Regierungsklausur in Wildalpen
Wien (rk) - Im Rahmen der Regierungsklausur hat die Wiener Stadtregierung am Donnerstag und Freitag
rund 12 große Themenfelder zu den Themen Kultur, Europapolitik, Gesundheitsfinanzierung und Sicherung der
Pensionssysteme bearbeitet. Darüber berichtete Bürgermeister Dr. Michael Häupl am Freitag (15. 02.) in einem Pressegespräch in Wildalpen. Schwerpunkte der Beratungen seien die
Bereiche Wirtschaftsentwicklug und Arbeitsmarkt sowie die Situation der Älteren Generation in der Stadt gewesen.
Alt werden in Wien - gesund und selbstbestimmt !
Vbgm. Grete Laska referierte über die derzeitige und zukünftige Situation von Seniorinnen und
Senioren in Wien, die an die Stadt unterschiedlichste Ansprüche stellen.
Derzeit leben in Wien mehr als 340.000 Über-60jährige, das sind mehr als 20 Prozent der Wiener Gesamtbevölkerung.
Einerseits aufgrund der geburtenstarken Jahrgänge ab Mitte der 60er Jahre andererseits durch bessere Gesundheitsversorgung
wächst der Anteil dieser Altersgruppe kontinuierlich: Bis zum Jahr 2030 werden die Über-60-Jährigen
ein Drittel der Wiener Gesamtbevölkerung stellen.
55+ bis Pflegefall: breitgefächertes Angebot für heterogene Zielgruppe
Bei den Über-60jährigen handelt es sich um eine äußerst heterogene Zielgruppe. Von
den mehr als 340.000 Über-60jährigen sind rund 96.200 zwischen 75 und 85 Jahre und rund 33.300 älter
als 85 Jahre. Daher sind von der derzeit stark umworbenen Gruppe der aktiven, "jugendlichen" 55+ bis
zu pflegebedürftigen Personen in hohem Alter viele Lebensformen und entsprechende Bedürfnisse abzudecken.
Personen der Gruppe 55+ erfreuen sich meist eines guten allgemeinen Gesundheitszustandes, sind aktiv und setzen
Eigeninitiativen in vielen Bereichen des Lebens. Der Ruhestand wird als eine Periode des Ausruhens und der Freizeitgestaltung
- abhängig von der finanziellen Situation des/der einzelnen - begriffen.
Seitens der zweiten Gruppe, die stetig anwächst ("Alte werden immer älter"), wird die Nachfrage
nach Pflege- und Betreuungsleistungen massiv ansteigen - vor allem hinsichtlich pflegeintensiver Erkrankungen wie
Demenzerkrankungen u.ä. Von der Angebotsseite wird hier auch vermehrt auf spezifische Bedürfnisse älterer
MigrantInnen und älterer behinderter Menschen einzugehen sein.
Mehr als 20 Prozent aller WienerInnen über 60 - die Stadt agiert
Weil bereits derzeit mehr als ein Fünftel aller Wienerinnen und Wiener älter ist und damit spezielle
Bedürfnisse hat, aber vor allem hinsichtlich einer langfristigen Planung agiert auch die Stadt entsprechend:
Einerseits war bereits in den letzten Jahren in Wien ein kontinuierlicher Anstieg des Budgetanteils für SeniorInnen
zu verzeichnen - allein von 1997 bis 2000 stieg dieser um mehr als 15 Prozent. Wien hat in den Jahren 2001 und
2002 ein Rekordbudget für den Ausbau und Betrieb der PensionistInnen-Wohnhäuser von jeweils 52,8 Mio.
Euro (726 Mio. ATS) zur Verfügung gestellt. Auch in Zukunft wird durch notwendige Adaptionen im Bereich von
Wohn- und Pflegeplätzen ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf bestehen.
Andererseits müssen - unter dem obersten Prinzip der Kundenorientierung - vermehrt alle Bereiche des städtischen
Lebens auf die Bedürfnisse dieser Zielgruppe Rücksicht nehmen. So sind im Sinne der Querschnittsmaterie
"SeniorInnen" etwa Angebote in den Bereichen Kultur, Stadt- und Verkehrsplanung, Wohnen, Kommunikation
und Bildung sowie Gesundheit noch besser als bisher auf diese Zielgruppe auszurichten. Die Wiener Politik hat bereits
in der Vergangenheit Pilotprojekte gestartet, deren Grundsätze in Zukunft allerdings vermehrt zum Prinzip
des politischen Handelns werden sollen. Oberste Priorität haben Projekte, die alle Generationen miteinander
verbinden bzw. durch eine allgemeine Qualitätsverbesserung auch jüngeren Menschen zugute kommen. Sämtliche
Leistungen sollen - unter Sicherung und Stärkung des Familienzusammenhaltes - möglichst in Wohnort-Nähe
erbracht werden.
