Aus dem Bundesrat
Bundesratspräsident Hösele: Föderalismus ist kein Luxus
Antrittsrede des neuen Bundesratspräsidenten
Wien (pk) - Der Bundesrat trat am Donnerstag (30. 01.) erstmals in diesem Jahr unter Vorsitzführung seines neuen Präsidenten Herwig Hösele zusammen. Anwesend war auch der Präsident des Nationalrats Dr. Andreas Khol, der von Hösele mit besonderer Herzlichkeit begrüßt wurde. Der Bundesratspräsident unterstrich, dass er dies als eine besondere Geste der Wertschätzung sowie als Ausdruck der gemeinsamen Verantwortung der beiden Kammern des österreichischen Parlaments für die Republik erachte.

Des weiteren hieß er Landeshauptmann Waltraud Klasnic mit den Worten der besonderen Verbundenheit und Dankbarkeit willkommen. Sie weise den Steirerinnen und Steirern und darüber hinaus auch der Republik den Weg ins 21. Jahrhundert mit einem eigenen, ganz neuen Stil, so Hösele. Als weitere Gäste begrüßte er unter anderem die "Inkarnation des Bundesrates" der letzten Jahrzehnte Präsident Prof. Herbert Schambeck sowie Präsident Alfred Gerstl und hohe Vertreter des Landes Steiermark bis hin zu bedeutenden Persönlichkeiten wie Fritz Molden. Seinen Kolleginnen und Kollegen im Präsidium des Bundesrates dankte er für deren Unterstützung und Wohlwollen.

Am Beginn der Sitzung wurden fünf neue BundesrätInnen angelobt: Christine Fröhlich(V), Dr. Elisabeth Hlavac (S), Mag. Michael Ikrath(V), Helmut Kritzinger (V), Günther Molzbichler (S).

Am Beginn seiner Antrittsrede unterstrich Bundesratspräsident Herwig Hösele, dass der Bundesrat in den Bundesrätinnen und Bundesräten die Vielfalt der Republik widerspiegle. Er wünsche sich deshalb eine breitere Öffentlichkeit für die Debatten in der Länderkammer, da man mit Selbstbewusstsein feststellen könne, dass die Reden jedes Einzelnen nicht nur von beachtlicher Qualität, sondern auch ein Zeichen guter politischer Kultur seien. "Wir machen gemeinsam etwas aus dem Bundesrat", sagte Hösele.

Seit 1920 sei es das unablässige Bestreben der Länderkammer, die Verfassungstheorie mit der politischen Realität in Einklang zu bringen - eine Sisyphusarbeit, der man sich stellen müsse. Jedenfalls habe der Bundesrat Fortschritte erzielt, zeigte sich Hösele überzeugt.

Er ging dann näher auf die Notwendigkeit eines Österreich-Konvents ein, da man mit dem Bundesstaat derzeit an einer wichtigen Wegkreuzung der politischen Entwicklung der Republik am beginnenden 21. Jahrhundert stehe. Die Zeit sei reif für Reformen, und deshalb habe er mit allen Landeshauptleuten und Landtagspräsidenten sowie mit den Präsidenten des Gemeinde- und Städtebundes Termine vereinbart und einige schon absolviert, um mit ihnen gemeinsam Vorgangsweisen im Zusammenhang mit dem Österreich-Konvent zu besprechen. Sein besonderer Dank in diesem Zusammenhang gelte dem Nationalratspräsidenten, der sich mit seinem ganzen politischen Gewicht des Konvents angenommen habe.

Dabei gehe es um einen "Masterplan" des österreichischen Staatsaufbaus für das 21. Jahrhundert, betonte Hösele, an dessen Erarbeitung alle gemeinsam und nicht in einer Frontstellung mitwirken sollen. Präsident Khol und er hätten daher ganz bewusst einen 80-köpfigen Konvent vorgeschlagen, damit möglichst alle betroffenen Institutionen von Anfang an mitwirken können. Er, Hösele, setze dabei auch auf die positive Eigendynamik wie man sie im Zuge des Europäischen Konvents miterleben konnte und er werde sich auch für eine Verschränkung mit diesem Europäischen Konvent einsetzen. Darüber hinaus sei auch die Bürgergesellschaft eingeladen, in neuen Mitwirkungsformen an diesem großen Projekt Österreich mitzuarbeiten, sodass daraus eine breite Österreich-Bewegung entsteht.

