Regierungsbildung  

erstellt am
07. 02. 03

 Erklärung des Erweiterten Bundesvorstandes (EBV) der Grünen
zum Stand der Sondierungsgespräche mit der ÖVP über die Möglichkeit der Bildung einer gemeinsamen Bundesregierung

  1. Der EBV hat heute einen ausführlichen Bericht über den Stand der Sondierungsgespräche entgegen genommen und umfassend diskutiert.
  2. Der EBV erklärt die Bereitschaft der Grünen, die politische Option einer Koalition mit der ÖVP ernsthaft zu prüfen und in Verhandlungen darüber einzutreten.
  3. Der EBV setzt dabei voraus, dass die ÖVP diese Verhandlungen als eine Partei der Mitte, auf der Grundlage eines christdemokratischen und sozialen Programms führt und nicht auf der Basis des "schwarz-blauen" Wendeprojektes.
  4. Der EBV stellt fest, dass die ÖVP in den bisherigen Sondierungsgesprächen noch keine ausreichende Bereitschaft zu nachhaltigen ökologischen, demokratischen und sozialen Reformen erkennen hat lassen. Weder zu einer ökologischen Steuerreform, noch bei der Finanzierung der Erreichung der Kyoto-Ziele oder der Neuorientierung der Verkehrs- und Energiepolitik sind bisher nennenswerte Fortschritte erzielt worden. Ebenso wenig beim Einstieg in die Grundsicherung zur Armutsbekämpfung, der Frauen- und Familienpolitik, der Forschungsoffensive sowie in der Bildungspolitik und bei der Integrations-, Asyl- oder Sicherheitspolitik.
  5. Der EBV betont die Bereitschaft der Grünen, im Rahmen von Verhandlungen zu einem tragfähigen gemeinsamen Regierungsprogramm zu kommen, dabei auch weitgehende Reformen mitzutragen und Kompromisse einzugehen.
  6. Die Grünen werden jedoch keinesfalls für eine so genannte "Modernisierung" zur Verfügung stehen, die sich lediglich als eine Politik des Streichens, Kürzens und Abschaffens, von Nulldefiziten und des Abbaus statt des Umbaus des Sozialstaates versteht.

Die Modernisierung unseres Landes muss den ökologischen und sozialen Fortschritt ebenso umfassen, wie eine neue weltoffene Kulturpolitik, die Teilnahme an den europäischen Entwicklungen, die tiefgreifende Demokratisierung der Politik und die Nachhaltigkeit des Wirtschaftens.

Der EBV appelliert an die Verantwortlichen der ÖVP, die Verhandlungen mit den Grünen nicht als bloße Suche nach einem Mehrheitsbeschaffer, sondern als ein neues Modell politischer Zusammenarbeit mit neuen politischen Horizonten zu begreifen.


 

 Schüssel: Konzentrieren uns auf Gespräche mit Grünen
Inhalte außer Streit stellen - Regierung bis Ende Februar möglich
Wien (övp-pk) - "Wir konzentrieren uns jetzt auf die Verhandlungen mit den Grünen", erklärte ÖVP- Bundesparteiobmann Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel nach dem jüngsten Gespräch mit den Grünen am Donnerstag (06. 02.). Die ÖVP wolle in Verhandlungen ausloten, wie die Basis eines möglichen künftigen Regierungsprogrammes aussehen könne. Seitens der Grünen habe es heute "wichtige Klarstellungen" auf Basis des gestrigen Vorstandsbeschlusses gegeben, so Schüssel. "Wir haben akzeptiert, dass die Grünen einige Tage Zeit für die Vorbereitung auf Verhandlungen brauchen. Danach wollen wir 14 Tage konzentrierte Verhandlungen führen. Bis Ende Februar kann eine Regierung stehen. Wir werden unseren Beitrag leisten", betonte der Kanzler.