Beispiel 1: Ein Pilotprojekt des geförderten Wohnbaus von Kolping und Heimbau in Favoriten verbindet
unter dem Stichwort "Mehrgenerationen-Wohnprojekt" 359 betreute Wohnplätze mit 60 benachbarten Wohnungen.
Ziel dieses Projektes ist es, Wohnformen anzubieten, die den Zusammenhalt von Familien stärken - dies könnte
überhaupt Grundsatz neuer Wohnangebote sein.
Beispiel 2: Die Aktion "Bewegung findet Stadt" richtete sich während der letzten 2 Jahre
nicht nur an SportlerInnen und junge Menschen, sondern auch an Bevölkerungsgruppen, die sich unabhängig
von sportlichen Höchstleistungen einfach mehr bewegen sollen. Ältere Menschen können durch regelmäßige
Bewegung Verletzungen wie etwas Oberschenkelhalsbruch u.ä. vorbeugen. Highlight war die Sport- und Bewegungsmesse
"Aktiv bleiben - aktiv werden" für WiedereinsteigerInnen und Menschen, die gesund und fit ins hohe
Alter kommen wollen, im Wiener Rathaus.
Beispiel 3: Das Angebot in http://www.wien.at/ wird seit einiger Zeit kontinuierlich den WAI-Richtlinien
angepasst und damit barrierefrei gestaltet. Diese Gestaltung kommt nicht nur Menschen mit besonderen Bedürfnissen
zugute, sondern auch älteren Personen, deren Sehvermögen beeinträchtigt ist und vielen anderen.
Beispiel 4: Die SeniorInnen werden immer aktiver, nicht nur körperlich sondern auch geistig. Unter
dem Motto des lebenslangen Lernens bieten wir in den Volkshochschulen und anderen Einrichtungen spezielle Kurse
für SeniorInnen an, die sich steigender Beliebtheit erfreuen. Vor allem Kurse, die Fähigkeiten im Bereich
der neuen Technologien wie z.B. Internet vermitteln, werden stark nachgefragt. Internet-Stationen stehen BewohnerInnen
und Gästen in fast allen "Häusern zum Leben" zur Verfügung.
Beispiel 5: Im Bereich der Verkehrs- und Stadtplanung wurden durch den nachträglichen Einbau von Aufzügen
in U-Bahn-Stationen, die Adaptierung von Gehsteigen (etwa durch Rampen) und viele andere Maßnahmen massive
Verbesserungen für mobilitätseingeschränkte Personen erzielt. Dennoch wird auch hier vermehrt auf
die Bedürfnisse von älteren BenützerInnen der öffentlichen Verkehrsmittel, aber auch von älteren
AutofahrerInnen einzugehen sein.
Beispiel 6: Vielfältig sind die Angebote der Stadt Wien, wenn um Pflege und Betreuung der älteren
Generationen geht. Neben stationären Angeboten wie Geriatriezentren, Pflegeheimen oder geriatrischen Stationen
in den Krankenhäusern und den Pensionistenwohnhäusern bieten die mobilen Dienste, die über die MA
47 - Pflege und Betreuung organisiert und finanziert werden, den SeniorInnen die Sicherheit, auch zu Hause entsprechend
betreut und gepflegt zu werden. Dazu zählen Heimhilfen, die mobile Krankenpflege, die Hilfsdienste bei Reinigung
und Versorgung, aber auch "Essen auf Rädern". Spezielle Angebote wie die geriatrischen Tageszentren
runden die Palette ab.
Beispiel 7: Von 1.-5. April findet im Künstlerhaus in Wien das "Erinnerungstheater-Festival"
statt. Erinnerungstheater ist ein Begriff der soziokulturellen Arbeit mit älteren Menschen: Menschen über
50 und weit darüber hinaus arbeiten in einer Theatergruppe unter der Anleitung von TrainerInnen gemeinsam
an ihren jeweiligen persönlichen Erinnerungen, entwickeln Themen, Inhalte und Texte, die dann mit fachkundiger
Hilfe auf die Bühne gebracht werden.
