". Die neue politische Führung der USA und deren unkritische Anhänger in Europa haben "undifferenzierte Vorstellungen von dieser Welt: Es gibt die Guten und es gibt die Bösen". Gerhard Roth sei aus vielen Gründen als Preisträger auserkoren worden, vor allem aber deshalb, weil es ihm gelinge, ein Weltbild zu vermitteln, das vor Illusionen und Vereinfachungen warnt und "nicht durch leere Versprechungen auf eine heile Welt, sondern durch Realitätssinn Hoffnung gibt".

Der politische Konservatismus werde in seinem Eroberungsfeldzug vom christlichen Fundamentalismus begleitet, der mittlerweile seine Mitspieler in Europa gefunden habe, so Swoboda weiter. Dies werde deutlich gemacht durch die Debatte über eine Verankerung der christlichen Tradition in einer zukünftigen europäischen Verfassung. Auch der "Dank an den lieben Gott" nach der letzten Nationalratswahl sowie die Forderung, einen Gottesverweis in eine neue österreichische Verfassung aufzunehmen, gehen "genau in diese Richtung". "Die Religion, die ja eine ureigenste persönliche Entscheidung und Angelegenheit ist, wird damit für politische Zwecke missbraucht - im Kampf gegen den Laizismus, gegen den Islam, etc."

An dieser Stelle ortete Swoboda auch einen "entschiedenen Revisionismus": "Der mühsam und ohnedies nur bruchstückhaft errungene Fortschritt soll zurückgedreht werden - in unseren Auffassungen und Einstellungen und in der Realität." Besonders "eklatant und provozierend" sei hier die Einstellung des FPÖ-Volksanwalts Stadler zur Befreiung Österreichs vom Nazi-Terror. Doch nicht nur Stadler, sondern die gesamte schwarz-blaue Regierung habe zu den Themen Nationalsozialismus und katholische Kirche eine Einstellung, die sich deutlich an der Behandlung der Gedenkdienste zeigen.

Swoboda warnte jedoch davor, angesichts der reaktionären Rechten und deren Revisionismus in Europa und den USA in eine Depression zu verfallen: "Wir müssen ganz grundsätzlich und unideologisch der konservativen Wende unser Bekenntnis zu einer Friedenspolitik, zur sozialen Demokratie, zur Trennung von Staat und Religion bei gegenseitigem Respekt und zur Emanzipation des Menschen unter voller Gleichberechtigung entgegenstellen." Es müsse weiterhin Ziel bleiben, soziale Gerechtigkeit und Vollbeschäftigung unter neuen Bedingungen durchzusetzen und sich zu Laizismus und Aufklärung zu bekennen.

Der ausgezeichnete Schriftsteller Gerhard Roth wende sich in seinen Romanen stets gegen jenes "Schwarz-Weiß-Bild" von "Gut" und "Böse", gegen jene Vereinfachung, die von reaktionären Ideologien in den USA und Europa vorangetrieben werden. Gerhard Roth beschreibe die Welt vielfältig und widersprüchlich, merkte Swoboda an. Roth wende sich mit dieser Haltung gegen "Hoffnungsmänner" (wie in seinem Roman "Der See") und gegen "Vereinfacher", die die heutige Politik oft beherrschen. "Gerhard Roth lehrt uns, bei der Formulierung unserer Politik die Menschen in ihrer Widersprüchlichkeit zu akzeptieren, ohne unsere Bemühungen um eine Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse aufzugeben."

Die weiteren Preise gingen an Joseph Stiglitz für "Die Schatten der Globalisierung" (Siedler Verlag) und an George Tabori für sein literarisches und publizistisches Gesamtwerk. Anerkennungspreise erhalten: Susanne Feigl für "Was gehen mich seine Knöpfe an? Johanne Dohnal. Eine Biografie" (Ueberreuter Verlag), Manfred Scheuch für "Das größere Europa. Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Slowenien und die Baltischen Staaten in Geschichte und Gegenwart" (Brandstätter Verlag), Stefan Moritz für "Grüß Gott und Heil Hitler. Katholische Kirche und Nationalsozialismus in Österreich" (Picus Verlag), Ursula Mitterlehner für "Hausarbeit zum Nulltarif. No fun, no money" (Leykam Verlag) sowie Martin Horváth, Anton Legerer, Judith Pfeifer, Stefan Roth (Hg.) für "Jenseits des Schlussstrichs. Gedenkdienst im Diskurs über Österreichs nationalsozialistische Vergangenheit" (Löcker Verlag).
 
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