EU-Agrarminister kritisch zu Reform der EU-Landwirtschaft
Starke Vorbehalte hinsichtlich Entkoppelung der Direktzahlungen von der Produktion
Brüssel (aiz.info) - Die neuen Vorschläge zu einer grundlegenden Reform der europäischen Agrarpolitik sind im EU-Agrarministerrat überwiegend kritisch aufgenommen worden. Mit Ausnahme von Schweden, dem Vereinigten Königreich und Dänemark äußerten die Mitgliedsstaaten starke Vorbehalte hinsichtlich des Vorschlages zur Entkoppelung der Direktzahlungen von der Produktion. Selbst Deutschland war der Ansicht, dass durch dieses System die Unausgewogenheiten zwischen den einzelnen Sektoren bestehen bleiben könnten, wohingegen die übrigen Gegner dieses Konzeptes (Spanien, Frankreich, Italien, Portugal, Irland, Finnland, Belgien, Luxemburg, Österreich) die Gefahr eines Produktionsrückgangs betonten. Das vorgeschlagene Modell zur Kürzung der direkten Beihilfen (progressiv und nach Tranchen) zur Freisetzung von Fonds, wurde ebenfalls von der Mehrheit der Mitgliedsstaaten abgelehnt. Selbst Großbritannien vertrat die Ansicht, dass das Kommissionskonzept als nicht gerecht zu bezeichnen ist. Die britische Delegation sprach sich für eine lineare Kürzung aus und kritisierte darüber hinaus auch den Schlüssel für die Neuverteilung der Fonds, der aus britischer Sicht zu einer weiteren Verstärkung der historischen Ungleichheiten führen wird.
Rückendeckung erhielt EU-Agrarkommissar Franz Fischler jedoch unter anderem von der deutschen Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast. "Ich glaube, dass Europa solche Reformen braucht", sagte Künast. Jetzt müssten die Weichen für mehr Nachhaltigkeit, Umwelt- und Tierschutz sowie die Entwicklung des ländlichen Raumes gestellt werden, betonte die Ministerin. Dass die Obergrenze der modulierten Direktzahlungen von EUR 300.000,- pro Betrieb wegfällt, hat Künast begrüßt. Allerdings kritisierte sie das neue Degressionsmodell. Nach den neuen Vorschlägen sollen die Direktbeihilfen für kleine Höfe, die bisher bis zu EUR 5.000,- jährlich erhielten, nicht gekürzt werden. Beträge zwischen EUR 5.000,- und 50.000,- werden nach den Plänen ab 2007 bis 2013 stufenweise um letztlich 12,5% gekürzt, Beträge über EUR 50.000,- um 19%. In ihren Augen werde Deutschland dadurch "überproportional" belastet, so Künast.

Ihr gehen auch die Vorschläge aus Brüssel in einzelnen Punkten nicht weit genug. Sie kritisierte unter anderem, dass die Umschichtungen für den ländlichen Raum zu gering seien. "Wenn wir wirklich mehr tun wollen für den Erhalt und den Aufbau von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum, für mehr Tier- und Umweltschutz und für den Aufbau der regionalen Qualitätserzeugung, dann brauchen wir aber vor allem eine wesentlich stärkere Anschubfinanzierung", sagte die Ministerin.

Molterer: Vorschläge sind taugliche Verhandlungsgrundlage

Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer sieht in den Vorschlägen von Fischler eine "taugliche Grundlage" für jetzt einsetzende Verhandlungen. Was aber das Herzstück der Reform, die Entkoppelung eines Großteils der Förderungen von der Produktion betrifft, ist Molterer "sehr skeptisch". Die Entkoppelung und die Vorschläge zum Milchsektor werden nach Ansicht Molterers die "Schlüsselelemente" der Verhandlungen sein. Er hoffe auf eine Entscheidung der EU-Agrarminister noch im Juni.

Diskussionsbedarf im Rinderbereich

Eine gleich bleibende "Bewirtschaftungsleistung" müsse Voraussetzung für die Auszahlung von Förderungen sein, sagt Molterer zum Vorschlag der Entkoppelung. Nach österreichischem Verständnis müsse die Landwirtschaft flächendeckend wirken. Er räumte ein, dass es im Rinderbereich, wo die Prämien direkt in Abhängigkeit der gehaltenen Tierzahl fällig werden, "Diskussionsbedarf" gebe. Bei Getreide sei die Prämie hingegen schon jetzt von der Fläche und nicht vom Ertrag abhängig.

Ein großes Problem in Fischlers Vorschlägen zur Entkoppelung sei auch der historische Bezug. Es sei unklar, was bei Verkauf einer Agrarfläche mit den Förderungen geschehen solle. Es müsse sichergestellt werden, dass nur aktive Bauern gefördert werden. Bauern, die in der Referenzperiode nicht geförderte Produkte anbauten, würden durch die Finger schauen.

Positiv ist für Molterer der Vorschlag, die Milchquoten bis 2014 zu verlängern. "Sehr deutlich hinterfragen" will er allerdings die vorgeschlagene Preissenkung und Quotenerhöhung. Bei der Umschichtung der Förderungen von Direktzahlungen in die ländliche Entwicklung (Modulation) werden die jetzigen Vorschläge "viel eher unseren Ansprüchen gerecht", so Molterer. Allerdings will er die Freigrenze von nur EUR 5.000,- in Diskussion stellen und sich für eine zusätzliche Staffelung einsetzen. Fischlers Vorschläge unterscheiden - über EUR 5.000,- jährlicher Förderung - nur zwischen Unternehmen mit mehr oder weniger als EUR 50.000,-.

"Sehr interessant" sind für Molterer auch die Umweltauflagen, die Fischler vorschlägt. Denn dadurch könnte erstmals sichergestellt werden, dass EU-weit die gleichen Kriterien gelten und der Wettbewerb nicht verzerrt wird. Bei der Umschichtung von Geldern in die ländliche Entwicklung sollen Kriterien wie der Anteil an benachteiligte Gebiete und an Bergbauern herangezogen werden.

Massiver Widerstand von den südlichen Mitgliedsländern, Irland und Frankreich

Neben Deutschland sprachen sich nur Dänemark, Schweden, die Niederlande und Großbritannien klar für drastische Reformen in der europäischen Landwirtschaft aus. In zahlreichen - und besonders den südlichen - Mitgliedsländern der Union stehen die Regierungen einem solchen Kurswechsel skeptisch gegenüber. Als "enttäuschend und negativ" bezeichnete der spanische Agrarminister Miguel Arias Canete die Pläne. "Der Vorschlag geht viel zu weit und kann von uns nicht angenommen werden." Ähnlich äußerte sich unter anderem auch der irische Landwirtschaftsminister Joe Walsh: "Irland würde extrem hart getroffen, seine Bauern und deren Familien." Studien hätten gezeigt, dass die irische Rindfleischproduktion auf Grund der Entkoppelung um 12% zurückgehen würde, berichtete Walsh. Ebenso erwartet er einen drastischen Rückgang bei den Tierbeständen. In seinen Augen widersprechen die Reformvorschläge dem europäischen Modell der Landwirtschaft. Dem stimmte sein französischer Amtskollege Hervé Gaymard zu, der neben seiner grundsätzlichen Kritik keine Reformen vor dem Jahr 2007 will, also dem Ende der 1999 beschlossenen und derzeitig laufenden EU-Finanzperiode: "Man kann ja nicht alle drei Jahre die Spielregeln ändern", so Gaymard.

Die amtierende griechische EU-Ratspräsidentschaft strebt eine Einigung über das Reformprojekt bis zum Sommer an.
 
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