Massive Auswirkungen auf die Wirtschaft
Vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht ist ein Bewusstseinswandel unumgänglich: Zukünftig wird
der Übergang von der Arbeitszeit in den Ruhestand weniger an ein bestimmtes Alter gebunden sein. ExpertInnen
prognostizieren eine allgemeine Verlängerung der Lebensarbeitszeit mit unterbrochener Erwerbszeit für
Weiterbildung, Sabbaticals und mehrmalige Berufswechsel. Diese Verlängerung der Lebensarbeitszeit geschieht
seitens vieler SeniorInnen nicht freiwillig, sondern wird vermehrt dem Erhalt des Lebensstandards dienen - Phänomene
wie "berufliche Höherqualifizierung" und "Schwarzarbeit" werden auch für ältere
Menschen relevant sein.
Die stark steigende Nachfrage an qualifiziertem Pflege- und Betreuungspersonal und neue Berufsbilder wie etwa "Wohnberater
für Senioren" zeichnen den Seniorenbereich als ein arbeitsmarktpolitisches Wachstumssegment aus. In diesem
Sinne ist auch die Wirtschaft gefordert, Ideen zu entwickeln - auch hier gibt es noch zu wenig Angebote im Hinblick
auf die steigende Zahl an Singlehaushalten mit älteren Personen etwa die Versorgung mit Lebensmitteln und
anderen Serviceleistungen betreffend.
Umsichtige und langfristige Planungen im Sinne der Wienerinnen und Wiener
Das Angebot der Stadt Wien ist vom Grundsatz "Selbstbestimmung bis ins hohe Alter" getragen und
reicht in diesem Sinne von Information und Beratung über Gesundheitsförderung und Prävention bis
hin zur Vollversorgung.
Bislang hat vor allem der 1996 durch Bürgermeister Dr. Michael Häupl eingesetzte Seniorenbeauftragte
die Wiener SeniorInnen über sämtliche Angebote informiert, seniorenrelevante Anliegen und Interessen
in allen Bereich der Stadtverwaltung koordiniert und neue Initiativen eingeleitet. Um eine Optimierung der Ressourcen
zu erzielen, könnten etwa die operativen und strategischen Einheiten getrennt werden. Eine entsprechende Beschlussfassung
noch im Jahr 2003 wird es Wien ermöglichen, ganz konkrete Maßnahmen für diese so wichtige Zielgruppe
noch besser als bisher umzusetzen.
Um die Voraussetzung für die Planung und Umsetzung der notwendigen Veränderungen auch auf gesetzlicher
Ebene (z.B. Sozialhilfegesetzgebung) zu schaffen, geht es dabei auch um die Bündelung der politischen Verantwortung.
In diesem Sinne wird die Stadt Wien auch klare Aussagen der Bundesregierung zur künftigen Entwicklung des
Pflegegeldes einfordern. Diese hat bereits zum dritten Mal hintereinander die Pensionen UNTER der Inflationsrate
"angepasst". Die Inflation stieg in den Jahren 2000 bis 2002 um 6,7 Prozent, die Pensionen dagegen nur
um 2,5 Prozent. Änderungen bei der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit und beim
Pensionsantrittsalter verunsicherten ebenso wie extreme Kürzungen bei Witwen- sowie Invaliditätspensionen.
Darüber hinaus ist hinsichtlich der Österreichischen Mitgliedschaft in der EU auch zu erwarten, dass
vermehrt internationale profitorientierte Konzerne ihre Leistungen in Wien anbieten werden. Hier wird Wien alles
daran setzen, im Interesse der älteren Wienerinnen und Wiener die derzeitige Qualität sicherzustellen.
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Rieder: Wien erzielte 2002 Maastricht-Überschuss von 340 Mio. Euro
"Wiens Maastricht-Überschuss in Höhe von 340 Mio. Euro, die Neuordnung der städtischen
Unternehmen, der Arbeitsmarkt sowie Maßnahmen zur Internationalisierung der Wiener Unternehmen und die Stärkung
neuer Wirtschaftsfelder, wie der Creative Industries, zählten zu den Schwerpunktthemen der Wiener Regierungsklausur
in Wildalpen", erklärte Wiens Finanz- und Wirtschaftsstadtrat Dr. Sepp Rieder am Freitag (15. 02.)
gegenüber der Rathauskorrespondenz.
