Turiner Grabtuch: Nach Restaurierung in besserem Zustand  

erstellt am
14. 02. 03

Studientag in Wien über die konservatorischen Maßnahmen im Sommer 2002 - Nach Entfernung von Flicken aus dem 16. Jahrhundert ist Abbild des Gekreuzigten jetzt besser sichtbar
Wien (kath.net/PEW/red) - Die im Juli 2002 am Turiner Grabtuch (Santa Sindone) durchgeführten Restaurierungsmaßnahmen standen im Mittelpunkt eines Studientages am Mittwoch im Erzbischöflichen Palais in Wien. Bei den Maßnahmen waren vom Grabtuch 30 Stoff-Flicken und ein die Hinterseite schützendes Tuch aus dem 16. Jahrhundert entfernt worden. So konnte erstmals auch die Rückseite des Grabtuchs in systematischer Weise fotografisch erfasst und gescannt werden. Giuseppe Ghiberti, Professor an der Katholischen Universität Mailand und Mitglied der Päpstlichen Bibelkommission, unterstrich, dass das einzige Ziel der Maßnahmen darin bestanden habe, den Zustand des Grabtuches zu verbessern und es so für die Zukunft zu erhalten. Auf Grund der überaus starken Verschmutzungen habe man sich dazu entschlossen, das Futtertuch und die Flicken zu entfernen und bloß ein neues naturfarbenes Tuch als Untergrund zu belassen. Die nun entfernten Flicken hatten Ordensschwestern 1534 nach einem Brand auf das Leinentuch aufgenäht, um einige Löcher in der Struktur zu überdecken.
Ghiberti verwies darauf, dass bereits mehrmals im Laufe der Geschichte Ausbesserungsarbeiten am Grabtuch vorgenommen worden waren: "Die Restaurierungsmaßnahmen 2002 waren deshalb keine absolute Neueheit und schon gar keine Revolution". Die jüngsten Kritiken an den konservatorischen Arbeiten und den daran Beteiligten bezeichnete Ghiberti als "Boshaftigkeiten", es habe aber auch viel Zustimmung gegeben.

Neue Erkenntnisse über die "Echtheit" des Tuches konnten aus den jüngsten Maßnahmen bislang nicht gewonnen werden. In jedem Fall sei das Turiner Grabtuch ein faszinierendes Objekt, wie Kardinal Christoph Schönborn betonte. Gerne hätten die Gläubigen eine wirkliche Fotografie Jesu und den sichtbaren Beweis für die Aufersteheung, doch "wir sind als Glaubende und nicht als Schauende auf dem Weg", so Schönborn wörtlich. Die Wissenschaft habe im Fall des Turiner Grabtuches die Kluft zwischen Glauben und Schauen zwar geringer gemacht, "aber es bleibt eben eine Kluft". Jeder müsse sich auf seine Weise im Glauben und mit der Vernunft diesem Grabtuch stellen, das nur eines der vielen Instrumente Gottes sei, "um uns auf Ihn aufmerksam zu machen".

Originalbestand des Tuches nicht betroffen
Die Expertin für mittelalterliche Stoffe Mechthild Flury-Lemberg, die im Sommer den Eingriff durchgeführt hatte, betonte, dass die Erhaltung des Sichtbarkeit des Abbildes des Gekreuzigten Vorrang vor allen historisch gewachsenen Erscheinungen des Tuches habe. Deshalb habe man sich nach gründlichen Überlegungen und Vorarbeiten dazu entschlossen, die Flicken und das Futtertuch zu entfernen, um dem Oxydationsprozess und damit dem Nachdunkeln des Tuches entgegen zu wirken. Flury-Lemberg: "Die Anforderung an den Konservator bestand in der Stabilisierung der hellen Farbe des Leinengrundes, denn nur so ist zu vermeiden, das eines Tages durch Nachdunkeln des Grundes die relativ zarte Zeichnung des Abbildes farblich mit dem Grund zusammenwächst und damit unlesbar wird". Der Originalbestand des Grabtuches sei von den Maßnahmen nicht betroffen gewesen, so Flury-Lemberg; die Restaurierungen des 16. Jahrhunderts hätten ebenso wenig Eigenwert wie die Konservierungsarbeiten von 2002. Die Konservatorin betonte, dass alle Maßnahmen und Veränderungen weder die Substanz noch die Aussage des Tuches betreffen, ganz im Gegenteil sei sogar die Gestalt des leidenden Menschen nun besser erkennbar.

Wie notwendig die Maßnahmen waren, zeige die Tatsache, dass bei den Flicken und rund um die Brandlöcher eine große Menge an Kohlenstaub gefunden wurde. Dieser sowie alle entfernten Stoffteile seien sorgfältig aufbewahrt worden und stünden für weitere Forschungen zur Verfügung. Um das Grabtuch auch weiterhin in Ausstellungen zeigen zu können, wurde auf der Hinterseite ein Stützgewebe aus Naturleinen befestigt; die Brandlöcher wurden mit feinsten Seidenfäden fixiert.

Der Würzburger Professor für griechisch-römische Geschichte, Karlheinz Dietz, gab anhand videomikroskopischer Aufnahmen bisher nie gesehene Einblicke in die Detailstruktur des Turiner Grabtuches. Bei bis zu 450facher Vergrößerung wurden die Blutspuren, aber auch die Verschmutzungen des Leinentuches deutlich. Dietz widersprach allen Befürchtungen, durch die jüngsten Behandlungsverfahren an dem Grabtuch habe der in seiner Entstehung weiterhin ungeklärte Abdruck des Corpus Schaden gelitten.

Der geheim gehaltene Eingriff am Grabtuch erfolgte im Auftrag des Turiner Kardinals Severino Poletto und war von Papst Johannes Paul II genehmigt worden. Einzelne Wissenschaftler aus den USA, Italien und Deutschland hatten die Restaurierung als einen "unnötigen und bedenklichen Eingriff" kritisiert. Mit dem Studientag in Wien wolle man einen Beitrag zur offenen Diskussion leisten und alle Fakten auf den Tisch legen, so die Generalsekretärin der Wiener Katholischen Akademie, Elisabeth Maier, die für den Studientag verantwortlich zeichnete.

Abbild eines Gefolterten
Das Turiner Grabtuch zeigt die Abdrücke eines gefolterten Menschen. Der vordere Abdruck zeigt den Kopf und das Gesicht eines Mannes von 1,70 bis 1,80 Metern Größe, mit langen Haaren, Schnurr- und geteiltem Backenbart. In den Haaren und im Gesicht sind Blutspuren sichtbar, die Gesichtszüge lassen auf zahlreiche Verletzungen wie Schwellungen unter dem Auge und am Unterkiefer schließen. Auf der rechten Seite des Oberkörpers sieht man eine Schnittwunde, die einen großen Blutfleck hinterließ. Weiters weist der Körper zahlreiche Verletzungen auf, die von Geißelungen her rühren.
 
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