Es sei ihm vollkommen bewusst, dass die Situation für die grüne Partei "eine qualitativ völlig neue Herausforderung" sei. Daher sei verständlich, dass Vorbereitungsbedarf bestehe. Für ihn, Schüssel, sei wichtig, dass es in insgesamt mehr als 60 Gesprächsrunden eine außergewöhnliche Gesprächskultur gegeben habe. "Heute besteht eine andere Sicht und eine Einsicht in das Notwendige gegenüber dem Wahlkampf", sagte Schüssel.

Die ÖVP habe sich in ihren Gesprächen an einigen konkreten Leitlinien orientiert. Es gehe um die Fragen, wie groß das gemeinsame Potenzial an möglichen Lösungen sei und in welchem Umfang und welcher Qualität diese durchgesetzt werden könnten. Gleichzeitig sei wichtig, "welche innovativen und realistischen Ansätze es gibt. Wir wollen ein neues Verständnis von Partnerschaft und Freude an der Zusammenarbeit sowie Umsetzungswillen", so Schüssel.

Schüssel betonte, er wolle zunächst die Inhalte einer möglichen Zusammenarbeit außer Streit stellen. Er verwies auf Deutschland, wo eine Regierung nach drei Wochen gestanden sei, die Probleme aber nicht gelöst wurden. "Entscheidend ist die Substanz und dass wir uns die Zeit nehmen, die notwendigen Fragen jetzt zu klären."

"Die Gespräche mit den Grünen sollen problem- und sachorientiert verlaufen und danach sollte Klarheit bestehen", so Schüssel. Der Kanzler betonte, es sei noch keine Entscheidung gefallen, "aber ein wichtiger Schritt zur Bildung einer Bundesregierung". Dies sei vor allem vor dem Hintergrund des Drucks zur Entscheidung der Irak-Krise wichtig. "Ich will nicht spekulieren, aber wir müssen auch bereit sein, uns auf europäischer und internationaler Ebene in dieser Frage einzubringen".

Auf eine entsprechende Frage sagte der Kanzler, er habe die Gespräche mit den anderen Parteien von Anfang an als Verhandlungen aufgefasst und habe respektiert und verstanden, dass die anderen teilweise ein anderes Wording verwendet hätten. Die Volkspartei werde den Gesprächsfaden auch zu den anderen Parteien nicht abreißen lassen. Dies sei sinnvoll und es sei wichtig, sich gerade im Vorfeld der Irak-Krise mit den anderen Parteien im Parlament abzustimmen. Schüssel betonte, die anderen Fraktionen hätten "wichtige andere Elemente" einzubringen. "Es geht darum, das Lagerdenken zu überwinden, sich aufeinander zuzubewegen und eine neue Qualität zu schaffen." Auf diese Weise könne etwas entstehen, das Österreich in Zukunft befruchten könne.

Innerhalb der Grünen seien in jüngster Zeit Entwicklungen in Gang gekommen, die den Weg in Richtung Verhandlungen möglich gemacht hätten, so Schüssel. Auf eine entsprechende Frage sagte er, die Grünen hätten wie auch SPÖ und FPÖ "eigene Prioritäten". Ein möglicher Unterschied zur SPÖ sei, dass die Sozialdemokraten immer Bedingungen statt gemeinsamer Lösungen in den Vordergrund gestellt hätten. "Wir wollen uns auf die Lösung der Probleme festlegen. Dabei haben wir einen Pflicht-, Kür- und Innovationsbereich", betonte Schüssel. Dies bedeute mehr als die Reduktion auf die Farben Rot, Blau oder Grün. 

 

Bures: Grüne als billige Mehrheitsbeschaffer für ÖVP?
Abkehr vom schwarz-blauen Wendeprojekt heißt Nein zu Abfangjägern und Studiengebühren
Wien (sk) - SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures teilt die Befürchtungen des Bundesvorstands der Grünen, dass die Grünen lediglich als Mehrheitsbeschaffer für die ÖVP dienen sollen. "Die ÖVP ist anscheinend auf der Suche nach einer Regierungsbildung zu den günstigsten Bedingungen", so Bures. Aus der "Erklärung des Erweiterten Bundesvorstandes" gehe hervor, dass dies die Grünen ebenso sehen.