Laut dem provisorischen Rechnungsabschluss für das Jahr 2002 erzielte Wien einen Maastricht-Überschuss
von 340 Mio. Euro, was deutlich über dem Maastricht-Soll von 336 Mio. Euro lag. Im Gegensatz dazu wird für
Österreich ein gesamtstaatliches Defizit über dem Maastricht-Limit erwartet. Als Gründe dafür
nannte Rieder die negative Entwicklung der Lohnsummen aufgrund der gestiegenen Arbeitslosigkeit sowie das Vorziehen
von Steuereinnahmen im Jahr 2001 zur Erlangung eines "virtuellen Nulldefizits".
Trotz des erzielten Maastricht-Überschusses war es Wien im Jahr 2002 möglich, 145 Mio. Euro zur Schuldentilgung
zu reservieren. Aufgrund des derzeit ungünstigen Frankenkurses werden diese Mittel in einer Rücklage
"geparkt". Wien hat damit weiterhin die geringste Pro-Kopf-Verschuldung aller Bundesländer. Generell
wurde das Schuldenmanagement Wiens vom Rechnungshof ausdrücklich gelobt.
Wien bewies auch 2002, dass Sparen und eine aktive Investitions- und Wirtschaftspolitik kein Gegensatz sind. So
investierte die Stadt 1,351 Mrd. Euro, um 7,7 Prozent mehr als 2001. Die so genannten nachfragewirksamen Investitionen
beliefen sich auf 3,36 Mrd. Euro, um 4,8 Prozent mehr als 2001. Zusätzlich investierten die städtischen
Unternehmen 978 Mio. Euro. 2003 werden diese Unternehmen sogar 1,14 Mrd. Euro investieren.
Erneut forderte Rieder eine bessere Zusammenarbeit über die Bundesländergrenzen hinweg in Sachen Arbeitsmarktpolitik.
Wien biete bei 20 Prozent Bevölkerungsanteil 25 Prozent der österreichischen Arbeitsplätze, 15 Prozent
der Wiener arbeiten im Wiener Umland, jedoch 20 Prozent der Wiener Arbeitsplätze stehen Nicht-Wienern zur
Verfügung. Diese Fakten belegen, dass der Wiener Arbeitsmarkt der offenste und leistungsfähigste Österreichs
ist, gleichzeitig aber auch der empfindlichste. Deshalb müsse die Zusammenarbeit in Sachen Arbeitsmarkt auf
die gesamte Vienna Region, sowohl organisatorisch als auch inhaltlich, ausgedehnt werden.
Schwerpunkte Internationalisierung der Wirtschaft und neue Stärkefelder
Die Ausrichtung der Wiener Wirtschaft auf MOEL hatte zur Folge, dass das Wirtschaftswachstum in Wien im
Jahr 2002 um das Doppelte des Österreichschnitts stieg. Trotzdem müssen die Bemühungen zur Internationalisierung
der Wiener Wirtschaft gesteigert werden, so Rieder.
Dazu bedürfe es auch der intensivierten Förderung neuer Stärkefelder, wie etwa der Creative Industries.
Neuordnung der städtischen Unternehmen
Im Zentrum der Neuordnung der städtischen Unternehmen stehen der WWFF und die Wiener Holding. Die
Wiener Holding wird in Zukunft noch mehr Zentrum der wirtschaftlichen Aktivitäten der Stadt werden. Unternehmen,
wie die Telekabel Wien oder die Gesiba, werden hier künftig beheimatet sein. Strategisch noch größere
Bedeutung wird der Wiener Hafen erlangen, indem künftig auch eine Donauraum-Entwicklungsgesellschaft integriert
werden wird. Ebenfalls in der Wiener Holding organisiert werden wird eine zentrale städtische Immobilien-Besitz-
und -Entwicklungsgesellschaft sowie eine Stadtentwicklungsgesellschaft, in der nach Fertigstellung der Messe Wien
Neu unter anderem die Messe-Besitzgesellschaft und andere Stadtentwicklungsgesellschaften zusammengeführt
werden sollen.
Im Bereich des WWFF wird, so Rieder, künftig der Kontakt mit der Industriellenvereinigung weiter verstärkt
werden. Darüber hinaus wird der klassische Förderbereich eine eigene Sparte des WWFF darstellen. Weiters
sollen die Agenden des bestehenden Zentrums für Innovation und Technologie (ZIT) ausgeweitet werden und eine
eigene Gesellschaft zur Entwicklung der Creative Industries gegründet werden. |