Dezidiert unterstrich der Bundesratspräsident das Ziel, die Diskussion über die Verfassungsreform nicht zu einem "intellektuellen Glasperlenspiel" oder "l'art pour l'art einer abgehobenen politischen Kaste" werden zu lassen, da die Organisation des Bundesstaates eine ganz entscheidende Bedeutung für die BürgerInnen habe: größere Überschaubarkeit, mehr politische Mitgestaltungsmöglichkeit und damit mehr Demokratie für die BürgerInnen, besserer Bürgerservice, bürgernahe Verwaltung, rascherer und effizienterer Verwaltungsablauf, und damit geringere Steuerlast.

Hösele ließ auch keinen Zweifel daran, dass Staatsreform für ihn nicht Zentralisierung heiße. Föderalismus sei kein teurer Luxus, sondern sogar moderner, bürgernäher, demokratischer und kostengünstiger als Zentralismus, wenn die Aufgaben richtig zugeordnet seien. Föderalismus sei auch keine Frage der Einwohner oder Flächenquantität. Es ginge daher auch nicht an, die gesamtösterreichische Perspektive allein aus der Sicht der Bundeshauptstadt zu sehen. Als bereichernde und ideengebende Veranstaltung für den Österreich-Konvent werde man in diesem Frühjahr auch den Workshop "Der Bundesrat und die Wahrnehmung der Länderrechte" abhalten. Er hoffe, dass der Bundesrat durch seine Arbeit für den Österreich-Konvent pionierhafte Initiativen setzen könne, und sei zuversichtlich, dass im Jahr 2005, dem 60. Jahr der Wiedererrichtung der Zweiten Republik, Ergebnisse des Österreich-Konvents vorliegen werden.

Dass der Bundesrat auch schon früher Pionierarbeit geleistet habe, beweise die Tatsache, dass von genau 75 Jahren die steirische christlich-soziale Journalisten Olga Rudel-Zeynek die erste weibliche Vorsitzende des Bundesrates, und damit weltweit die erste Parlamentspräsidentin geworden ist. Und auch die erste Frau Landeshauptmann Österreichs stamme aus der Steiermark, betonte Hösele.

Abschließend artikulierte der neue Bundesratspräsident seine Wünsche für die Länderkammer. Er hoffe sehr, dass die Initiative, dem Bundesrat ein Stellungnahmerecht im Gesetzgebungsverfahren einzuräumen, im Nationalrat endlich Gehör finde. Der zweite Wunsch betreffe die Möglichkeit, dass der Bundesrat einmal im Halbjahr am Landtagssitz des jeweils vorsitzführenden Landes tagt. Dies wäre eine wichtige Maßnahme im Sinne der Bewusstseinsbildung für die unverzichtbare Arbeit der Länderkammer, meinte Hösele. Bundesländer, Bundesrat, Landtage und Gemeinden seien Orte der überschaubaren demokratischen Mitwirkung der Menschen, sie seien unverzichtbar, aber nicht unveränderbar.

Am Ende seiner Ausführungen unterstrich Präsident Hösele, dass das Bekenntnis zum Wert der Heimat nichts mit Provinzialität zu tun habe. Im Gegenteil dazu sei so manche "Großmannsucht" provinziell.

 
Klasnic skizziert Erwartungen an eine Staatsreform
Wien (pk) - Landeshauptmann Waltraud Klasnic betonte in ihrer Rede vor dem Bundesrat immer wieder die Notwendigkeit des Miteinanders im Bundesstaat und die Verantwortung für die Republik. "Die Bundesländer sind Österreich", so ihr Appell, die Stärkung des Föderalismus sei weder Selbstzweck noch Steckenpferd der Landeshauptleute, sondern habe den Sinn und das Ziel, eine raschere, bürgernähere und effizientere Erfüllung der öffentlichen Aufgaben auf allen Ebenen zu erreichen. Es gehe um die Nähe zum Menschen, und auch in Europa habe man anerkannt, dass der Kontinent seine Kraft aus den Regionen schöpfe. So schöpfe auch Österreich seine Kraft aus den Ländern und Gemeinden. Länder und Gemeinden seien verlässliche Partner in Österreich und Europa, und die Menschen in den Bundesländern, von denen oft als "Menschen von draußen in den Ländern" gesprochen werde, gehörten dazu, sie seien "drinnen", unterstrich Klasnic mit emotionalen Worten. Die Bundesländer bildeten zusammen eine große Gemeinschaft. Deshalb sei auch die Zusammenarbeit zwischen Bundesstaat und Bundesländern so wichtig.

Klasnic streifte kurz die aktuelle politische Situation, die sie als eine spannende und schwierige Phase der Regierungsbildung bezeichnete. Als Mitglied des ÖVP-Verhandlungsteams versichere sie aber, dass sich alle Fraktionen in den Verhandlungen sehr bemühten, für das Morgen das Beste zu erreichen, nämlich den Kindern und Enkelkindern das Gefühl zu geben, dass wir die Verantwortung ernst nähmen, für Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Existenzsicherung zu sorgen. Die Bundesländer, so Klasnic, wünschten sich eine stabile Regierung mit einem mutigen Reformkurs und einem Finanzausgleich mit dem gesamtstaatlichen Ziel der Stabilität.