Bures erklärte am Donnerstag gegenüber dem SPÖ-Pressedienst weiters: Wenn die Grünen ihre Zielsetzung nach einer Abkehr vom schwarz-blauen Wendeprojekt ernst nehmen, verlange das nach einer klaren inhaltlichen Positionierung - Verzicht auf die Abfangjäger, freier Hochschulzugang und Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Auch eine Abschaffung der Frühpensionen ohne umfassende Begleitmaßnahmen, um ältere Arbeitnehmer länger gesund in Beschäftigung halten zu können, ist für Bures unvorstellbar, wenn die Grünen eine Koalition mit einer ÖVP "auf der Grundlage eines christdemokratischen und sozialen Programms" (aus der Erklärung des grünen EBV) wollen.

In Richtung ÖVP erklärte Bures: "Wenn die ÖVP für eine stabile und handlungsfähige Reformkoalition nicht bereit ist - aus Angst mit Teilen der eigenen Klientel in Konflikt zu kommen - , soll sie dafür die Verantwortung übernehmen." Die dauernden Versuche seitens der ÖVP, der SPÖ die Schuld an einem Nicht-Zustandekommen einer großen Reformkoalition zuzuschieben, seien "lächerlich" und vor allem "ziemlich durchsichtig", so Bures. Schließlich habe die SPÖ ihre Bereitschaft für eine Reformpartnerschaft mit der Präsentation der "12 Initiativen für ein modernes Österreich" dokumentiert. Wenn die ÖVP das nicht zur Kenntnis nehmen will, sei das nur so zu deuten, "dass die ÖVP statt einer stabilen Regierung einen Mehrheitsbeschaffer zu günstigsten Bedingungen suche". Es liege nun in der Entscheidung der Grünen, ob sie sich dafür auch hergeben, so Bures abschließend.

 

 Schweitzer: Grüne haben Rückgratlosigkeit zum Programm erhoben
Van der Bellen wittert seine letzte Chance auf einen Ministerposten
Wien (fpd) - "Die Grünen haben die Rückgratlosigkeit zum Programm erhoben." Mit diesen Worten kommentierte FPÖ-Klubobmann Mag. Karl Schweitzer den Beschluß der grünen Bundesparteileitung am Donnerstag (06. 02.), mit der ÖVP in Koalitionsverhandlungen zu treten.

Man dürfe nun gespannt zuschauen, wie sich die Grünen sich in den nächsten Wochen sukzessive von ihren im Wahlkampf erhobenen Forderungen verabschieden würden. Schweitzer nannte hier die Abschaffung der Studiengebühren, die Freigabe von Drogen, die Homosexuellenehe, die Ablehnung des Ankaufs von Abfangjägern, die Öffnung der Gemeindebauten für Ausländer, die Abschaffung der verpflichtenden Deutschkurse für Zuwanderer und die bedenkenlose Öffnung der Grenzen. Weiters erinnerte der freiheitliche Klubobmann auch an die massiven persönlichen Angriffe der Grünen auf prominente ÖVP-Politiker wie Andreas Khol oder Ernst Strasser.

Es sei kaum zu erwarten, daß die ÖVP die grünen Forderungen in ein gemeinsames Regierungsprogramm hineinschreiben werde, meinte Schweitzer. Aber Van der Bellen wittere nun seine letzte Chance, endlich doch noch Minister werden zu können. Dafür opfere er bedenkenlos alle Standpunkte seiner Partei. "Die grüne Basis wird sich sicher sehr freuen, wenn sie ihren Obmann irgendwann in einem bunten Wochenmagazin fotogen vor einem Abfangjäger posieren sehen darf."
 
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