Bonn (alphagalileo) - Gentechnisch veränderte und dadurch Schädlings-resistente Baumwolle kann
gegenüber herkömmlichen Sorten um bis zu 80 Prozent höhere Ernteerträge liefern. Das haben
Wissenschaftler der Universität Bonn und der University of California in Berkeley bei Feldstudien in Indien
beobachtet. Ihre Schlussfolgerung: Gerade Kleinbauern in den Tropen und Subtropen können von Gen-Pflanzen
deutlich profitieren. Diese Ergebnisse sind überraschend, weil man bei ähnlichen Untersuchungen in gemäßigten
Klimazonen wie etwa den USA und China bislang – wenn überhaupt – nur sehr geringe Ertragssteigerungen feststellen
konnte. Die Forscher veröffentlichen ihre Ergebnisse in der kommenden Ausgabe des renommierten Wissenschaftsmagazins
Science (Vol. 299 Nr. 5608), die am 7. Februar erscheinen wird.
Der Feind ist klein, aber gefräßig: Der Baumwollkapselwurm vernichtet Jahr für Jahr einen großen
Teil der Welternte; bis zu 20 mal im Jahr spritzen die Landwirte Insektizide, um dem bedeutendsten Baumwollschädling
Herr zu werden. 1997 brachte daher der Agrokonzern Monsanto eine Sorte auf den Markt, die gegen den Schmarotzer
weitgehend resistent ist: Monsanto-Forscher hatten ein Bakterien-Gen in die Pflanze eingeschleust, das den Bauplan
für ein hochspezifisches Insektengift enthält. Die so genannte Bt-Baumwolle (Bt steht für den „Genspender“
Bacillus thuringiensis) produziert ihr Insektizid gewissermaßen selbst.
Auf mehr als einem Drittel der gesamten chinesischen Baumwoll-Anbaufläche steht inzwischen die gentechnisch
veränderte Sorte; der Pestizideinsatz hat sich auf diesen Feldern um gut 70 Prozent verringert. Vergiftungen
durch Insekten-vernichtungsmittel, früher an der Tagesordnung, haben stark abgenommen. Der Ertrag stieg aber
nur um maximal 10 Prozent; bei gentechnisch veränderten Sojabohnen beobachteten Wissenschaftler mitunter sogar
geringe Ernteausfälle. Allerdings ist der „Schädlingsdruck“ in den USA, China oder Argentinien, wo die
Studien bislang durchgeführt wurden, auch deutlich geringer als beispielsweise in den Tropen und Subtropen:
Während in den USA Insekten jährlich etwa 12 Prozent der Baumwollernte vernichten, betragen die Verluste
in Indien 50 bis 60 Prozent. Dr. Matin Qaim vom Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität
Bonn hat daher zusammen mit Kollegen aus Berkeley den Erfolg von Bt-Baumwolle in Indien untersucht.
Im Jahr 2001 wurde ein umfassender Feldversuch gestartet, an dem 395 Farmen aus sieben indischen Provinzen teilnahmen.
Die Landwirte sollten auf drei benachbarten Flächen Bt-Baumwolle, dieselbe Sorte ohne Resistenzgen sowie eine
in Indien besonders populäre Baumwollsorte anbauen. Der Insektizid-Einsatz bei Bt-Baumwolle war um durchschnittlich
70 Prozent niedriger als bei den beiden anderen Sorten; der Ertrag dagegen lag um mehr als 80 Prozent höher.
„Trotz der höheren Kosten für das Saatgut konnten die Bauern ihre Einkünfte bei der gentechnisch
veränderten Sorte verfünffachen. Allerdings beobachteten wir 2001 auch eine besonders große Kapselwurm-Plage“,
relativiert Dr. Qaim. „In Voruntersuchungen mit weniger Landwirten wurde zwischen 1998 und 2001 im Durchschnitt
ein Plus von 60 Prozent festgestellt.“
Die Ergebnisse mit Bt-Baumwolle sind grundsätzlich auch auf Nahrungsmittelpflanzen übertragbar. Gerade
Regionen in den Tropen und Subtropen mit hohem Schädlingsdruck könnten von resistenten Gentech-Sorten
profitieren, resümieren die Wissenschaftler. „Die größten Ertragsvorteile erwarten wir für
Süd- und Südostasien sowie Mittel- und Südafrika, also gerade für die Gegenden mit dem höchsten
Bevölkerungs-wachstum, die auf Erntezuwächse besonders angewiesen sind.“ Der ZEF-Forscher plädiert
dennoch dafür, mögliche Risiken der „grünen Gentechnologie“ ernst zu nehmen. „In allen bisherigen
Studien hat sich Bt-Baumwolle als unbedenklich für Mensch und Umwelt erwiesen; das sollten wir aber für
jede neue Anwendung individuell testen.“ Er fordert, die Erzeugung gentechnisch veränderten Saatguts nicht
allein den Großkonzernen zu überlassen, da so die Abhängigkeit der Entwicklungsländer von
den Industrienationen weiter wachse. Dieses Problem sei aber nicht der Gentechnologie anzulasten: „Es liegt an
uns, die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass diese vielversprechende Technologie auch die Armen zu erschwinglichen
Preisen erreicht.“ |