Bonn (alphagalileo) - Manche Medikamente helfen, und niemand weiß, warum. In Zukunft könnte ihnen
das Aus drohen: In Anbetracht leerer Kassen werden die Versicherungen zukünftig wohl verstärkt nur für
solche Arzneien aufkommen, bei denen das Wirkprinzip oder zumindest der Wirkstoff bekannt sind. Die Floureszenz-Korrelations-Spektroskopie
(FCS) hilft Pharma-Forschern zu verstehen, wie Arzneimittel in der lebenden Zelle wirken. Einer der wenigen deutschen
Experten auf diesem noch jungen Gebiet ist Professor Dr. Hanns Häberlein, der nun an der Universität
Bonn die neue Stiftungsprofessur für „Zellbiologie und molekulare Wirkstoffforschung“ angetreten hat. Die
Firma Engelhard Arzneimittel finanziert die Professur in den nächsten fünf Jahren mit insgesamt 500.000
Euro.
Als Professor Häberlein 1996 damit begann, die vielversprechende Methode anzuwenden, gehörte er zu den
wenigen Exoten in der deutschen Wissenschaftslandschaft, die sich mit FCS beschäftigten. In den letzten Jahren
hat er die Methode so weiter entwickelt, dass man sie auch an lebenden Zellen anwenden kann. Über dieses Know-how
verfügen bisher nur eine Handvoll deutscher Forscher – eine Tatsache, die der Arzneimittel-Hersteller Engelhard
durch die Stiftung der Professur für „Zellbiologie und molekulare Wirkstoffforschung“ ändern möchte.
Die FCS erlaubt es, einzelne Moleküle unter die Lupe zu nehmen. Einzige Voraussetzung: Die Substanzen, die
untersucht werden sollen, müssen fluoreszieren. Als „Fluoreszenz“ bezeichnen Chemiker die Fähigkeit mancher
Stoffe, bei Lichteinfall farbig zu leuchten. Sofern sie das nicht schon von Natur aus tun, lässt sich das
meist durch entsprechende chemische Veränderungen erreichen. Bei der FCS nutzt man diese Eigenschaft, um zu
untersuchen, inwieweit bestimmte Moleküle miteinander in Kontakt treten.
Viele Moleküle in einem Organismus haben einzig und allein die Aufgabe, Informationen von einem Ort zum anderen
zu transportieren. So schüttet der Körper bei Gefahr Adrenalin aus, das unter anderem der Leber „befiehlt“,
energiereiche Glucose zur Verfügung zu stellen, die die Beinmuskulatur bei der Flucht als „Treibstoff“ dringend
benötigt. Signalmoleküle wie das Adrenalin „docken“ dazu an bestimmte Rezeptoren an. Rezeptoren sind
Eiweiße auf der Oberfläche von Zellen, die dann die nötigen Stoffwechselreaktionen in der Zelle
veranlassen. Mit der FCS können Forscher derartige Vorgänge beobachten: Dazu beleuchten die Wissenschaftler
beispielsweise einen winzigen Bereich auf der Zelloberfläche mit einem Laserstrahl. Wenn das zu untersuchende
Molekül in den Lichtstrahl tritt, beginnt es zu leuchten; ein hochempfindliches Messgerät erfasst dieses
Licht, das man auch als Fluoreszenzsignal bezeichnet. Kleine Moleküle wie das Adrenalin bewegen sich sehr
schnell durch den beleuchteten Bereich und werden daher nur für eine kurze Zeit vom Laserstrahl erfasst: Das
Fluoreszenzsignal steigt nur kurz an und sinkt dann wieder ab. Größere Moleküle wie z.B. Eiweiße
brauchen dagegen länger, um den Strahl zu durchqueren; das Fluoreszenzsignal hält länger an. Sobald
daher das Adrenalin an einen Rezeptor auf der Zelloberfläche andockt, verlangsamt es sich, weil der Komplex
aus Rezeptor und Adrenalin viel größer ist als das Adrenalin allein. Komplex und Einzelmoleküle
lassen sich daher durch ihre verschiedenen Geschwindigkeiten einfach voneinander unterscheiden – und zwar direkt
bei lebenden Zellen. Dies ermöglicht eine Vielzahl neuartiger Untersuchungen.
Die Methode ist insbesondere für Wirkstoffforscher hochinteressant: Ob die Betäubungsspritze beim Zahnarzt
oder das Medikament gegen Fieber: Fast alle entfalten ihre Wirkung, indem sie mit Eiweißen (Rezeptoren oder
Enzymen) in Kontakt treten und dadurch bestimmte Reaktionen in der entsprechenden Zelle hervorrufen. Häufig
möchten die Pharmakologen den Kontakt zwischen Wirkstoff und Rezeptor verbessern, indem sie den Wirkstoff
chemisch verändern. Mit der FCS können sie an der lebenden Zelle den Erfolg ihrer Maßnahme kontrollieren.
„Mit unseren Messungen an lebenden Lungenepithelzellen haben wir völliges Neuland betreten“, erklärt
Professor Häberlein: Vor allem die große Hintergrundfluoreszenz macht die Arbeit mit ganzen Zellen so
schwierig, dass sich bislang nur wenige Teams mit dieser Aufgabe beschäftigen. Der Wissenschaftler versteht
sich als sinnvolle Ergänzung des Bonner Instituts für Physiologische Chemie: Schließlich biete
die zellbiologische Forschung in Bonn – vertreten durch die Arbeitsgruppen von Professor Dr. Volkmar Gieselmann,
Professor Dr. Thomas Magin und Professor Dr. Ernst Bause – hervorragende Möglichkeiten, auch auf dem Gebiet
der Wirkstoffforschung zu kooperieren. „Mit der Etablierung der Fluoreszenz-Korrelations- Spektroskopie versuche
ich dazu beizutragen, die molekulare Interaktion in lebenden Zellen besser zu verstehen.“ |