Eine Staatsreform habe nicht nur zur Aufgabe, Kompetenzen neu zu verteilen, da man auch erkennen müsse, dass man vieles gemeinsam weitaus besser machen kann. Strukturreform heiße auch nicht, dass sich eine Gebietskörperschaft gegen die andere wendet. Unser aller Aufgabe sei die Zusammenarbeit. Als zentrale Frage stelle sich: Was soll, kann und muss der Staat tun und was können die BürgerInnen besser. Deshalb werde man auch das Prinzip der Eigenverantwortung mehr hervorheben und zum Beispiel den Familien wieder mehr Verantwortung übertragen müssen. Selbstverständlich bedürfe es auch einer begleitenden Hilfe und Kontrolle.

Klare Worte fand Landeshauptmann Klasnic zum Finanzausgleich. "Wir wünschen uns keinen abgestuften Bevölkerungsschlüssel, sondern einen aufgabenorientierten Bevölkerungsschlüssel", so die Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz.

Unter Hinweis auf die wichtige Funktion der Bezirkshauptmannschaften mahnte die Frau Landeshauptmann das Bewusstsein ein, alle Aufgaben bürgernäher zu erfüllen. Dabei sei das Reden um einen Bürokratieabbau zu wenig. Notwendig sei eine klare Aufgabenzuordnung, und in diesem Sinne setze sie in den Österreich-Konvent eine große Hoffnung. Dieser Konvent solle, wie Nationalratspräsident Khol es vorgeschlagen hat, im Bundesratssitzungssaal tagen, sagte Klasnic, hier solle die Zukunft Österreichs bestimmt werden.

Klasnic hob die wichtige Funktion der Gemeinden als ersten Ort der Demokratie hervor, deshalb müsse man auch immer an die Gemeinden denken, wenn man von den Ländern spreche. Im größeren Gebilde Europa werde man sich immer mehr dessen bewusst, wie wichtig die Regionen für die geistige und kulturelle Identität seien. Als Mitglied im Ausschuss der Regionen wisse sie um die Bemühungen, diesen Gedanken einzubringen, weil man damit die Menschen in ihrer Vielfalt vertreten könne. Auch Kommissar Franz Fischler habe darauf in Alpbach hingewiesen, als er betonte: Wenn wir Europa wieder näher zu den Bürgern bringen wollen, führt kein Weg an den Regionen vorbei". Ebenso habe sich im Europa-Konvent der ehemalige Bundesminister Farnleitner für die Interessen der Regionen eingesetzt, um das Aufbauwerk fortzusetzen, und sie freue sich sehr darüber, dass die Regionen im Konvent nun zum Thema geworden seien.

Mit der Erweiterung werde es neue Formen der Kooperation geben müssen, fuhr Klasnic fort. Mobilität und Wirtschaft brächten Chancen. Die Länder und Regionen müssten diese Chancen, die weit über den wirtschaftlichen Bereich hinausgingen, wahrnehmen und die neuen Potenziale nützen. Im Hinblick auf das Ziel, so genannte EU-Zukunftsregionen "alte Nachbarn - neue Partner" zu begründen, hätten sich die Bundesländer Burgenland, Kärnten und Steiermark mit sechs ungarischen Komitaten, mit der Republik Slowenien, mit Nordkroatien und den italienischen Regionen Friaul und Veneto zusammen getan und einen Kooperationsvertrag unterzeichnet, der eine europäische Musterregion definiere und Synergien nütze, um die Ressourcen der Regionen in wirtschaftlicher, wissenschaftlich-technologischer, infrastruktureller und sozial-kultureller Natur ausnutzen zu können.

Sorgen bereitet Klasnic die Tatsache, dass in Graz 43 % der BürgerInnen nicht zur Wahl gegangen seien. Darüber müsse man nachdenken, sagte sie, und vor allem darüber diskutieren, wie man es in der Frage der Briefwahl halten wolle, wobei grundsätzliche Gedanken über das Wahlrecht anzustellen seien.

Abschließend äußerte Klasnic einen Wunsch für ihr Bundesland. Dieses befinde sich derzeit in einem schwierigen Strukturwandel, weshalb die Steiermark ein "Jahrzehnt der modernen Infrastruktur" nötig habe. Es gehe nicht nur um die Stärkung des Wirtschaftsstandortes, sondern auch um die Sicherung des Lebensstandortes, um die Heimat und um die Zukunftsregion.
 
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